OGH 1Ob42/79

OGH1Ob42/7930.1.1980

SZ 53/12

Normen

ABGB §1311
AHG §1
Ktn. KindergartenG §6
Ktn. KindergartenG §8
Ktn. KindergartenG §10 Abs1
Ktn. KindergartenG §12
ABGB §1311
AHG §1
Ktn. KindergartenG §6
Ktn. KindergartenG §8
Ktn. KindergartenG §10 Abs1
Ktn. KindergartenG §12

 

Spruch:

Eine Gemeinde wird beim Betrieb eines Kindergartens nach dem Kärntner Kindergartengesetz 1975, LGBl. 139/1875, nicht in Vollziehung der Gesetze, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig. Hingegen wird das Land Kärnten in Wahrnehmung der Aufgaben bei der Bewilligung der Errichtung und des Betriebes von Kindergärten sowie der Aufsicht über die Kindergärten im Bereich der Hoheitsverwaltung tätig

OGH 30. Jänner 1980, 1 Ob 42/79 (OLG Graz 5 R 78/79; LG Klagenfurt 17 Cg 118/79)

Text

Die erstbeklagte Partei, die Gemeinde D, ist seit 1972 Trägerin eines Kindergartens in D, zu dessen Leiterin die geprüfte Kindergärtnerin Irmgard P bestellt wurde. Als diese als werdende Mutter nicht beschäftigt werden durfte, konnte nur bis Ende März 1975 eine geprüfte Ersatzkraft gefunden werden. Die erstbeklagte Partei bestellte daher nach Beratung durch die Kindergarteninspektorin der zweitbeklagten Partei, des Landes Kärnten, ab April 1975 die bisherige - nicht geprüfte - Kindergartenhelferin Adelheid Z vorübergehend zur Kindergartenleiterin. Am 16. April 1975 um etwa 15.45 Uhr wurde die am 16. Juni 1969 geborene Klägerin im Kindergarten der erstbeklagten Partei von einem anderen Kind niedergestoßen. Dabei fiel sie so unglücklich, daß sie sich eine Blutung im rechten Stirnbeinbereich und unter der harten Hirnhaut zuzog, die akuten Hirndruck verursachte und einen operativen Eingriff notwendig machte.

Die Klägerin begehrt 105 000 S an Schmerzensgeld und Barauslagenersatz und die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle Folgeschäden mit der Begründung, daß sie von Adelheid Z nicht gehörig beaufsichtigt worden sei; Adelheid Z habe es verabsäumt, nach dem Unfall unverzüglich einen Arzt herbeizurufen. Für diese Unterlassungen hafte die erstbeklagte Partei entweder nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes oder nach dem ABGB. Die zweitbeklagte Partei hafte als Aufsichtsbehörde, weil sie den Betrieb des Kindergartens durch eine den gesetzlichen Erfordernissen nicht entsprechende Kindergartenleiterin nicht untersagt habe.

Die beklagten Parteien beantragten Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, daß die nur vorübergehend bestellte Kindergartenleiterin die gesetzlichen Ersatzerfordernisse für diese Funktion erfüllt habe und auch entsprechend ausgebildet gewesen sei. Sie hätte den Unfall trotz entsprechender Obsorge nicht verhindern und die Schwere der Verletzung der Klägerin nicht erkennen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß Adelheid Z damals bereits drei Jahre lang Kindergartenhelferin gewesen sei. Sie habe eine dreijährige Frauenberufsschule erfolgreich absolviert, an der auch Gesundheitslehre und Erste Hilfe gelehrt und geprüft worden seien. Dann sei Adelheid Z als Kindermädchen beschäftigt gewesen. Der Unfall habe sich im Bewegungsraum des Kindergartens ereignet. Mit Erlaubnis der Adelheid Z habe die Klägerin mit einem anderen Kind "Nachziehen" gespielt; sie sei dabei in hockender Stellung von dem anderen Kind über den Fußboden gezogen worden. Plötzlich habe sich aus dem Kreis, in dem die anderen Kinder mit Adelheid Z spielten, ein Kind gelöst, um seiner Mutter, die es abholen wollte, entgegenzulaufen und sei dabei mit der Klägerin zusammengestoßen. Die Klägerin habe an der Schläfe einen roten Fleck gehabt und geweint. Adelheid Z habe sie beruhigen können. Nachdem das Kind Kopfschmerzen und Übelkeit verneint habe, sei es von Adelheid Z mit dem ältesten Bruder nach Hause geschickt worden. Als der Vater der Klägerin nach Hause gekommen sei (zirka 17.30 Uhr), sei sie bereits bewußtlos gewesen. Zum Zeitpunkte des Unfalles habe Adelheid Z die Schwere der Verletzung nicht erkennen können. Die Beiziehung eines Arztes wäre nicht zielführend gewesen, da auch ein Arzt die Gehirnblutung unmittelbar nach dem Unfall nicht hätte feststellen können.

