OGH 2Ob214/61 (2Ob215/61)

OGH2Ob214/61 (2Ob215/61)8.9.1961

SZ 34/119

Normen

Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §§4 ff
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §§22 ff
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §§4 ff
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §§22 ff

 

Spruch:

Zur Feststellung der Entschädigung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz.

Entscheidung vom 8. September 1961, 2 Ob 214, 215/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Vöcklabruck; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Im Zuge des Ausbaues der Autobahn wurden mit Bescheid des Amtes einer Landesregierung vom 10. Juni 1959 Teile des Grundbesitzes der Antragsteller im Ausmaß von 5462 m2 - unbeschadet der genaueren Vermessung in der Natur - enteignet. Die Antragsteller wurden auch verpflichtet, der Antragsgegnerin - Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung - 3098 m2 Grundfläche zur vorübergehenden Benützung zu überlassen. Gleichzeitig wurde die Entschädigung festgesetzt. Ein Betrag von 119.808 S 80 g wurde bei Gericht erlegt. Davon entfallen 36.000 S auf die Teilabtragung des Wirtschaftsgebäudes, 25.000 S auf die Abtragung des Wagenschuppens und der Rest auf die enteignete Grundfläche sowie auf die vorübergehende Inanspruchnahme von Grundstücken. Die Antragsteller gaben sich damit nicht zufrieden und begehrten die Festsetzung der Entschädigung durch das Gericht. Sie bezifferten diese mit 234.846 S für die enteigneten Grundstücke, mit 76.420 S für die Teilabtragung des Wirtschaftsgebäudes und mit 25.000 S, später ausgedehnt auf

42.420 S, für die Abtragung des Wagenschuppens. Für die vorübergehende Inanspruchnahme der Grundfläche von 3098 m2 begehrten sie eine Benützungsgebühr von 4646 S jährlich und für die Inanspruchnahme von 9000 m2 durch das Unternehmen "Reichsautobahn" während der vorangegangenen drei Jahre eine einmalige Entschädigung von 16.200 S.

Das Erstgericht setzte die Entschädigung wie folgt fest: Für Baufläche und Lagerplatz im Ausmaß von 1493 m2 37.325 S (I a), für forstwirtschaftlich genutzte Fläche im Ausmaß von 300 m2 3875 S (I c), für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (ohne Anführung eines bestimmten Ausmaßes) 11 S 22 g pro m2 (I d), für auf Schlagschatten zurückzuführende Wertverminderung von landwirtschaftlichen Grundstücken 4275 S (II), für die Abtragung des Wagenschuppens 25.000 S (I b), für Instandsetzung eines Teiles der Kellermauer 800 S (IV) und für die vorübergehende Inanspruchnahme von Grundstücken (ohne Anführung eines bestimmten Ausmaßes) 60 g pro m2 (III).

Der Rekurs der Antragsteller hatte insofern Erfolg, als das Rekursgericht diese Entscheidung teilweise (I b und III sowie die Kostenentscheidung) aufhob und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung in mehrfacher Hinsicht sowie die Ergänzung der Entscheidung in zwei nicht erledigten Antragspunkten auftrug.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Dagegen gab er dem Revisionsrekurs der Antragsteller Folge, hob den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses und den entsprechenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorauszuschicken ist, daß die Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung nur im Rahmen des Antrages der Antragsteller erfolgen kann. Das Erstgericht hat sich bei seiner Entscheidung insofern nicht an diesen Antrag gehalten, als es hinsichtlich der enteigneten Grundstücke nicht, wie dies von den Antragstellern begehrt worden war, eine Gesamtentschädigung festsetzte, sondern, offenbar in Anlehnung an das Sachverständigengutachten, gesonderte Beträge für die einzelnen Kulturgattungen und für die auf Schlagschatten zurückzuführende Wertverminderung bestimmte. Zum Teil begnügte es sich mit der Festsetzung eines Quadratmeterpreises ohne Anführung der Gesamtfläche. In diesem Belange fehlt es daher überhaupt an der Festsetzung einer eindeutig bestimmten Entschädigung. Die Parteien haben dies zwar in ihren Rechtsmitteln nicht beanstandet. Allein dies vermag nichts daran zu ändern, daß entsprechend dem Antrag eine ziffernmäßig bestimmte Gesamtsumme für die enteigneten Grundstücke festzusetzen gewesen wäre. Auf die verschiedenen Umstände, die bei der Ermittlung der Entschädigung zu berücksichtigen sind, hätte lediglich in den Gründen der Entscheidung Bedacht genommen werden können.

Was nun zunächst die Zulässigkeit des Rechtsmittels in den Punkten, in denen der Beschluß der ersten Instanz vom Rekursgericht bestätigt wurde, anlangt, so ergibt sich bei Zugrundelegung dieser Auffassung, daß der Revisionsrekurs der Antragsteller auch in diesem Belange ohne die im § 16 AußStrG. vorgesehene Einschränkung zulässig ist. Die Punkte, in denen der Beschluß der ersten Instanz bestätigt wurde, sind von den übrigen nicht zu trennen, weil zu prüfen ist, welche Gesamtentschädigung bei Bedachtnahme auf alle in Betracht kommenden Umstände angemessen ist. Im übrigen hat schon das Rekursgericht, wenn es auch die in den Punkten I a, c und d des Beschlusses der ersten Instanz festgesetzten Grundpreise für angemessen erachtete, weitere Feststellungen über die Richtigkeit des Vorbringens der Antragsteller, die Betriebskosten des Sägewerks seien durch die Enteignung erhöht und dessen Ausbau unmöglich gemacht worden, für erforderlich gehalten. Es handelt sich hiebei tatsächlich um Umstände, die bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt werden müssen und daher zu klären sind.

Damit erledigt sich auch der Einwand der Antragsgegnerin, der angefochtene Beschluß sei insoweit, als dem Erstgericht aufgetragen wurde, das Vorbringen der Antragsteller hinsichtlich der vorangeführten Erschwernisse zu prüfen, deshalb nichtig, weil in diesem Belange der Beschluß der ersten Instanz nicht angefochten worden sei. Die Antragsteller hatten mit ihrem Rekurs den Beschluß der ersten Instanz insoweit bekämpft, als niedrigere als die von ihnen begehrten Beträge festgesetzt wurden. Damit wurde die Prüfung auch dieser schon in erster Instanz geltend gemachten Umstände erforderlich.

Dem Umstand, daß die dem Sägewerk gewidmeten Baulichkeiten offenbar schon vor der gegenständlichen Enteignung um etwa 100 m verlegt wurden, muß nicht die Bedeutung zukommen, die ihm die Antragsgegnerin beilegen will. Maßgebend ist, ob die Erschwernisse damit im Zusammenhang stehen, daß die seinerzeit auf dem nunmehr enteigneten Gründe vorhanden gewesenen Gebäude zufolge des Autobahnbaues verlegt werden mußten.

Zu der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Frage, auf welchen Zeitpunkt es bei der Bewertung der Entschädigung ankommt, hatte der Oberste Gerichtshof in letzter Zeit schon mehrfach Stellung zu nehmen. So hat er in der Entscheidung ZVR. 1958 Nr. 249 und in den nicht veröffentlichten Entscheidungen 1 Ob 474/60 und 2 Ob 178/61 die Auffassung vertreten, daß nur der Zeitpunkt maßgebend sein kann, der der vorausgegangenen Festsetzung der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörde bei der Enteignung zugrunde lag. Hätte es doch sonst der von der Enteignung Betroffene in der Hand, auch dann, wenn die von der Verwaltungsbehörde festgesetzte Entschädigung abgemessen war, nachträglich die Festsetzung einer höheren Entschädigung durch das Gericht zu verlangen, falls innerhalb der ihm für die Antragstellung zur Verfügung stehenden Jahresfrist oder während des gerichtlichen Verfahrens die Grundpreise steigen. In diesen Entscheidungen ist auch bereits zur Frage Stellung genommen worden, ob ein Fall des Judikates 15 neu = SZ. VI 226, das ähnlich wie die Entscheidung SZ. V 68 der inflatorischen Geldentwertung Rechnung trug, vorliege. Diese Frage ist verneint worden. Der Oberste Gerichtshof sieht, sich auch im vorliegenden Falle nicht veranlaßt, von dieser Auffassung abzugehen.

Was die Entschädigung für die Abtragung des Wagenschuppens (I b des Beschlusses der ersten Instanz) anlangt, so ist das Rekursgericht mit Recht davon ausgegangen, daß dieser Anspruch nicht durch einen Vergleich vor der Verwaltungsbehörde erledigt ist. In der Niederschrift über die Verhandlung wurde ausdrücklich festgehalten, daß die Antragsteller die Unterschrift verweigerten, weil sie es sich noch überlegen wollten. Auch in der Begründung des Enteignungsbescheides, in dem nur auf das Sachverständigengutachten, nicht aber auf eine Einigung Bezug genommen wurde, ist festgehalten, daß bezüglich der zu leistenden Entschädigung kein Übereinkommen erzielt werden konnte. Ein solches Übereinkommen kann auch nicht darin erblickt werden, daß die Antragsteller ursprünglich einen Betrag begehrt hatten, zu dessen Zahlung sich die Antragsgegnerin schon vorher bereit erklärt hatte. Die Antragsteller waren dadurch nicht gehindert, ihr Begehren nachträglich auszudehnen. Die Entscheidung über diesen Teil des Antrages kann daher nicht, wie dies das Erstgericht getan hat, auf eine Einigung der Beteiligten gegrundet werden. Das Gutachten des Sachverständigen lautet aber auf einen höheren als den angeblich verglichenen Betrag. Mit der Frage, ob ein höherer Betrag angemessen sei, hat sich das Erstgericht nicht befaßt. Eine Ergänzung des Verfahrens in dieser Richtung ist daher erforderlich.

