Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagenden Parteien sind schuldig, dem Beklagten folgende Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen: 1./ die erstklagende Partei S 781,01 (darin S 130,17 Umsatzsteuer und keine Barauslagen); 2./ die Zweit- und Drittklägerin je S 3.514,55 (darin S 585,76 Umsatzsteuer und keine Barauslagen).
Text
Entscheidungsgründe:
Die erstklagende Partei betreibt eine Sauna mit angeschlossener Bar. Die Zweit- und Drittklägerin waren oder sind registrierte Prostituierte. Die erstklagende Partei begehrt vom Beklagten die Bezahlung von S 72.700 sA. Hierauf entfallen S 17.000 auf das Entgelt für die Benützung der Sauna einschließlich der Ruheräume, S 53.200 auf Getränke und S 2.500 auf Auslagen, insbesondere Taxispesen, die der Geschäftsführer der erstklagenden Partei für den Beklagten machte. Die Zweit- und Drittklägerin begehren die Bezahlung von je S 70.000 sA als Entgelt für die Durchführung des Geschlechtsverkehrs und verschiedener "Sexspiele". Der Beklagte wendete ein, daß er infolge seiner schweren Alkoholisierung nicht geschäftsfähig gewesen sei. Die mit der Zweit- und Drittklägerin geschlossene Vereinbarung und damit auch der mit der erstklagenden Partei über die Benützung der Sauna geschlossene Vertrag seien überdies sittenwidrig und daher nichtig. Das Erstgericht gab allen Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest: Der Beklagte begab sich am 16. Juni 1985, einem Sonntag, gegen 2.00 Uhr in die von der erstklagenden Partei betriebene Sauna. Er war zu dieser Zeit gut aufgelegt, aber nicht betrunken. In der Sauna waren nur die Geschäftsführer der erstklagenden Partei und die beiden Klägerinnen anwesend. Der Beklagte meinte, daß die Klägerinnen zu ihm kommen sollten, und fragte sie, was sie gerne trinken würden. Er begab sich dann mit den Klägerinnen in die Sauna und in die Ruheräume, wo es zu Intimitäten kam. Für die Benützung der Sauna und der Ruheräume wurden ihm insgesamt S 2.000 verrechnet. Später erklärte der Beklagte, daß er die Sauna, die am Sonntag an sich ab 2.00 Uhr geschlossen bleibt, noch bis Nachmittag benützen wolle. Der Geschäftsführer der erstklagenden Partei verlangte hiefür S 15.000. Der Beklagte war damit einverstanden. Er erzählte den Klägerinnen, er sei Millionär und habe ein Haus. Er komme hier her, weil er mit seiner Frau nicht zufrieden sei, und wolle sich hier schöne Stunden machen. Nach der Konsumation von Getränken und intimen "Sexspielen" mit den Klägerinnen sagte der Geschäftsführer der erstklagenden Partei, er wolle eine Zwischenbilanz machen. Der Beklagte übergab ihm hierauf einen Scheck über S 40.000. In der Folge ging er mit den Klägerinnen wieder in die Sauna und in die Ruheräume, wo es zu verschiedenen Sexspielen kam. Der Beklagte wußte, daß er den Klägerinnen hiefür zu bezahlen hatte. Insgesamt kam es in der Zeit von 2.00 Uhr bis 15.30 Uhr im Betrieb der erstklagenden Partei zwischen dem Beklagten und den Klägerinnen etwa dreimal zum Geschlechtsverkehr sowie zu Mundverkehr und außerdem zu verschiedenen "Sexspielen" (Perversitäten). Der Beklagte wußte immer im vorhinein, was er für die Leistungen der Klägerinnen zu zahlen hat, und war mit den geforderten Beträgen einverstanden. Er vereinbarte mit den Klägerinnen für die von ihnen erbrachten Leistungen die Bezahlung von je S 70.000. Jeweils vor der Erbringung der Leistungen wurde von den Klägerinnen ein Scheck ausgefüllt, den der Beklagte unterschrieb. Er unterschrieb neun Schecks über zusammen S 212.700. Sie konnten in der Folge nicht eingelöst werden, weil er sie sperren ließ. Er war während seines Aufenthaltes im Betrieb der erstklagenden Partei nicht betrunken. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Beklagte nicht wegen Trunkenheit geschäftsunfähig gewesen sei; da die von ihm geschlossenen Rechtsgeschäfte auch nicht sittenwidrig seien, habe er den eingeklagten Betrag zu zahlen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das Urteil des Erstgerichtes, soweit der Beklagte zur Zahlung von S 55.700 sA an die erstklagende Partei verurteilt wurde, wies aber das Mehrbegehren der erstklagenden Partei von S 17.000 sA und die von den Klägerinnen gestellten Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Auch in einer Zeit mit freizügigeren Moralvorstellungen könne die Durchführung des Geschlechtsverkehrs und von Perversitäten gegen Entgelt einer schuldrechtlichen Verpflichtung nicht fähig sein. Eine hierüber geschlossene Vereinbarung sei vielmehr sittenwidrig. Dies gelte auch für die Vermietung der Saunaräume, durch welche die Teilnahme am Profit der kommerziellen Ausbeutung der Sexualität bezweckt worden sei. Auf die Sittenwidrigkeit der Verträge über die Getränke könne nicht Bedacht genommen werden, weil sie im Verfahren erster Instanz nicht eingewendet worden sei. Es sei daher nur das Klagebegehren der erstklagenden Partei gerechtfertigt, soweit es nicht die Miete der Sauna in der Höhe von S 17.000 zum Gegenstand habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Parteien ist nicht berechtigt. Soweit dies überblickt werden kann, hat sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob der Vertrag über die Erbringung sexueller Leistungen gegen Entgelt sittenwidrig ist, nicht befaßt. In der Entscheidung SZ 54/70, in der er den Anspruch einer Prostituierten auf Verdienstentgang gemäß § 1325 ABGB bejahte, ließ er die Frage der Sittenwidrigkeit des zwischen ihr und ihren Kunden geschlossenen Vertrages ausdrücklich offen. In der Bundesrepublik Deutschland hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGHZ 67, 119 = dJZ 1977, 173 = VersR 1976, 941, die ebenfalls den Anspruch einer Prostituierten auf Verdienstentgang betraf, mit ausführlicher Begründung die Ansicht vertreten, daß die von einer Prostituierten über ihre Tätigkeit geschlossenen Verträge sittenwidrig und daher gemäß § 138 BGB nichtig seien. Eine gleichartige Auffassung vertrat vorher das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Entscheidung NJW 1970, 1852. Sie wird ferner bis in die jüngste Zeit weitaus überwiegend im Schrifttum der Bundesrepublik Deutschland vertreten, wobei sich die Meinungen meist allgemein auf entgeltliche Rechtsgeschäfte über geschlechtliches Verhalten beziehen (zB Stürner, dJZ 1977, 176; Hübner, Allgemeiner Teil des BGB Rz 499;
Medicus, Allgemeiner Teil des BGB2 Rz 701; Heinrichs in Palandt, BGB48, Anm 5 g zu § 138; Krüger-Nieland/Zöller, RGRK12, Rz 193 zu § 138; Hefermehl in Soergel-Siebert, BGB12, Rz 208 zu § 138;
Mayer-Maly, Münchner Kommentar zum BGB2, Rz 50 zu § 138). Abweichender Auffassung ist Rother (AcP 1972, 498 ff, insb 505 ff), der meint, daß nur die Verpflichtung zur geschlechtlichen Hingabe sittenwidrig sei, dies aber auf das Versprechen der Geldzahlung oder einer sonstigen Entlohnung im allgemeinen nicht zutreffe; dieses könne daher durchgesetzt werden. Ferner hat Kühne (ZRP 1975, 184) die Sittenwidrigkeit des mit einer Prostituierten geschlossenen Vertrages allgemein verneint. Der Ansicht Rothers hat sich in jüngerer Zeit Damm (Luchterhand, BGB, Rz 196 zu § 138) angeschlossen. In Österreich vertritt Krejci (in Rummel, ABGB, Rz 75 zu § 879) die Meinung, daß die Gewährung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt einer schuldrechtlichen Verpflichtung nicht fähig sei. Mit dem Persönlichkeitsschutz sei das Gebot eng verbunden, die sexuelle Integrität