Das Erstgericht hielt das Amtshaftungsgesetz nicht für anwendbar, da der Betrieb eines Kindergartens in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung falle. Adelheid Z habe das fachliche Anstellungserfordernis für Kindergärtnerinnen gemäß § 2 des Gesetzes vom 29. Feber 1972, LGBl. 23/1972, nicht erfüllt, doch seien in Fällen, in denen keine geeignete Person zur Verfügung stehe, die im § 5 Abs. 1 lit. a des Landesgesetzes genannten Ersatzerfordernisse ("hinreichende Erfahrung in der Erziehung und Betreuung einer Gruppe von Kleinkindern") ausreichend. Adelheid Z habe diese Ersatzvoraussetzungen erfüllt, so daß sie als Kindergärtnerin Verwendung finden durfte. Für die zusätzlichen fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergartenleiterinnen (§ 4 des Landesgesetzes) gebe es keine Ersatzerfordernisse. Die zusätzlichen Erfordernisse seien jedoch nur Voraussetzung dafür, daß ein Kindergarten in Betrieb genommen werden dürfe. Die Weiterführung eines Kindergartens durch die provisorisch zur Kindergartenleiterin bestellte Adelheid Z sei aber zulässig und durch § 5 des Landesgesetzes gedeckt gewesen. Adelheid Z treffe auch kein Verschulden. Sie habe die Kinder gehörig beaufsichtigt, aber nicht voraussehen können, daß sich ein Kind ohne ihre Erlaubnis aus dem Kreis lösen und den Sturz der Klägerin verursachen werde. Die Unterlassung der sofortigen Beiziehung eines Arztes habe auf den weiteren Unfallverlauf keinen Einfluß gehabt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Darin, daß das Erstgericht zunächst einen Sachverständigen aus dem Gebiete der Psychiatrie und Neurologie beigezogen, in der Folge aber die Beantwortung einzelner ergänzender Fragen einem Sachverständigen für Orthopädie und orthopädische Chirurgie überlassen habe, sei ein Verfahrensmangel nicht zu erblicken, da dies den Aussagen des vernommenen Sachverständigen nicht den Beweiswert nehme, zumal es um die allgemeinmedizinische Frage gegangen sei, ob Adelheid Z nach dem Unfall erkennen konnte, die Klägerin sei so schwer verletzt gewesen, daß sie sofortiger ärztlicher Versorgung bedürfe, und ob eine sofortige Hilfe eine Änderung des Krankheitsverlaufes mit sich gebracht hätte. Die Vernehmung der Mutter der Klägerin und des einweisenden Hausarztes habe dazu keine weiteren Aufschlüsse bringen können.

