OGH 8Ob595/87

OGH8Ob595/875.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Entschädigungssache der Antragsteller Heinrich und Leopoldine R***, Wirtschaftsbesitzer, 2144 Altlichtenwarth 243, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider den Antragsgegner NÖ L***, Herrengasse 11-13, 1014 Wien, vertreten durch Dr. Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 18 NÖ Naturschutzgesetz, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller und des Antragsgegners gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 3. März 1987, GZ 5 R 25/87-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Poysdorf vom 11. Dezember 1986, GZ Nc 21/85-36, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Antragsteller wird zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht setzte die Enteignungsentschädigung für die mit Bescheid der NÖ. L*** vom 15. Mai 1981, GZ II/3-552-R-1/1, zum Naturdenkmal erklärte Fläche des Grundstücks 4660, KG Altlichtenwarth der Antragsteller mit insgesamt S 63.000,-- fest. Es ging davon aus, daß das Ausmaß der zum Naturdenkmal erklärten Grundfläche einschließlich der unmittelbar angrenzenden, nicht bewirtschafteten Fläche 5423 m2 beträgt. Dabei nahm es auf den Verkehrswert der enteigneten Fläche von S 12,-- je m2 Bedacht, berücksichtigte einen Restwert von S 2,-- je m2 und gelangte zu einer Summe von S 54.000,--. Für die weiters festgestellte geringfügige Ertragsminderung der umliegenden Flächen erachtete es eine Entschädigung von S 9.000,-- für angemessen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller teilweise Folge und erhöhte die Enteignungsentschädigung auf S 74.240,--. Die Enteignungsmaßnahme komme einer Entziehung des Eigentums nahezu gleich, sodaß den Antragstellern als Entschädigung gemäß § 18 Abs. 2 nö. NaturschutzG der volle Verkehrswert der Teilfläche zustehe. Der in geringem Ausmaß noch zu erzielende Holzertrag werde in erster Linie zur Bezahlung der auf den Grundstücksteil entfallenden Grundsteuer zu verwenden sein. Unter Berücksichtigung der enteigneten Grundfläche ergebe dies eine Entschädigungssumme von rund S 65.100,--. Berücksichtige man die festgestellte Ertragsminderung der umliegenden Ackerflächen von 2,5 % im vom Sachverständigen ermittelten Ausmaß, gelange man zum letztlich ermittelten Entschädigungsbetrag von S 74.240,--.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß eine Entschädigung von S 404.555,-- festgesetzt werden möge. Der Antragsgegner beantragt in seinem Revisionsrekurs, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

1.) Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller:

Die Beschwerdeführer behaupten eine offenbare Gesetzwidrigkeit, weil ihnen der Verkehrswert der Liegenschaft und nicht die volle Ertragsminderung zuerkannt worden sei. Außerdem sei der Ertragwert zu niedrig angesetzt worden und müsse überdies aufgewertet werden. Schließlich sei aktenwidrig, daß der Sachverständige und das Erstgericht auf die Ertragsminderung der Restgrundstücke unter dem Gesichtspunkt des Schädlings- und Unkrautfluges Bedacht genommen hätten.

