OGH 3Ob204/88 (3Ob205/88)

OGH3Ob204/88 (3Ob205/88)22.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ö*** C***-I*** Aktiengesellschaft, Wien 1, Herrengasse 12, vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander sen und jun, Rechtsanwälte in Graz, wider die verpflichtete Partei Attila-Antol-Angelo-Maria-Ferenz (Attila) T***-S***, Kaufmann, Graz, Billrothgasse 6, vertreten durch Dr. Heinrich Hofrichter ua, Rechtsanwälte in Bruck/Mur, wegen 1,868.434,81 S sA und 375.664,20 S sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 4.November 1988, GZ 4 R 486-490/88-81, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 8.September 1988, GZ 10 E 1/87-77, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz (Beschluß ON 81 Punkt II) wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes (Beschluß vom 8.September 1988 ON 77) wiederhergestellt wird. Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses (Rekurs ON 79) selbst zu tragen und der betreibenden Partei die mit 20.191,28 S als weitere Exekutionskosten bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 1.835,57 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit zwei Notariatsakten bestätigte die verpflichtete Partei, von der betreibenden Partei Darlehen zugezählt erhalten und dazu jeweils folgende Vereinbarungen getroffen zu haben: Gemäß Punkt 1 sei das Darlehen in einer bestimmten Höhe zu verzinsen. Zur Verzinsung und Tilgung des Darlehens seien bestimmte Annuitäten an bestimmten Zeitpunkten zu bezahlen. Im Falle der nicht rechtzeitigen Bezahlung fälliger Beträge seien Verzugs- und Zinseszinsen in einer bestimmten Höhe zu entrichten.

Gemäß Punkt 8 erteilte die verpflichtete Partei die Einwilligung, daß der Notariatsakt in Ansehung aller übernommenen Verbindlichkeiten und der darin anerkannten Schuld samt Nebengebühren gemäß den §§ 3 und 3 a NO gleich einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich sofort vollstreckbar sein solle und die betreibende Partei nicht gehalten sei, die Umstände, welche die Fälligkeit der Kapitalforderungen samt Nebengebühren zur Folge hätten, oder die Höhe der Forderungen samt Nebengebühren überhaupt und insbesondere durch eine öffentliche Urkunde nachzuweisen, und sie erklärte sich damit einverstanden, daß die Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes auf der zum Pfand bestellten Liegenschaft angemerkt werde.

Gemäß Punkt 10 lit c ist die betreibende Partei berechtigt, das Darlehen zur sofortigen Rückzahlung fällig zu erklären und es gerichtlich einzufordern, wenn der Schuldner mit der Erfüllung einer der übernommenen Verpflichtungen sechs Wochen im Verzug ist und die betreibende Partei die verpflichtete Partei bei Androhung der Fälligstellung unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt hat.

Unter Vorlage einer Ausfertigung der Notariatsakte, des Ausdruckes eines Mahnschreibens (Einmahnung der offenen Annuität unter Setzung einer vierzehntägigen Nachfrist und der Androhung, es werde von den schuldscheinmäßigen Rechten Gebrauch gemacht) und der Durchschrift eines Schreibens, mit dem der gesamte ausstehende Darlehensrest samt Nebengebühren fälliggestellt wurde, beantragte die betreibende Partei die Bewilligung der Zwangsversteigerung der zur Sicherung dieser Darlehen verpfändeten Liegenschaft. Das Erstgericht bewilligte die Anträge, ohne in einer Begründung zu den möglichen Problemen Stellung zu nehmen, ob die beiden Notariatsakte als Exekutionstitel geeignet oder im Sinne des § 7 Abs 2 EO die für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden bewiesen worden seien. Die beiden Exekutionsbewilligungsbeschlüsse erwuchsen in Rechtskraft.

Die verpflichtete Partei beantragte die Einstellung der beiden Versteigerungsverfahren, weil die Exekutionsbewilligungen nicht durch einen Exekutionstitel gedeckt und nichtig seien. Im Notariatsakt werde keine ausdrückliche Verpflichtung übernommen, sondern nur die Rechtslage festgehalten. Die von der verpflichteten Partei zu erbringenden Leistungen seien undeutlich beschrieben. Es fehle an der vor dem Notar abgegebenen Unterwerfungserklärung. Auf die Nachweise im Sinne des § 7 Abs 2 EO zu verzichten, sei unzulässig.