Die erstbeklagte Partei sei als Trägerin des Kindergartens nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung und damit nicht in Vollziehung der Gesetze im Sinne des Amtshaftungsgesetzes tätig geworden. Träger eines Kindergartens könne gemäß § 5 Kärntner Kindergartengesetz 1975 (Wiederverlautbarung LGBl. 139/1975) auch eine physische Person sein. Das Gesetz räume den Trägern eines Kindergartens in keiner Weise eine Befehls- oder Zwangsbefugnis ein. Es sei daher nur zu prüfen, ob die erstbeklagte Partei für ein allfälliges Verschulden der Adelheid Z nach § 1313a ABGB zu haften habe. Dies sei zu verneinen. Die Klägerin habe sich mit Zustimmung der Adelheid Z außerhalb des Kreises der übrigen Kinder befunden und ein völlig harmloses Spiel gespielt. Mit der Möglichkeit, daß sich ein Kind aus dem Kreise lösen und die Klägerin niederstoßen werde, habe Adelheid Z nicht rechnen müssen. Sie habe die gehörige Vorsicht nicht außer acht gelassen.

Die zweitbeklagte Partei habe grundsätzlich ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten ihrer Organe im Rahmen der Amtshaftung zu vertreten. Die Landesregierung habe gemäß § 12 Kärntner Kindergartengesetz 1975 durch geeignete Fachkräfte regelmäßig zu überprüfen, ob die Kindergärten nach den Bestimmungen des Gesetzes geführt würden. Ergebe sich, daß dies nicht der Fall sei, habe die Landesregierung dem Träger des Kindergartens mit Bescheid die zur Behebung der Mängel notwendigen Aufträge zu erteilen. Zu den gesetzlichen Bestimmungen, nach denen ein Kindergarten zu führen sei, gehöre auch die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Kindergartengesetz 1975, wonach als Leiterin eines Kindergartens oder als Kindergärtnerin nur angestellt werden dürfe, wer die fachlichen Anstellungserfordernisse, die für die Kindergärtnerinnen des Landes und der Gemeinde gelten, erfülle. Fachliches Anstellungserfordernis für Kindergärtnerinnen sei nach dem Kärntner Landesgesetz vom 29. Feber 1972, LGBl. 23/1972, die erfolgreiche Ablegung der Befähigungsprüfung für Kindergärtnerinnen, wobei § 5 dieses Gesetzes nur für den Fall, daß keine geeignete Person zur Verfügung stehe, ein erleichtertes Ersatzerfordernis aufstelle. Da durch § 10 Abs. 2 Kindergartengesetz 1975 die für die Aufnahme in den Landesdienst oder Gemeindedienst in Betracht kommenden weitergehenden (d. h. über § 10 Abs. 1 dieses Gesetzes hinausgehenden) Anstellungserfordernisse unberührt lasse, müßten diese Erfordernisse als Anstellungserfordernisse für eine Kindergartenleiterin eines Kindergartens, dessen Trägerin eine Gemeinde sei, gefordert werden. Dadurch, daß Adelheid Z mit Wissen der zweitbeklagten Partei zur vorübergehenden Kindergartenleiterin bestellt worden sei, habe diese ihre Aufsichtspflicht nach § 12 Kindergartengesetz 1975 verletzt. Die Bestimmungen des Gesetzes vom 29. Feber 1972, LGBl. 23/1972, über die Anstellungserfordernisse seien als Schutznorm anzusehen, die den Schutz der körperlichen Integrität der in einem Kindergarten betreuten Kinder bezwecke. Die zweitbeklagte Partei habe aber bewiesen, daß der Schaden auch ohne Übertretung der Schutznorm eingetreten wäre, da auch eine ordnungsgemäß bestellte und bestens ausgebildete Kindergartenleiterin den auf unvorhersehbaren Ereignissen beruhenden Unfall nicht hätte verhindern können; die zweitbeklagte Partei hafte daher für die Schutzgesetzverletzung nicht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin, soweit die Entscheidungen der Vorinstanzen die zweitbeklagte Partei betrafen, mit Teilurteil nicht Folge und hob die die erstbeklagte Partei betreffenden Urteile der Vorinstanzen mit Beschluß auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist ständige, mit der Rechtslehre (Novak, ÖJZ 1979, 1 ff., insbesondere 6; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 819; Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG, 44 ff.) übereinstimmende Rechtsprechung (zuletzt 1 Ob 698/78; 1 Ob 31/78; EvBl. 1978/101; SZ 45/134 u. a.), daß ein Organ eines Rechtsträgers nur dann in Vollziehung der Gesetze im Sinne des § 1 AHG handelt, wenn es im Bereich der Hoheitsverwaltung, nicht aber dann, wenn es im Bereich der Wirtschaftsverwaltung des Rechtsträgers tätig ist. Letzteres ist der Fall, wenn er sich zur Erreichung des in Betracht kommenden Zieles der gleichen Mittel bedient, die die Rechtsordnung jedermann, also auch Privaten, zur Verfügung stellt, so daß eine rechtliche Gleichordnung der Körperschaft öffentlichen Rechts mit anderen Rechtssubjekten besteht.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß die erstbeklagte Partei beim Betrieb des Kindergartens nicht in Vollziehung der Gesetze, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig ist; dies ergibt sich schon aus § 5 des Kärntner Kindergartengesetzes 1975, LGBl. 139/1975 (im folgenden kurz Krnt. KGG), wonach auch physische Personen unter der Voraussetzung österreichischer Staatsbürgerschaft Träger eines Kindergartens sein können; dem Träger des Kindergartens werden vom Gesetz keine Hoheitsrechte eingeräumt. In Ansehung der erstbeklagten Partei finden daher die für juristische Personen im allgemeinen geltenden Haftungsvorschriften Anwendung (EvBl. 1978/101 u.a.; Koziol - Welser[5] I, 375).

