Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der klagenden Partei auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Am 4. 5. 1987 fragte die Spedition Fratelli DE G***, Neapel, in einem der Büros der beklagten Partei in Italien an, ob diese für sie einen Transport von Neapel nach Dortmund derart durchführen könne, daß der LKW bereits bis spätestens 15 Uhr des Folgetages am Verladeort ankommt. Die beklagte Partei bejahte dies und nahm den Frachtauftrag als Frachtführer an. Der mit CMR-Frachtbrief erteilte Frachtauftrag lautete auf Warentransport (Jeans-Oberbekleidung) von der Firma D'A*** s.r.l., Via N. Nicolini 58, 80141 Napoli, zur Filiale derselben Firma in Deutschland (Andrea-Straße 9, 4600 Dortmund).
Der LKW-Fahrer der beklagten Partei, Adolf K***, nahm telefonisch die Anweisung der beklagten Partei entgegen, am 5. 5. 1987 um 7 Uhr früh bei der Firma DE G*** in Neapel die Ladung zu übernehmen und nach Deutschland zu transportieren. K*** war damals, wie üblich, allein ohne Beifahrer mit dem LKW-Zug unterwegs. In Neapel erfolgte die Beladung des LKW-Zugs bei der Speditionsfirma DE G*** gegen 15 Uhr im Lager der Firma D'A*** s. r.l.; zwischen 18 Uhr und 20 Uhr (ein genauer Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden) war die Beladung beendet. Bei Antritt der Fahrt ließen sich die drei Ladearbeiter der Firma DE G*** vom Verladeort etwa 200 m weit bis zu ihrer Firma mitnehmen. Nachdem K*** dort die Arbeiter abgesetzt hatte, blieb die Beifahrertüre unversperrt. K*** setzte hierauf die Fahrt allein fort; ein Begleitfahrzeug hatte er weder angefordert, noch wurde ihm ein solches angeboten.
Etwa 1 km weiter wurde er durch eine auf rot geschaltete Ampel zum Anhalten gezwungen. Diese Gelegenheit nützten drei Männer, um sich des LKWs samt Ladung zu bemächtigen, wobei einer auf der Fahrerseite K*** ablenkte, während die beiden anderen - einer mit einer Pistole bewaffnet - durch die unversperrte Beifahrertüre in das Wageninnere eindrangen. Unter Androhung von Waffengewalt wurde K*** in die Schlafkoje gedrängt und wenig später im Stadteil Casoria zum Aussteigen gezwungen. Der mit der Pistole bewaffnete Mann blieb zur Bewachung K***s bei diesem zurück, während der LKW-Zug samt Ladung seine Fahrt fortsetzte. Nachdem K*** von dem bewaffneten Mann bis etwa 21 Uhr oder 21,30 Uhr durch zwangsweisen Besuch einer Pizzeria und einer Bar hingehalten worden war, wurde er freigelassen. Er erstattete anschließend Anzeige.
Zum Zeitpunkt des Raubüberfalles war es noch hell.
Am 8. 5. 1987 wurde der LKW-Zug samt Anhänger in der Via Nuova del Campo in Neapel aufgefunden. Das Fahrzeug wies nur geringe Beschädigungen auf, die geraubte Warenladung konnte aber nicht sichergestellt werden. Der Wert des abhanden gekommenen Guts belief sich auf DM 711.341,50.
Am 28. 5. 1987 konnte die örtliche Polizei von Neapel bei Hausdurchsuchungen einige Posten von Kleidungsstücken aus Jeans-Stoff der Marke D-Angelo Sportswear sicherstellen, die aus dem Raub vom 5. 5. 1987 stammten. Deshalb wurden zwei Personen wegen Hehlerei verurteilt.
Bei der Spedition Fratelli DE G*** ist es üblich, beim Transport von Lederwaren u.dgl. ein Begleitfahrzeug zum Schutz vor Raubüberfällen bis zumindest zur Autobahnauffahrt beizustellen; bei Jeans-Transporten ist dies jedoch nicht üblich.