Die Aufhebung des Punktes III des Beschlusses des Erstgerichtes hat das Rekursgericht einerseits damit begrundet, daß nicht festgestellt wurde, ob die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltene Auswechslung der Humusschicht durchgeführt wurde, andererseits damit, daß bei der Festsetzung der Entschädigung auf die nach der bisherigen Entwicklung zu erwartende Erhöhung der Futter- und Düngemittelpreise Bedacht zu nehmen sein werde. Anhaltspunkte dafür, daß sich eine solche Entwicklung schon jetzt mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen läßt, sind aber den Akten nicht zu entnehmen, so daß nicht schon jetzt auf die Möglichkeit solcher Preiserhöhungen Bedacht genommen werden kann. Sollte sich nachträglich herausstellen, daß die festgesetzte Entschädigung den Schaden nicht deckt, so könnte im Sinne der Bestimmungen der §§ 8 und 9 des sinngemäß anzuwendenden Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 vorgegangen werden. Da aber die Höhe der Entschädigung in diesem Belang auch dadurch beeinflußt werden kann, daß durch eine Auswechslung der Humusschichte nachhaltigen Schäden vorgebeugt wurde, und das Rekursgericht Feststellungen in dieser Richtung vermißt, muß es bei der Aufhebung dieses Teiles der Entscheidung der ersten Instanz verbleiben.

Daß das Erstgericht keinen Betrag für die im Enteignungsbescheid aufscheinende Teilabtragung des Wirtschaftsgebäudes festgesetzt hat, wird von der Antragsgegnerin gar nicht bestritten. Diese ist der Meinung, daß im Hinblick auf das Fehlen einer Entscheidung des Erstgerichtes im Rekursverfahren darauf gar nicht hätte eingegangen werden dürfen. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Den Antragstellern stand es frei, die Nichterledigung ihres Antrages auch im Rechtsmittelweg anzufechten.

Der Meinung des Rekursgerichtes, bei Festsetzung der Entschädigung für die abgetragenen Baulichkeiten seien die Grundsätze anzuwenden, die im Zusammenhang mit der Ermittlung der durch die Beschädigung eines Kraftfahrzeuges verursachten Schäden entwickelt wurden, kann ebensowenig gefolgt werden wie der Meinung der Antragsgegnerin, es komme nur auf den Zeitwert an. Der Enteignete, dem gemäß § 13 BStG. Schadloshaltung für alle durch die Enteignung verursachten Vermögensnachteile gebührt, hat grundsätzlich Anspruch darauf, daß er in die Lage versetzt wird, mit dem Entschädigungsbetrag gleichwertige Objekte in derselben Form und Ausführung, nur an anderer Stelle, zu errichten. Auf die durch Alter und Abnützung verursachte Werteinbuße ist also wohl Bedacht zu nehmen. Mit dem Ersatz des Zeitwertes allein ist es aber nicht getan, weil der Enteignete dadurch noch nicht in die Lage versetzt wird, ein gleichwertiges Objekt an anderer Stelle wieder zu errichten. Auf das Vorbringen der Antragsgegnerin, den Antragstellern sei das Altmaterial überlassen worden, wird Bedacht zu nehmen sein.

Was schließlich den vom Erstgericht gleichfalls nicht erledigten Antrag auf Zuspruch einer Entschädigung für die Inanspruchnahme von 9000 m2 Grundfläche während der der Enteignung vorangegangenen drei Jahre im Zusammenhang mit den seinerzeitigen Maßnahmen des Unternehmens "Reichsautobahn" anlangt, so ist der Antragsgegnerin beizupflichten, daß in diesem Verfahren eine Entschädigung nur insoweit festgesetzt werden kann, als die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 BStG. vorliegen. Grundlage einer solchen Festsetzung der Entschädigung kann daher nur der Enteignungsbescheid vom 10. Juni 1959 sein, in dem von einer früheren Benützung von 9000 m2 Grundfläche keine Rede ist. Ein nicht den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 BStG. entsprechender Antrag wird zurückzuweisen sein.

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