Anders verhält es sich mit dem gegen die zweitbeklagte Partei erhobenen Anspruch, der aus dem Handeln ihrer Organe in Vollziehung der ihr nach dem Kärntner Kindergartengesetz 1975 zukommenden Aufgaben abgeleitet wird. Die zweitbeklagte Partei wird in Wahrnehmung dieser Aufgaben im Bereich der Hoheitsverwaltung tätig; so kommt ihr die Bewilligung zur Errichtung (§ 6 Krnt. KGG) und zum Betrieb von Kindergärten (§ 8 Krnt. KGG) und die Aufsicht über die Kindergärten (§ 12 Krnt. KGG) zu. Im Rahmen der letztgenannten Aufgabe hat die zweitbeklagte Partei durch geeignete Fachkräfte regelmäßig zu überprüfen, ob die Kindergärten nach den Bestimmungen des Gesetzes geführt werden (§ 12 Abs. 1 Krnt. KGG), hat, wenn es sich ergibt, daß ein Kindergarten nicht entsprechend den Bestimmungen des § 12 Abs. 1 Krnt. KGG geführt wird, dem Träger des Kindergartens mit Bescheid die zur Behebung der Mängel notwendigen Aufträge zu erteilen (§ 12 Abs. 2 Krnt. KGG) und als Sanktion die Sperre eines Kindergartens zu verfügen, wenn sein Träger die Aufträge nach § 12 Abs. 2 Krnt. KGG nicht erfüllt (§ 13 Abs. 1 lit. c Krnt. KGG). Zur Überprüfung der gesetzmäßigen Führung gehört auch die Überprüfung der fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergartenleiterinnen und Kindergärtnerinnen (§§ 10 Abs. 1, 12 Abs. 1 Krnt. KGG), die durch die §§ 1 bis 6 des Gesetzes vom 29. Feber 1972, LGBl. 23/1972, eine nähere Regelung erfahren haben. Diese Regelung hat das Berufungsgericht zutreffend dahin verstanden, daß es zwar zulässig ist, für den Fall, daß keine geeignete Person zur Verfügung steht, das fachliche Anstellungserfordernis für Kindergärtnerinnen (nämlich nach § 2 LGBl. 23/1972: erfolgreiche Ablegung der Befähigungsprüfung für Kindergärtnerinnen) auf die Dauer dieser Voraussetzung die Ersatzerfordernisse des § 5 Abs. 1 lit. a LGBl. 23/1972 (nämlich: hinreichende Erfahrung in der Erziehung und Betreuung einer Gruppe von Kleinkindern) als ausreichend anzuerkennen, daß aber das Gesetz eine solche Erleichterung für die verlangten fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergartenleiterinnen (§ 4 Abs. 1 LGBl. 23/1972) - ausgenommen den hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 4 Abs. 2 des Landesgesetzes - nicht gewährt.