Die betreibende Partei sprach sich gegen die Einstellung aus. Das Erstgericht wies den Einstellungsantrag mit der Begründung ab, die strittigen Exekutionstitel seien bisher nicht für unwirksam erklärt worden, sodaß der Einstellungsgrund nach § 39 Abs 1 Z 1 EO nicht vorliege.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die beiden Versteigerungsverfahren eingestellt wurden. Der im Punkt 8 der beiden Notariatsakte enthaltene Verzicht sei wegen der zwingenden Bestimmung der §§ 3 Abs 2 NO und 7 Abs 2 EO unwirksam. Die betreibende Partei mache nicht nur die durch den Notariatsakt selbst objektiv ermittelbaren, schon fälligen Annuitäten, sondern das gesamte offene Restdarlehen geltend. Die Rechtskraft der beiden Exekutionsbewilligungsbeschlüsse stehe der Einstellung der Exekution nicht entgegen, weil bei Bewilligung der beiden Zwangsversteigerungen nicht auf das jetzt geltend gemachte Exekutionshindernis eingegangen worden sei. Wegen der zu Unrecht angenommenen Vollstreckbarkeit der Notariatsakte liege ein den Fällen des § 39 Abs 1 Z 1 EO vergleichbarer Tatbestand vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist berechtigt. Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz erkannt, daß die Bestimmungen der §§ 3 Abs 2 NO und 7 Abs 2 EO unabdingbares Recht beinhalten und daher der in den Notariatsakten enthaltene Verzicht auf den Nachweis der für die Höhe und Fälligkeit der betriebenen Forderung maßgebenden Umstände unwirksam ist (SZ 3/81; SZ 9/124; SZ 22/192; NZ 1974, 156).

Durch die Unterlassung eines Rekurses gegen die Exekutionsbewilligungsbeschlüsse wurde aber ein solcher Mangel infolge der eingetretenen Rechtskraft geheilt, und entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz ist nicht zusätzlich zur Rekurserhebung auch noch ein Einstellungsantrag möglich:

Es ist richtig, daß das Exekutionsverfahren in gewissen Fällen auch nach Rechtskraft der Exekutionsbewilligung eingestellt werden kann. Soweit es sich dabei nicht um erst nachträglich eingetretene oder überprüfbare Umstände handelt, geht es immer um Fälle, in denen nicht nur die Bewilligung der Exekution selbst unzulässig ist, sondern wo auch der weiteren Fortführung der Exekution, also ihrem Vollzug, ein Hindernis entgegensteht. Dies gilt etwa für die sog. perplexe Exekution (JBl 1989, 119), für die Wahrnehmung der Exekutionssperre während eines Insolvenzverfahrens, für sonstige Exekutionsbeschränkungen u dgl (vgl dazu auch die vom Gericht zweiter Instanz angeführten, aber hier nicht gegenteiligen Entscheidungen SZ 43/8 und SZ 49/22). Nur dann kann das vom Gericht zweiter Instanz behandelte Problem auftauchen, daß eine Frage möglicherweise schon anläßlich der Exekutionsbewilligung geprüft wurde, aber auf Grund der Fassung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses (Fehlen einer Begründung) nicht beurteilt werden kann, ob eine solche Prüfung wirklich stattfand. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Anläßlich der Exekutionsbewilligung war zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 7 Abs 2 EO (§ 3 Abs 2 NO) vorliegen, aber auch - um auf die weiteren Gründe des Einstellungsantrages des Verpflichteten einzugehen -, ob die beiden Notariatsakte die Verpflichtungserklärung iSd § 3 Abs 1 lit a NO und die Unterwerfungserklärung iSd § 3 Abs 1 lit d NO enthalten und ob sie nach ihrem Wortlaut trotz vielleicht vorhandener Undeutlichkeiten die betriebenen Forderungen decken. Nach rechtskräftiger Bejahung aller dieser Voraussetzungen steht aber der Fortführung der Exekution kein Hindernis entgegen. Der vom Gericht zweiter Instanz besonders hervorgehobene Umstand, bei der Bewilligung der Exekution auf Grund eines Notariatsaktes komme dem Exekutionsgericht sozusagen auch die sonst nur der titelschaffenden Behörde obliegende Funktion der Prüfung der Vollstreckbarkeit zu, schlägt nicht durch. Die dazu angeführte Belegstelle (Heller-Berger-Stix 517) bezieht sich auf den Fall, daß das Titelgericht in der irrigen Annahme, der Titel sei vollstreckbar, die Exekution bewilligt hat, ohne daß die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit nach § 7 Abs 3 EO und nach erfolgter Aufhebung die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 9 EO in Betracht kommen. In der Regel wird es hier um die falsche Beurteilung der formellen Rechtskraft durch das Titelgericht gehen. Diesen Fall auch auf die unrichtige Annahme sonstiger Exekutionsvoraussetzungen auszudehnen, besteht kein Anlaß. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 74 und 78 EO und 40, 41 und 50 ZPO.

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