Dazu war zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Aus § 18 Abs. 8 nö. NaturschutzG ergibt sich, daß für das vorliegende Verfahren das EisbEG 1954 BGBl. 71 sinngemäß Anwendung findet. Nach § 24 EisbEG sind im gerichtlichen Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, soweit das Gesetz nicht besondere Vorschriften enthält, die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden. Für das vorliegende Rechtsmittelverfahren gelten daher die §§ 9 bis 16 AußStrG. Nach ständiger Rechtsprechung hat nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch für den Bereich der §§ 14 und 16 AußStrG bei teilweise bestätigenden und teilweise abändernden (aufhebenden) Entscheidungen des Rekursgerichtes der Grundsatz zu gelten, daß gegen den bestätigenden Teil nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG erhoben werden kann. Die Grenzlinie ist dort zu ziehen, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (SZ 57/119; 1 Ob 723/85; 7 Ob 618/85; 2 Ob 618/85). Dies trifft für den Ausspruch über die Entschädigung für das in Rede stehende Grundstück zu. Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist daher - wie sie im übrigen selbst erkennen - nur mit der Beschränkung des § 16 AußStrG, somit wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität zulässig.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 39.806, 37.388; MietSlg. 32.474, JBl. 1980, 380; SZ 44/180, 1 Ob 747/83 uva). Die Beurteilung, welcher Betrag als angemessene Entschädigung für ein enteignetes Grundstück anzusehen ist, stellt weitgehend eine aufgrund von Sachverständigengutachten zu lösende Ermessensfrage dar (MietSlg. 32.749; JBl. 1972, 327; SZ 40/11 ua). Von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit könnte nur dann gesprochen werden, wenn bei der Festsetzung der Entschädigung gegen gesetzliche Richtlinien für deren Ermittlung verstoßen worden wäre (MietSlg. 32.749; 1 Ob 747/83; 8 Ob 616/84 ua). Einen solchen Verstoß gegen ausdrückliche gesetzliche Grundsätze für die Ermittlung der Entschädigung vermochten die Antragsteller nicht aufzuzeigen:

Das nö. NaturschutzG sieht gemäß § 18 Abs. 6 selbst bei einer Einlösung eines Grundstückes in das Eigentum des Landes gemäß § 18 Abs. 3 der genannten Bestimmung nur die Entschädigung nach dem Verkehrswert des Grundstückes vor; für die mildere Form der Inanspruchnahme eines Grundstückes nach § 18 Abs. 2 nö. NaturschutzG ist dagegen bloß "eine Vergütung vermögensrechtlicher Nachteile" zu leisten. Wenn die Vorinstanzen nach der Besonderheit des vorliegenden Falles daher den Antragstellern zugutehielten, daß die Enteignungsmaßnahme nahezu einer Entziehung des Eigentums gemäß § 18 Abs. 3 nö. NaturschutzG gleichkomme und demnach bei der Entschädigung von dem Verkehrswert des Grundstückes ausgingen, kann darin eine offenbare Gesetzwidrigkeit zum Nachteil der Beschwerdeführer nicht erblickt werden. Ihre gegenteiligen Ausführungen sind nicht stichhältig.

Es ist auch nicht offenbar gesetzwidrig, wenn die Vorinstanzen keine Aufwertung des Entschädigungsbetrages vornahmen; eine solche kommt grundsätzlich mangels entsprechender gesetzlicher Handhabe nicht in Betracht; eine Ausnahmesituation, in der das Geld seine Funktion als beständiger Wertmesser bereits verloren hätte, liegt nicht vor (SZ 34/119; JBl. 1974, 202; EvBl. 1976/256; JBl. 1978, 541; SZ 51/175; 1 Ob 507/82; 5 Ob 512/83 ua). Da schließlich auch die von den Beschwerdeführern behauptete Aktenwidrigkeit nicht vorliegt, weil der Sachverständige sehr wohl auf Schatteneinwirkung, Unkrautflug und Vernässung im Grenzbereich der Teilflächen Bezug nahm (AS 81), war der außerordentliche Revisionsrekurs der Beschwerdeführer als unzulässig zurückzuweisen.

2.) Zum Revisionsrekurs des Antragsgegners:

Der Antragsgegner vertritt im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes die Ansicht, daß eine Restnutzung der enteigneten Liegenschaft insoweit möglich ist, wie sie das Erstgericht mit S 2,-- pro m2 berücksichtigte.

Diesen Ausführungen ist die für die vorliegende Entscheidung bindende Darstellung des Rekursgerichtes entgegenzuhalten, daß eine nennenswerte Nutzung des in Frage stehenden Grundstückes nicht möglich ist. Es bedarf im übrigen keiner weiteren Erörterung, wenn es das Rekursgericht als nicht zielführend ansah, daß einem als Naturdenkmal geschützten Feuchtbiotop bei Festsetzung des Entschädigungsbetrages unterstellt werden könnte, doch allenfalls als Ablegeplatz für Gerümpel oder Autowracks zu dienen. Die Ausführungen des Antragsgegners gehen somit an den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Rekursgerichtes vorbei, weshalb seinem Rechtsmittel der Erfolg zu versagen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte