OGH 1Ob42/89

OGH1Ob42/8915.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard P***, Landwirt, Ötting 12, 9781 Oberdrauburg, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei L*** K***, vertreten durch Dr. Ulrich Polley und Dr. Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung, hilfsweise Feststellung (Streitwert je S 45.000,-) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 3. August 1989, GZ 4 b R 71/89-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. Mai 1989, GZ 27 Cg 75/89-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Verurteilung der beklagten Partei zur Unterlassung der Ableitung von Wasser aus einem südlich der Pirkacher Landesstraße gelegenen Kanal auf die von ihm gepachteten Grundstücke 117 und 120/4 je KG Flaschberg und hilfsweise die Feststellung, daß die beklagte Partei für alle künftigen Schäden, die durch die Ableitung von Wasser aus diesem Kanal auf die genannten Grundstücke entstehen, zu haften habe. Die beklagte Partei habe als Erhalterin der über die im Eigentum seiner Mutter stehenden und von ihm gepachteten Grundstücke 117 und 120/4

(EZ 18 KG Flaschberg) führenden Landesstraße im Mai 1988 südlich hievon einen Kanal von 500 bis 700 m Länge zur Sammlung des vom daran anschließenden Hang herabfließenden Wassers angelegt und ein die Landesstraße unterquerendes Ablaufrohr derart verlegt, daß sich das Wasser auf das Grundstück 120/4 ergieße, obwohl eine andere günstige Möglichkeit, das Wasser in die Drau abzuleiten, bestehe. Dabei würden Schlamm und Straßensplitt auf dem Grundstück angeschwemmt; in der kalten Jahreszeit bilde sich eine Eisdecke, unter der die Grasnarbe absterbe; zur Zeit der Schneeschmelze seien im Winter 1988/89 vorübergehend sogar ein fließender Bach und ein 3 m tiefer Teich entstanden. 1989 wäre dem Kläger deshalb erstmals ein Nutzungsentgang erwachsen. Seine Mutter habe ihm ihre Ansprüche als Grundeigentümerin abgetreten, damit er als Pächter die Beeinträchtigung der Liegenschaft durch das abgeleitete Wasser abwehren und Schadenersatz fordern könne.

Die beklagte Partei erhob - neben sachlichen

Einwendungen - unter Hinweis auf § 42 Abs 1 des Kärtner Straßengesetzes 1978 (Krnt.StrG) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges.

Das Erstgericht wies die Klage "1. wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges; 2. in bezug auf das Hauptbegehren, die beklagte Partei ist schuldig, das Ableiten von Wasser aus einem südlich der Pirkacher Landesstraße gelegenen Kanal auf das vom Kläger gepachtete Grundstück 117 und 120/4 KG Flaschberg zu unterlassen ...." zurück. Gemäß § 42 Abs 1 Krnt.StrG 1978 seien die Eigentümer der an öffentlichen Straßen angrenzenden Grundstücke verpflichtet, den Abfluß des Wassers von der Straße und das Abräumen des Schnees von der Fahrbahn auf ihren Grund ohne Anspruch auf Entschädigung, die Herstellung von Ableitungsgräben, Sickergräben u. dgl. gegen Entschädigung, zu dulden, wenn der Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigte durch die Herstellung solcher Anlagen im Ertrag der betroffenen Liegenschaft eine empfindliche Einbuße erleide. Über Gegenstand und Umfang entscheide (u.a.) bei Landesstraßen die Bezirksverwaltungsbehörde. Aus der Verpflichtung zur Duldung von Ableitungs- und Sickergräben sei zu schließen, daß die Grundeigentümer auch die mittelbare Ableitung im Sinne der Umleitung des Wassers zu dulden hätten und deshalb auch die Ableitung des Hangwassers unter diese Bestimmung falle, sofern damit verhindert werde, daß dieses Wasser auf die Fahrbahn fließe. Die genannte Bestimmung umfasse auch die sonst nach § 364 ABGB zu beurteilenden Ausgleichsansprüche. Damit sei die Unzulässigkeit des Rechtsweges für die eingeklagten Ansprüche zu bejahen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß der Beschwerdegegenstand zwar S 15.000,-, nicht aber S 300.000,-

übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gemäß § 1 JN sei in bürgerlichen Rechtssachen der Rechtsweg stets zulässig, sofern diese nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen werden. § 42 Abs 1 Krnt.StrG 1978 sehe nur für die Entscheidung über Entschädigungen, die den Eigentümern an öffentlichen Straßen angrenzender Grundstücke aus der Herstellung von Ableitungsgräben, Sickergräben u. dgl. zustehen, die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden vor, nicht jedoch auch für die Regelung von Ansprüchen aus dem gezielten Ableiten von Straßenwässern im weiteren Sinn auf Privatgrundstücke. Im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur, die bei der Zuweisung von Rechtskomplexen mit privatrechtlicher Wurzel in den Verwaltungsbereich eine allzu extensive Interpretation ablehne, bleibe somit die Zuständigkeit zur Entscheidung über sämtliche durch das Kärtner Straßengesetz 1978 nicht ausdrücklich auf den Verwaltungsweg verwiesenen, aus nachbar- bzw schadenersatzrechtlichen Normen erfließenden Ansprüchen im Verhältnis zwischen Privatgrundstück und öffentlicher Straße bei den ordentlichen Gerichten. Zuständigkeitsüberschneidungen, die vor dem Hintergrund des im Art. 94 B-VG verankerten Prinzips der Gewaltentrennung verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen könnten, träten dabei nicht auf.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob über Ansprüche von Grundeigentümern aus der Zuleitung vom Hangwasser, daß sonst auf die Fahrbahn öffentlicher Straßen fließen könnte, gemäß § 42 Abs 1 Krnt.StrG 1978 gleichfalls die Bezirksverwaltungsbehörde abzusprechen habe, Rechtsprechung fehlt; er ist aber nicht berechtigt.

