Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit das Begehren auf Bezahlung des Betrages von S 99.962,-- samt 5 % Zinsen seit 12. August 1983 abgewiesen wurde, sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung zurückverwiesen.
Im übrigen wird das angefochtene Urteil als Teilurteil bestätigt. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Für eine die klagende Partei treffende Abgabenforderung von S 400.699,-- samt Anhang erfolgte durch das Finanzamt Graz-Stadt zu Steuernummer 974/2658 am 2. Dezember 1982 die Pfändung von neun Gegenständen. Mit Bescheid dieses Finanzamtes vom 23. März 1983 wurde gemäß § 43 Abs 2 EO und Art. I DV zur AbgEO, BGBl. 1949/157, die Versteigerung der gepfändeten Gegenstände im Dorotheum angeordnet. Zugleich wurde verfügt, daß die Gegenstände in das Versteigerungsamt zu schaffen sind. Die beklagte Partei wurde um die Übernahme der gepfändeten Gegenstände ersucht. Mit Schreiben vom 20. April 1983 übermittelte das Finanzamt Graz-Stadt den Bescheid über die Einstellung der Exekution an die beklagte Partei. Mit Schreiben vom 21. April 1983 - die beiden Schreiben kreuzten einander - teilte die beklagte Partei dem Finanzamt Graz-Stadt den Versteigerungstermin für 17. Juni 1983 mit. Tatsächlich wurde an diesem Tag infolge eines Versehens der beklagten Partei die Versteigerung der neun Gegenstände der klagenden Partei durchgeführt. Es wurde ein Meistbot von S 9.330,-- erzielt. Nach Abzug der Auslagen überwies die beklagte Partei den Erlös von S 8.397,-- an das Finanzamt Graz-Stadt zur Steuernummer der klagenden Partei.
Der Kläger begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes den Zuspruch des Betrages von S 180.900,-- als Ersatz für den Wert der versteigerten Gegenstände einschließlich Umsatzsteuer und den Betrag von S 1,500.000,-- an Verdienstentgang für die Zeit vom 20. April 1983 bis 29. Mai 1985. Infolge Nichtrückstellung und Verwertung der Gegenstände sei die weitere Geschäftstätigkeit der klagenden Partei unmöglich gemacht worden. Die Ausfolgung der Gegenstände sei von der beklagten Partei verweigert worden. Vom Erstgericht aufgefordert, den Klagsanspruch für den Ersatz der versteigerten Gegenstände aufzuschlüsseln, kam die klagende Partei nur auf einen Gesamtwert ohne Umsatzsteuer von S 120.500,--, davon S 28.840,-- für eine Telefonsprechanlage mit Nummernwählkataster der Firma S***. Die Pz 6 (vier Bilder) wurde nicht bewertet. Sämtliche Gegenstände mit Ausnahme des Glastisches, der bereits ein Jahr alt gewesen sei, seien neu gewesen und unmittelbar vor der Pfändung von der klagenden Partei erworben worden.
Die beklagte Partei bestritt die geltend gemachten Ansprüche auch der Höhe nach. Die Gegenstände seien zum Teil nicht neuwertig, die vorgelegten Einkaufsbestätigungen seien falsch. Die Telefonwählanlage sei der klagenden Partei wiederverschafft worden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 1.933,-- samt Anhang statt. Das Mehrbegehren einschließlich eines Zinsenmehrbegehrens wies es ab. Es stellte fest, die Telefonsprechanlage habe die beklagte Partei zurückgekauft und der klagenden Partei zur Abholung angeboten. Die klagende Partei habe dies abgelehnt. Die beklagte Partei habe darauf mit Schreiben vom 26. August 1983 die Telefonanlage zur Abholung bereitgestellt. Die Gegenstände seien bei einem Ausrufpreis von insgesamt S 5.580,-- um das Meistbot von S 9.330,-- versteigert worden, der Glastisch um S 1.000,-- unter dem Schätzwert. Ein Verdienstentgang wegen des Fehlens der gepfändeten und verkauften Gegenstände habe der klagenden Partei nicht entstehen können.
Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß der Schaden nach dem gemeinen Wert zu ersetzen sei, da er aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit der beklagten Partei durch ein Versehen entstanden sei. Somit sei der Berechnung der Höhe des Schadens das tatsächlich erzielte Meistbot zuzüglich der Differenz des Schätzwertes von S 1.000,-- zugrundezulegen. Davon sei der Betrag von S 8.397,-- der vor Klagseinbringung der klagenden Partei gutgebucht worden sei, abzuziehen, sodaß der Betrag von S 1.933,-- zu Recht bestehe. Verdienstentgang sei der klagenden Partei nicht entstanden.
Beide Parteien bekämpften dieses Urteil mit Berufung, die klagende Partei insoweit, als ihr ein restlicher Ersatzanspruch für die versteigerten Gegenstände von S 178.067,-- samt Anhang einschließlich des Zinsenmehrbegehrens und ein Verdienstentgang von S 150.000,-- samt Anhang nicht zugesprochen wurde.