des einzelnen entsprechend zu respektieren. Insbesondere solle sie nicht zum Gegenstand der Kommerzialisierung werden. Unter den guten Sitten im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB ist nach dem jüngeren Schrifttum (Koziol-Welser I8 139; Krejci aaO Rz 55 zu § 879) und der jüngeren Rechtsprechung (EvBl 1980/117; vgl. auch JBl 1986, 539 ua) der Inbegriff jener Rechtsnormen zu verstehen, die im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen sind, sich aber aus der richtigen Beurteilung der rechtlichen Interessen ergeben, die nicht gröblich verletzt werden dürfen. Maßgebend sind (jedenfalls) die aus der Rechtsordnung ablesbaren Wertungsgesichtspunkte (EFSlg 43.725). Im Zusammenhang mit der Prostitution werden häufig der Leichtsinn, die Unerfahrenheit, die Triebhaftigkeit und die Trunkenheit von Personen ausgenützt. Dies wird in der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit Recht hervorgehoben. Daß ein solches Verhalten dem Geist der Rechtsordnung widerspricht, zeigen mehrere gesetzliche Bestimmungen (vgl. etwa § 566, § 865 und § 879 Abs 2 Z 4 ABGB). Wenn auch im einzelnen Fall der Tatbestand dieser Bestimmungen nicht erfüllt sein mag, macht schon die Gefahr solcher Ausnützung solche Verträge bedenklich. Dem entspricht, daß die Wette, das Spiel und das Los auch dann, wenn sie erlaubt sind, gemäß § 1271 ABGB nur eine Naturobligation begründen. Auch hiebei ist die Gefahr der Ausnützung schutzwürdiger Personen besonders groß. Indizien für Sittenwidrigkeit sind ferner eine zu mißbilligende Kommerzialisierung (Krejci aaO Rz 75 zu § 879 ABGB; Mayer-Maly in Bydlinski ua, Das Bewegliche System im geltenden und künfigten Recht, 122), eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes und eine Gefahr für familienrechtliche Institutionen (vgl. Krejci ebendort 133). All dies trifft auf die Prostitution zu. Sie richtet sich insbesonders gegen die Institution der Ehe, weil sie oft zu Ehebruch führt (vgl. EFSlg 41.175) der durch die Rechtsordnung auch außerhalb des Scheidungsrechtes (§ 47 EheG) verpönt wird (§ 543 ABGB, § 194 StGB). Die angeführten Gesichtspunkte führen jedenfalls in ihrer Gesamtheit dazu, daß ein Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt gegen die guten Sitten verstößt. Die Nichtigkeit eines solchen Vertrages muß entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nicht zur Folge haben, daß auch ein schon bezahltes Entgelt zurückverlangt werden kann. Bei Nichtigkeit des Vertrages ist nach beiderseitigem Leistungsaustausch nur dann rückabzuwickeln, wenn der Normzweck auch dies erfordert, dh die Vermögensverschiebung - und nicht nur der Zwang zur Erfüllung - mißbilligt wird (Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 27 zu § 879 und Krejci aaO Rz 258 zu § 879 jeweils mwN). Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes über die entgeltliche geschlechtliche Hingabe wird daher nicht davon berührt, daß eine bereits eingetretene Vermögensverschiebung hier idR nicht wieder rückgängig gemacht werden kann (vgl. SZ 54/70). Die klagenden Parteien berufen sich in der Revision zu Unrecht darauf, daß die Prostitution in Österreich nicht strafbar ist, daß eine Prostituierte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Anspruch auf Ersatz des Verdiestentganges hat und daß ihre Einkünfte der Besteuerung unterliegen. Die Tatsache, daß die Prostitution nicht verboten ist, bedeutet nur, daß damit im Zusammenhang stehende Rechtsgeschäfte nicht schon deshalb nichtig sind, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Sie bedeutet aber nicht, daß die Rechtsordnung Rechtsgeschäfte hierüber billigt und für durchsetzbar hält. Der Anspruch der Prostituierten