Die Firma D'A*** s.r.l. hatte mit der klagenden Partei einen Versicherungsvertrag abgeschlossen und machte ihr gegenüber auf Grund desselben Ansprüche aus diesem Schadensfall geltend. Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Gegenwertes von 185.459,12 Rechnungseinheiten (eine Einheit = Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds) zahlbar in österreichischen Schilling am Tag des Urteils erster Instanz samt 5 % Zinsen seit 15. 7. 1987. Sie brachte dazu vor, die beklagte Partei habe ihre Pflichten aus dem Frachtauftrag nicht erfüllt, weil die Ware beim Empfänger nie angekommen sei. Die klagende Partei habe als Versicherer der Firma D'A*** s.r.l. den Warenwert von DM 711.341,50 ersetzen müssen, sodaß sie gemäß § 67 VVG zur Klageführung aktiv legitimiert sei; ihr seien die Ansprüche von der Spedition Fratelli DE G*** auch abgetreten worden. Die beklagte Partei stellte die Höhe der Klageforderung außer Streit, bestritt aber ihre Haftung dem Grunde nach und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei gemäß Art. 17 Abs 2 CMR von der Haftung befreit, weil der Raub ein für die beklagte Partei unabwendbares Ereignis dargestellt habe. Ein Absperren des Fahrzeuges hätte den Schaden nicht verhindern können. Eingewendet werde auch ein Verschulden des Absenders, weil dieser entgegen der Ankündigung so spät die Verladung vorgenommen habe, daß die Abfahrt des LKWs erst zur Nachtzeit möglich gewesen sei.
Die klagende Partei entgegnete, der Schadensfall sei für die Beklagte nicht unvermeidbar gewesen. Der Raub sei deshalb möglich gewesen, weil die rechte Türe der Fahrerkabine nicht versperrt war; wäre sie versperrt gewesen, wäre es den Tätern unmöglich gewesen, ohne Aufsehen zu erregen, in die Kabine zu gelangen. Der beklagten Partei sei auch vorzuhalten, daß sie nicht wie sonst ein Begleitfahrzeug der Spedition DE G*** angefordert und zudem den Fahrer allein, ohne Mitfahrer, den Transport habe durchführen lassen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es war rechtlich der Ansicht, daß die beklagte Partei nach Art. 3 CMR für Personen, deren sie sich bei der Ausführung des Frachtauftrages bediene (also des Fahrers K***), wie für eigene Handlungen und Unterlassungen gemäß Art. 17 Abs 1 CMR vom Zeitpunkt der Übernahme des Guts bis zu seiner Ablieferung hafte. Der Haftungsbefreiungsgrund nach Art. 17 Abs 4 lit c CMR, den die beklagte Partei geltend mache, indem sie auf die verspätete Beladung des LKWs hinweise, liege nicht vor; es stehe fest, daß die Beladung zu einem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen sei, als es noch hell war. Die beklagte Partei habe den ihr nach Art. 18 Abs 1 CMR obliegenden Beweis, daß der Verlust der Waren durch einen der in Art. 17 Abs 2 CMR bezeichneten Umstände verursacht worden sei, nicht erbracht. Der beklagten Partei sei anzulasten, daß die Beifahrertüre vor dem Überfall nicht versperrt gehalten wurde. Eine Versperrung wäre aber angesichts der allgemein bekannten Gefährlichkeit dieser Region und der Höhe des Wertes des geladenen Gutes unbedingt erforderlich gewesen, zumal der LKW-Fahrer allein und ohne Begleitfahrzeug unterwegs war.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil bisher nur eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der allfälligen Haftungsbefreiung des Frachtführers nach Art. 17 Abs 2 CMR bei einem Raubüberfall vorliege. Rechtlich vertrat das Gericht zweiter Instanz die Auffassung, daß ein Raubüberfall wie der vorliegende keine höhere Gewalt darstelle. Die Haftungsbefreiungsbestimmung des Art. 17 Abs 2 CMR knüpfe an den Begriff des unabwendbaren Ereignisses an, wie er in § 9 EKHG Verwendung findet. Der Frachtführer habe das Vorliegen solcher Umstände darzulegen, bei denen es auch durch die Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern. Der beklagten Partei sei die besondere Gefährlichkeit des Großraumes Neapel für Diebstähle und Raubüberfälle auf Straßentransporten bekannt gewesen; die festgestellte Art der Sicherung der Durchführung des Transportes verstoße daher gegen Art. 17 Abs 2 CMR. Die beklagte Partei habe den Beweis nicht erbracht, daß auch bei Anwendung der besonderen Sorgfalt, wie sie die genannte Bestimmung vorsieht, der Raub nicht zu verhindern gewesen wäre. Selbst der Fahrer K*** habe die Auffassung vertreten, daß der Raub nicht geschehen wäre, wenn er die rechte Kabinentüre versperrt gehalten hätte. Das Versperren insbesondere der Beifahrertüre zumindest während der Stadtdurchfahrt, bei der mit einem Stehenbleiben an ampelgeregelten Kreuzungen gerechnet werden muß, sei leicht möglich und zweifellos zumutbar. Der Beklagten sei somit ein ihr nach Art. 3 CMR zuzurechnender Sorgfaltsverstoß anzulasten, der die Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs 2 CMR - auf den sich die beklagte Partei allein noch stütze - ausschließe.