Für die Prüfung der Rechtswegzulässigkeit sind ausschließlich die Behauptungen des Klägers von Bedeutung. Entscheidend ist die Natur des geltend gemachten Anspruches, wie sie sich aus dem Klagebegehren und dem vom Kläger vorgebrachten Sachverhalt ergibt (EvBl 1987/168; SZ 51/183 u.v.a). Der Kläger begehrt die Unterlassung der Zuleitung von Wasser vom Hang südlich der Pirkacher Landesstraße mittels eines Kanals und eines den Fahrdamm unterquerenden Rohrdurchlasses auf seiner Mutter gehörige Grundstück nördlich der Landesstraße, die sie ihm verpachtet und die ihm ferner auch ihre Ansprüche aus dem Grundeigentum zur Abwehr der behaupteten Eingriffe abgetreten habe. Er beruft sich demnach zur Stützung seines Untersagungsanspruches auf eine - ohne besonderen Rechtstitel gemäß § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB unzulässige - unmittelbare Zuleitung. Dieser im Nachbarrecht (§§ 364 ff ABGB) wurzelnde Anspruch ändert sein Wesen auch nicht im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße (SZ 55/105 ua). Streitigkeiten auf Grund nachbarrechtlicher Untersagungs- und Ausgleichsansprüche sind bürgerliche Rechtssachen, die im Zweifel vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind (§ 1 JN); das gilt v. a. auch für Klagen, mit welchen - wie vorliegenden Fall - die Änderung von Wasserverhältnissen (SZ 53/38 u.a.) bzw. die Zuleitung von Niederschlagswasser (SZ 46/82 u.a.) abgewehrt werden soll. Dies gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße (SZ 54/137; SZ 52/79; SZ 43/139 u.v.a.). Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen in den solche bezweckenden Gesetzen klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (SZ 59/107 u.a.); eine nur durch ausdehnende Auslegung des Gesetzes zu rechtfertigende Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde ist im Hinblick auf § 1 JN nicht zu rechtfertigen (SZ 49/128 u.a.). Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das Rekursgericht die Rechtswegzulässigkeit zutreffend bejaht. Gemäß § 42 Abs 1 Krnt.StrG 1978 haben die Eigentümer der an eine öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke den Abfluß des Wassers von der Straße und das Abräumen des Schnees von der Fahrbahn auf ihren Grund ohne Anspruch auf Entschädigung, die Herstellung von Ableitungsgräben, Sickergräben u. dgl. gegen Entschädigung zu dulden, wenn der Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigte durch die Herstellung solcher Anlagen im Ertrag der betroffenen Liegenschaft eine empfindliche Einbuße erleidet. Über Gegenstand und Umfang entscheidet u.a. bei Landesstraßen die Bezirksverwaltungsbehörde. Nach dem unzweideutigen Inhalt dieser im übrigen aus den Gesichtspunkten des Art. 6 MRK (vgl etwa VfGH vom 24. Juni 1988, ÖJZ 1988, 700 m. Aufs. von Kühne, ÖJZ 1988, 684 = EuGRZ 1988, 457 m. Anm. von Weh), bedenklichen Zuständigkeitsvorschrift hat die Bezirksverwaltungsbehörde bloß über die Voraussetzungen ("Gegenstand") und die Höhe ("Umfang") der dem Grundeigentümer bzw. Nutzungsberechtigten gebührenden Entschädigung zu befinden, soweit er durch die Herstellung von Ableitungs- und Sickerungsgräben u. dgl. im Zusammenhang mit dem vorher genannten Abfluß des Wassers von der Straße und dem Abräumen des Schnees von der Fahrbahn im Liegenschaftsertrag eine empfindliche Einbuße erleidet. Aus dem Zusammenhang des Regelungsgegenstandes muß der Grundeigentümer (bzw. Nutzungsberechtigte) auch nur die Herstellung von Anlagen dulden, die dem Abfluß des Wassers von der Straße bzw. dem Abräumen des Schnees von der Fahrbahn dienen, weil in dieser Bestimmung von Wasser, das nicht von der Straße herrührt, überhaupt nicht die Rede ist. Der Kläger begehrt mit seinem vom erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluß allein betroffenen Unterlassungsbegehren weder eine Entschädigung für Ertragseinbußen noch überhaupt die Untersagung der Ableitung des Wassers bzw. der Abräumung von Schnee von der Straße bzw. der Fahrbahn, sondern die Untersagung der (unmittelbaren) Zuleitung von Wasser vom südlich der Straße, offenbar jenseits des Grundstückes der Mutter des Klägers, gelegenen Hang; diese Zuleitung soll offenbar verhindern, daß dieses Wasser auf die Straße bzw. deren Fahrbahn fließt. Soweit über den eingeklagten Anspruch zu entscheiden ist, wird die grundsätzliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen nicht berührt, so daß das Rekursgericht mit Recht dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßig eingeleiteten Verfahrens aufgetragen hat. Aus den gleichen Erwägungen hält auch das Hilfsbegehren einer amtswegigen Prüfung der Rechtswegzulässigkeit stand. Über die auch vom Rekursgericht im angefochtenen Beschluß erörterte Frage der Aktivlegitimation sowie über die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob dem Eventualbegehren das Feststellungsinteresse zuzubilligen sei, ist im Streit über die Zulässigkeit des Rechtsweges für das Hauptbegehren nicht abzusprechen; die Erörterung dieser Fragen bleibt dem fortzusetzenden Verfahren vorbehalten.

Dem Revisionsrekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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