auf Ersatz des Verdienstentgangs wurde in der Entscheidung SZ 54/70 unabhängig von der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts zwischen der Prostituierten und ihren Kunden wegen der Besonderheiten der schadenersatzrechtlichen Regelungen bejaht. Es ist hieraus daher für den Standpunkt der klagenden Parteien nichts zu gewinnen. Dasselbe gilt schließlich für die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Slg. 5758/F), wonach die Einkünfte einer Prostituierten als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach (dem damals geltenden) § 23 Z 1 EStG 1972 der Einkommensteuer unterliegen. Auch diese Besonderheit des Steuerrechts hat nichts mit der Frage zu tun, inwieweit Rechtsgeschäfte über die Prostitution sittenwidrig sind, zumal daraus nicht abgeleitet werden kann, daß die Rechtsordnung den Rechtsgeschäften die zu Einkünften einer Prostituierten führen, die Durchsetzbarkeit gewähren will. Wenn der Staat die Prostitution zwar nicht verhindern kann, sie aber mißbilligt, wäre es unvertretbar, die daraus erzielten Einkünfte durch Gewährung der Steuerfreiheit zu privilegieren(ebenso auch der Bundesgerichtshof in der angeführten Entscheidung). Der erkennende Senat kommt daher in Übereinstimmung mit der bisher überwiegend vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis, daß ein Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt gemäß § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die anerkannten Normen der Moral mit zu berücksichtigen sind (so EvBl 1980/117; aM zB Krejci aaO Rz 75 und Koziol-Welser aaO) und ob diese die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt als unsittlich erscheinen lassen, weil sich die Sittenwidrigkeit schon aus anderen, im Vorstehenden dargelegten Erwägungen ergibt. Diese Erwägungen schließen es auch aus, im Sinn der Ausführungen von Rother (aaO 505 ff) den mit einer Prostituierten geschlossenen Vertrag in seine beiden Versprechensbestandteile zu zerlegen und nur das Versprechen über die geschlechtliche Hingabe, nicht aber auch das Versprechen auf Bezahlung des Entgelts als sittenwidrig anzusehen. Die Ansicht Kühnes (aaO), der sich nur auf die gegewärtigen Moralvorstellungen und die Verbreitung der Prostitution beruft, trägt den Kriterien der Sittenwidrigkeit nach österreichischem Recht nicht Rechnung, weshalb ihr ebenfalls nicht gefolgt werden kann. Die zwischen den beiden Klägerinnen und dem Beklagten geschlossenen Rechtsgeschäfte sind daher nichtig. Ohne Bedeutung ist hier, ob eine absolute oder bloß eine relative, also nur über Einwendung des schutzwürdigen Teiles wahrzunehmende Nichtigkeit vorliegt (vgl. hiezu Koziol-Welser aaO 140 mwN in FN 34), weil der Beklagte zu den schutzwürdigen Personen gehört und die Nichtigkeit im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht eingewendet hat. Dem Berufungsgericht ist schließlich im Sinn der Ausführungen von Krejci (aaO Rz 78 zu § 879) auch darin beizupflichten, daß neben dem Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt auch alle Verträge sittenwidrig sind, die eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezwecken. Auch hiefür treffen die dargelegten, die Sittenwidrigkeit des Vertrages über die geschlechtliche Hingabe begründenden Erwägungen zu. Es ist daher der Vertrag über die Benützung der Sauna ebenfalls sittenwidrig, weil er dazu diente, die vom Beklagten angestrebte geschlechtliche Hingabe der beiden Klägerinnen zu ermöglichen und daraus Gewinn zu erzielen. Der Beklagte hat demnach das hiefür vereinbarte Entgelt ebenfalls nicht zu bezahlen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41, § 46 Abs 1 und § 50 ZPO.
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