OGH 2Ob362/53

OGH2Ob362/5329.5.1953

SZ 26/139

Normen

Reichshaftpflichtgesetz §1a
Reichshaftpflichtgesetz §3
Reichshaftpflichtgesetz §1a
Reichshaftpflichtgesetz §3

 

Spruch:

Durch Kälte veranlaßter Gasrohrbruch ist nicht höhere Gewalt. Entscheidung vom 29. Mai 1953, 2 Ob 362/53.

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Ehemann der Klägerin ist am 27. Jänner 1950 infolge einer Vergiftung durch Leuchtgas gestorben. Die Klägerin begehrte deshalb von der beklagten Partei als der Eigentümerin der Gasanlage unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 1a und 3 des Gesetzes vom 7. Juni 1871, DRGBl. S. 207, in der Fassung des Gesetzes vom 15. August 1943, DRGBl. I S. 489, die Zahlung einer Rente bis zu ihrem Ableben.

Das Prozeßgericht erkannte, ohne allerdings vorerst die Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches beschlossen zu haben, daß der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer "lebenslänglichen" Rente, jedoch nur bis zu ihrer Wiederverheiratung, dem Gründe nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Zwischenurteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozeßgerichtes verläuft die Gasrohrleitung in einer Entfernung von etwa 6 bis 7 m von dem - übrigens an das Leitungsnetz nicht angeschlossenen - Wohnhaus der Klägerin, u. zw. ungefähr 1.10 m unter der Erde. Infolge eines Rohrbruches ist Gas ausgeströmt, durch die Erde und die Hausmauer in die Wohnung gedrungen und von der Klägerin und ihrem Mann, ohne von ihnen erkannt worden zu sein, eingeatmet worden. Am 27. Jänner 1950 sind beide bewußtlos in der Wohnung aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht worden, in dem der Mann kurz darauf gestorben ist. In den vorausgegangenen Tagen ist die Temperatur stets unter dem Nullpunkt und bis auf -13[o] C gesunken gewesen. Der Verunglückte, der im öffentlichen Krankenhaus K. angestellt war, hat für den Unterhalt der Klägerin gesorgt.

Das Berufungsgericht hat dem Prozeßgericht beigepflichtet, daß der Haftungsbefreiungsgrund nach § 1a Abs. 3 RHG. nicht vorliege und daß auch nicht ein Mitverschulden des Verunglückten oder der Klägerin angenommen werden könne. Das Revisionsgericht hält an seiner in wiederholten Entscheidungen (z. B. SZ. XIV/125, XX/235, 2 Ob 129/51) vertretenen Ansicht fest, daß als höhere Gewalt nur solche Tatsachen gelten können, die nicht im Betrieb selbst wurzeln, sondern von außen auf ihn einwirken. Die Revisionswerberin glaubt den Haftbefreiungsgrund der höheren Gewalt deshalb für sich in Anspruch nehmen zu können, weil das Rohr, aus dem Gas entwichen ist, erst vor fünf Jahren sachkundig gelegt worden ist und daher mit einem Rohrbruch innerhalb so kurzer Zeit nicht gerechnet werden konnte. Daß Temperaturen bis zu -13[o] C im Unfallsort nicht außergewöhnlich sind, wird von der Revisionswerberin zugegeben. Die Gründe, auf die ein Rohrbruch zurückgeführt werden kann, sind, wenn von der obigen Definition ausgegangen wird, so lange nicht geeignet, die Annahme einer höheren Gewalt zu rechtfertigen, als sie im Betrieb selbst gelegen sind; Rohrbrüche wegen Kälte oder wegen sonstiger Einflüsse durch die Natur, wegen Materialfehler oder wegen langer Verwendung liegen nicht außerhalb des Betriebes. Daß nur solche Ereignisse, mit denen gerechnet werden muß und die (in der Regel wohl) abwendbar sind, die Annahme der höheren Gewalt ausschließen, ist rechtsirrig; es kommt daher nicht darauf an, ob der Rohrbruch an einer erst kurz vorher oder an einer schon vor langer Zeit gelegten Leitung aufgetreten ist, entscheidend ist nur, wie er entstanden ist.

Zu dieser Frage hat aber die beklagte Partei Tatsachen, die einen Haftungsbefreiungsgrund ergeben könnten, wie z. B. eine boshafte oder auch nur fahrlässige Beschädigung des Rohres durch eine betriebsfremde Person, nicht einmal behauptet. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht die Annahme eines Befreiungsgrundes abgelehnt.

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