Das Berufungsgericht gab im zweiten Rechtsgang nur der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es der klagenden Partei, die sich die Überweisung des Versteigerungserlöses an das Finanzamt nicht anrechnen lassen müsse, insgesamt den Betrag von S 10.030,-- samt Anhang zusprach. Es übernahm die aufgrund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Die klagende Partei habe keinen Beweis erbracht, daß ihr durch die Versteigerung der Gegenstände ein Verdienstentgang entstanden sei. Es könne ihr daher ein solcher nicht zuerkannt werden. Ein Ersatzanspruch für die Telefonwählanlage scheide aus, weil diese ohnedies zur Abholung bereitstehe. Es sei unbedenklich, wenn das Erstgericht den Verkehrswert der versteigerten Gegenstände in der Höhe des bei der Versteigerung erzielten Erlöses festgestellt habe; dies sei die einzige im Verfahren hervorgekommene und auch durch Beweisergebnisse gedeckte Bewertung. Daß die Gegenstände etwa mangels Marktgängigkeit keinen Verkehrswert besessen hätten, sei von der klagenden Partei nicht behauptet worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei, die die Berufungsanträge, soweit ihnen nicht Folge gegeben wurde, wiederholt, ist teilweise berechtigt.
Die Mängelrüge enthält, soweit nicht in ihr die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen bekämpft wird, eine unzulässige Wiederholung der bereits gegen das Urteil des Erstgerichtes erhobenen Rüge (SZ 53/12; SZ 52/144 uva).
Die Rechtsrüge ist zum Teil berechtigt.
Die Vorinstanzen stellten ausdrücklich fest, daß der klagenden Partei durch den rechtswidrigen und schuldhaften Verkauf der Gegenstände durch die beklagte Partei ein Verdienstentgang nicht entstanden sei. Zur Abweisung des Zinsenmehrbegehrens enthalten Berufung und Revision keine Ausführungen. In diesem Umfang ist die Revision nicht berechtigt.
Das Erstgericht stellte im Gegensatz zu den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht fest, der Verkehrswert der versteigerten Gegenstände sei in der Höhe des bei der Versteigerung erzielten Erlöses gelegen, es vertrat vielmehr in seiner rechtlichen Beurteilung den Standpunkt, daß bei der Berechnung der Höhe des Schadens das tatsächlich erzielte Meistbot, vermehrt um die Differenz zum Schätzwert des Glastisches von S 1.000,-- zugrunde zu legen sei. Dieser Rechtsansicht ist nicht zu folgen. Es entspricht vielmehr ständiger Rechtsprechung, daß, kommt Naturalrestitution nicht in Betracht, der Geschädigte mit dem ihm zuerkannten Geldbetrag in die Lage versetzt werden soll, sich ein gleichwertiges Ersatzstück anzuschaffen. Dem Geschädigten ist daher in der Regel jener Betrag als Schadenersatz zuzuerkennen, der es ihm ermöglicht, sich auf dem Markt einen Ersatzgegenstand zu Händlerverkaufspreisen wiederzubeschaffen (SZ 54/95 mwN). Da bei der Telefonsprechanlage (nach den Feststellungen Telefonwählanlage) Naturalrestitution möglich ist, von der klagenden Partei aber die Annahme abgelehnt wurde, kann sie für diesen Gegenstand Geldersatz nicht verlangen. Bei den übrigen Gegenständen kann aber nicht der von der beklagten Partei erzielte Versteigerungserlös oder der von ihr ermittelte Schätzwert als Schadenersatzgrundlage herangezogen werden, weil der von der klagenden Partei aufzuwendende Wiederbeschaffungspreis nicht ohne weiteres mit dem bei einer zwangsweisen Versteigerung erzielten Meistbot oder den dafür zugrundegelegten Schätzwerten gleichgesetzt werden kann. Der potentielle Käuferkreis bei Versteigerungen im Dorotheum muß möglichst groß sein und darf gewerbsmäßige Käufer, die die Sachen weiterverkaufen wollen, nicht ausschließen (vgl. SZ 54/95). Bei Festsetzung des den Ausrufspreis bestimmenden Schätzwerts spielen daher andere wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle als bei der Ermittlung des Wiederkaufspreises. Es ist daher in aller Regel unberechtigt, das in einer Zwangsversteigerung erzielte Meistbot oder den höheren Schätzwert als Grundlage für die Ausmessung der Höhe des Schadenersatzes heranzuziehen, wenn die Versteigerung rechtswidrig und schuldhaft erfolgte und dadurch dem Eigentümer die Sachen auf Dauer entzogen wurden.
Die Urteile der Vorinstanzen, die den allein maßgeblichen Wiederbeschaffungspreis nicht feststellten, können daher im Umfang des Verlustes der Gegenstände Postzahlen 1 bis 5, 7 und 8 keinen Bestand haben. Im fortgesetzten Verfahren wird es Sache der klagenden Partei sein, die in erster Instanz zumindest für zwei Postzahlen bereits entsprechende Beweisanträge stellte (S. 74 d.A.), zu behaupten und zu beweisen, welchen Neuwert die versteigerten Gegenstände hatten und wie lange sie in Gebrauch waren. Unter Umständen wird auch ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen sein, um wieviel üblicherweise der bei Versteigerungen im Dorotheum zugrunde gelegte Schätzwert niedriger ist als der Wiederbeschaffungswert der Waren.
Die Urteile der Vorinstanzen sind, soweit sie sich auf den Schadenersatz für die versteigerten Gegenstände 1 bis 5, 7 und 8 zuzüglich Umsatzsteuer abzüglich des rechtskräftig zuerkannten Betrages beziehen, aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 52 ZPO in Verbindung mit § 392 Abs 2 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)