Auch wenn grundsätzlich kein subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der gesamten Verwaltung besteht (Loebenstein - Kaniak a. a. O., 53, 163), so kann doch die Verletzung der Aufsichtspflicht durch eine Behörde Amtshaftungsansprüche auslösen; der Gesetzgeber hat nämlich das Erfordernis der Verletzung subjektiver (öffentlicher) Rechte als Voraussetzung der Amtshaftung anläßlich der Novellierung des Art. 23 B-VG durch BGBl. 19/1949 fallengelassen (514 BlgNR, V. GP, abgedruckt bei Loebenstein - Kaniak a. a. O., 158 ff., insbesondere 159; 1 Ob 36/79; Welser in JBl. 1975, 232 ff.; Loebenstein - Kaniak a. a. O., 55). Die Haftpflicht des Rechtsträgers nach dem Amtshaftungsgesetz erstreckt sich demnach infolge des im § 1 Abs. 1 AHG weit umschriebenen Kreises der Schadenersatzberechtigten auf jeden, dessen Schutz die verletzte Rechtsnorm bezweckt, weil das Fehlverhalten gegenüber den durch den Rechtssatz geschützten Interessen rechtswidrig ist (EvBl. 1978/233; SZ 28/127 u. a.; vgl. auch Ehrenzweig[2] II/1, 47; Loebenstein - Kaniak, 53 f.; Welser a. a. O., 234).

Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß zu den durch § 10 Abs. 1 Krnt. KGG und das Landesgesetz vom 29. Feber 1972, LGBl. 23/1972, über die Anstellungserfordernisse von Kindergärtnerinnen geschützten Interessen auch die Wahrung der körperlichen Sicherheit der in einem Kindergarten untergebrachten Kleinkinder gehört. Diesen Schutzzweck sucht der Gesetzgeber u. a. dadurch zu erreichen, daß er die Anstellung von Kindergärtnerinnen (Kindergartenleiterinnen) an entsprechende Eignung und Erfahrung sowie die Ablegung einer Befähigungsprüfung knüpft. Der Gesetzgeber unterscheidet aber zwischen den bereits dargestellten erweiterten Anstellungserfordernissen für Kindergartenleiterinnen sowie geringeren Anstellungserfordernissen für Kindergärtnerinnen und stellt für letztere unter bestimmten Voraussetzungen erleichterte Ersatzerfordernisse auf. Er läßt damit für die Erziehung und Betreuung einer Gruppe von Kleinkindern neben den allgemeinen Erfordernissen des § 10 Abs. 1 Krnt. KGG (charakterliche und körperliche Eignung) hinreichende Erfahrung (§ 5 Abs. 1 lit. a LGBl. 23/1972) genügen. Eines der weitergehenden Anstellungserfordernisse für Kindergartenleiterinnen, die Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses, läßt allerdings wieder deutlich auf seinen Zweck, den Schutz der Gesundheit der im Kindergarten untergebrachten Kleinkinder (durch Einleitung zweckentsprechender Sofortmaßnahmen bei Unfällen und akuten Erkrankungen), schließen.

Das Gesetz verlangt jedoch keineswegs, daß bei vorübergehender Abwesenheit der Kindergartenleiterin ein Kindergarten sofort zu sperren (§ 13 Krnt. KGG) wäre; es ist vielmehr naheliegend, daß das Gesetz auch Vertretungen bei Urlaub, Krankheit oder auch während eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz in Kauf nahm. Es wird daher auch nur gefordert, daß bei Bewilligung zum Betrieb eines Kindergartens eine Kindergärtnerin zur Verfügung stehen muß, die zur Leitung des Kindergartens bestellt werden darf (§ 8 Abs. 1 Z. 2 Krnt. KGG); § 10 Krnt. KGG regelt auch nur die Erfordernisse für eine Anstellung als Leiterin eines Kindergartens. Was zu geschehen hat, wenn die angestellte Leiterin eines Kindergartens ihren Dienst nicht versehen kann, ist letztlich durch die Aufsicht der Landesregierung zu beurteilen, der es aber nicht verwehrt sein kann, die vorübergehende Fortführung des Kindergartens auch bei Verhinderung der Leiterin zu billigen, wenn sie keine Bedenken hat, daß der Kindergarten auch während der Verhinderung entsprechend den pädagogischen und hygienischen Erfordernissen weitergeführt werden kann. Die Weiterführung eines bereits seit Jahren eingerichteten Kindergartens wird in aller Regel ja weniger Probleme aufwerfen als die Errichtung des Kindergartens. Hinweise darauf, daß allein schon in der Duldung der Weiterführung des Kindergartens eine Amtspflichtverletzung eines Organes der zweitbeklagten Partei liege, kann die Klägerin in überzeugender Weise nicht geben; auch eine allfällige Nachlässigkeit der Adelheid Z nach dem Unfall der Klägerin könnte nicht schon zur rechtlichen Schlußfolgerung führen, daß die zweitbeklagte Partei eine Verletzung der Aufsichtspflicht, die nur in einer Unterlassung der Sperre des Kindergartens oder der Hinausgabe konkreter Aufträge nach § 12 Abs. 2 Krnt. KGG erblickt werden könnte, zu vertreten hätte.

Das Gesetz trifft darüber hinaus keinerlei Anordnungen darüber, daß in einem Kindergarten mit mehr als einer Kindergruppe neben den die Gruppen führenden Kindergärtnerinnen auch die Kindergartenleiterin (oder eine Vertreterin, die ebenfalls die fachlichen Anstellungserfordernisse für Kindergartenleiterinnen erfüllt) während der Betriebsstunden des Kindergartens ununterbrochen anwesend und damit die zusätzliche Obsorge durch eine fachlich höher qualifizierte Kindergartenleiterin dauernd gewährleistet sein müsse. Daraus folgt aber, daß bei der Beurteilung von Ersatzansprüchen, die aus dem Fehlverhalten einer Kindergärtnerin (Kindergartenleiterin) bei Betreuung einer Kleinkindergruppe (und nicht aus Verstößen bei der Leitung des Kindergartens) abgeleitet werden, nur jene Vorschriften als Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB in Betracht kommen, die sich auf die Einhaltung der Anstellungserfordernisse für Kindergärtnerinnen beziehen. Da diese Vorschriften eingehalten wurden, liegt eine die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin berührende Schutzgesetzverletzung durch die erstbeklagte Partei und eine wegen Nichtwahrnehmung eines derartigen Schutzgesetzes haftungsbegrundende Verletzung der Aufsichtspflicht durch die zweitbeklagte Partei nicht vor.

Auf den Haftungsgrund der mangelnden Beaufsichtigung der Klägerin vor dem Unfall kommt die Revision nicht mehr zurück, so daß es insoweit genügt, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen. Eine der erstbeklagten Partei gemäß § 1313a ABGB zuzurechnende schuldhafte Vernachlässigung der Beaufsichtigung des Kindes durch Adelheid Z vor dem Unfall liegt daher nicht vor. Soweit ein Fehlverhalten der Kindergartenleiterin nach dem Unfall behauptet wird, betrifft der insofern noch aufklärungsbedürftige Sachverhalt nur die Haftung der erstbeklagten Partei, nicht aber die ausschließlich auf die Billigung der Bestellung der Adelheid Z zur Vertreterin der Kindergartenleiterin begrundete Haftung der zweitbeklagten Partei. Dies führt zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die zweitbeklagte Partei betrifft.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt die Klägerin nicht nur, daß das Erstgericht zur Ergänzung des Gutachtens des neurologischen Sachverständigen ohne ersichtlichen Grund einen Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie bestellt habe; sie macht auch geltend, daß ihrem Antrag auf Vernehmung der Mutter der Klägerin Hermine H und des einweisenden Arztes Dr. Hans L zum Beweise dafür, daß die Annahmen des Sachverständigen Dr. Siegfried W, daß das Kind einige Stunden nach dem Unfall häufig gegähnt und eine auffallende Schläfrigkeit gezeigt habe, nicht stattgegeben worden sei.