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Die beklagte Partei vertritt im Gegensatz zu den Ausführungen der Vorinstanzen weiterhin den Standpunkt, daß der festgestellte Raubüberfall höhere Gewalt darstelle und für sie sowie ihren Fahrer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gewesen sei. Der Rechtsansicht der Revisionswerberin kann jedoch nicht gefolgt werden. Unter höherer Gewalt versteht man nach österreichischer Lehre und Rechtsprechung ein von außen her auf den Betrieb - hier auf den Beförderungsbetrieb - einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das nicht in einer gewissen Häufigkeit und Regelmäßigkeit vorkommt und zu erwarten ist und durch äußerste zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann (vgl. Gschnitzer, Lehrbuch, Besonderer Teil und Schadenersatz, 150; Ehrenzweig, System2 II/1, 643, Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, 457; Geigel, Der Haftpflichtprozeß16, 666; SZ 24/52; SZ 26/139; SZ 50/40 ua.). Höhere Gewalt liegt daher nicht vor, wenn ein Ereignis nicht außergewöhnlich ist. Diebstähle und Raubüberfälle sind zumindest im südlichen Bereich Italiens, insbesondere im Raum von Neapel geradezu tägliche und deshalb keine außergewöhnlichen Ereignisse. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in SZ 50/40 eingehend klarlegte, kommt es bei der von der beklagten Partei als Frachtführer angestrebten Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs 2 CMR (die Anwendung der CMR auf den vorliegenden Fall ist unter Bedachtnahme auf Art. 1 und3 CMR nicht strittig) nicht darauf an, ob der Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde; die Fassung der Haftungsbefreiungsbestimmung knüpft vielmehr an den Begriff des unabwendbaren Ereignisses an, wie er insbesondere auch im § 9 Abs 2 EKHG verwendet wird. Danach ist aber auch im hier zu entscheidenden Zusammenhang davon auszugehen, daß "Umstände, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte", dann vorliegen, wenn es auch durch Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu hindern (vgl. Veit, Das EKHG3, § 9/I/4, 5). Unabwendbarkeit des Ereignisses bedeutet nicht dessen absolute Unvermeidbarkeit (Geigel aaO 705; Veit aaO, § 9 I/8). Auch in der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird - wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - die Auffassung vertreten, daß zur Haftungsbefreiung nach dem
4. Haftungsausschlußgrund des Art. 17 Abs 2 CMR das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses im vorhin dargestellten Sinn genüge (Precht-Endrigkeit, CMR-Handbuch3, 88; Muth, Leitfaden zur CMR, 75; Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR, 91; BGH 28. 2. 1975, NJW 1975, 1597). Entscheidend ist demnach, ob auch ein besonders gewissenhafter Fahrer bei Anwendung äußerster, ihm vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt den Schaden nicht vermieden hätte (SZ 50/40 ua.). Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein:
Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf österreichische, deutsche und französische Judikatur mit Recht ausgeführt, daß der beklagten Partei als internationales Frachtunternehmen (das überdies auch über einige Büros in Italien verfügt), die besondere Gefährlichkeit des italienischen Raumes "in bezug auf Diebstähle gesamter LKW-Ladungen durch Berufsverbrecherbanden" bekannt sein mußte. Beide Vorinstanzen vertraten daher zutreffend die Auffassung, daß der Fahrer der beklagten Partei verpflichtet gewesen wäre, diesem Umstand Rechnung zu tragen und die Türen des Führerhauses des LKWs während der Durchfahrt durch die Stadt, während der mit einem Stehenbleiben bei ampelgeregelten Kreuzungen zu rechnen war, versperrt zu halten.
Wie bereits ausgeführt wurde, wäre die beklagte Partei nur dann haftungsfrei, wenn ihr der Beweis gelungen wäre, daß es ihr auch unter Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war, den Schadenseintritt zu verhindern. Ein solcher Beweis ist ihr aber nicht geglückt, die Vorinstanzen erachteten vielmehr mit Recht den gänzlich ungesicherten Transport der im gesamten durchaus wertvollen Ladung durch Neapel ohne jegliche Sicherung des Führerhauses unter den dortigen Verhältnissen als gravierend sorglos. Dem Klagebegehren wurde daher mit Recht stattgegeben.
All dies haben die Vorinstanzen und insbesondere das Berufungsgericht unter Heranziehung der dargestellten Rechtsprechung und auch ausländischer Judikatur richtig erkannt. Es bedurfte keiner Befassung des Obersten Gerichtshofes mit dem bereits ausjudizierten Fragenkomplex. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508 a Abs 1 ZPO an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden; er kann die Unzulässigkeit der Revision selbst wahrnehmen. Die Revision war zurückzuweisen, weil keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zur Beurteilung stand.
Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision in der Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen; es können ihr daher nach ständiger Rechtsprechung auch keine Kosten hiefür zuerkannt werden.
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