Diese Rüge ist teilweise berechtigt. Der Grundsatz, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als gegeben erachtete, im Revisionsverfahren nicht neuerlich gerügt werden können (SZ 41/8; SZ 27/4 u. v. a.), steht der in der Revision wiederholten Rüge, daß an Stelle eines Neurologen ein Sachverständiger aus einem anderen ärztlichen Fachgebiet beigezogen wurde, entgegen. Der Grundsatz, daß die Rüge der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur in nächsthöherer Instanz wahrgenommen werden kann, ist jedoch unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (1 Ob 613/78; 1 Ob 636/78; 4 Ob 311/73; 1 Ob 160/72 u. a.) oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (SZ 38/120; 5 Ob 557/79; 3 Ob 224/74; 1 Ob 160/72), weil dann bereits ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vorliegt, der gemäß § 503 Z. 2 ZPO bekämpfbar ist. Nichts anderes gilt für den Fall, daß das Berufungsgericht allein aus verfahrensrechtlichen Gründen die Mängelrüge erledigte und diese Art der Erledigung gerügt wird (1 Ob 636/78).

Der Sachverständige Dr. Siegfried Z erstattete das Gutachten zu der ihm gestellten Frage, ob Adelheid Z erkennen konnte, daß die Klägerin so schwer verletzt sei, daß sie sofortiger ärztlicher Versorgung bedürfe, auf Grund der Krankengeschichte (Anamnese mit der Mutter der Klägerin), in der es heißt, daß keine Bewußtlosigkeit eingetreten sei und die Mutter einige Stunden später daheim beobachtet habe, daß das Kind häufig gegähnt und eine auffallende Schläfrigkeit gezeigt habe. Diese Folgen legte der Sachverständige seinem Gutachten, daß Adelheid Z unter keinen Umständen das Vorliegen einer schweren Verletzung des Kindes annehmen konnte, zugrunde.

In Widerspruch zu diesen Gutachtensannahmen stellte aber das Erstgericht fest, daß die Klägerin bereits bewußtlos gewesen sei, als ihr Vater um etwa 17.30 Uhr nach Hause gekommen sei. Das Sachverständigengutachten ging daher von anderen Annahmen aus, als sie vom Erstgericht unbekämpft festgestellt wurden, so daß nach § 362 Abs. 2 ZPO vorzugehen gewesen wäre; das eingeholte Gutachten erweist sich daher aus einem Gründe, der nicht die im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbare freie Würdigung der Überzeugungskraft eines Gutachtens betrifft, als ungenügend.

Das Berufungsgericht hat trotz hinreichend deutlicher Rüge die geltend gemachte Verletzung des § 362 Abs. 2 ZPO nicht wahrgenommen, sich auf die Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens auf Grund der Annahmen des Sachverständigen beschränkt, den Widerspruch zwischen dem festgestellten Sachverhalt und den Annahmen des Gutachters nicht beachtet und damit seinerseits die Bestimmung des § 362 Abs. 2 ZPO verletzt (7 Ob 514/78; 1 Ob 160/72).

Dieser Mangel muß zur Aufhebung der Entscheidung über das gegen die erstbeklagte Partei erhobene Begehren führen, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Frage der Erkennbarkeit der Schwere der Verletzung der Klägerin durch Adelheid Z (und einen sofort herbeigeholten Arzt) anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn der Sachverständige die unbekämpft gebliebene Feststellung des Erstgerichtes über den baldigen Eintritt der Bewußtlosigkeit seinem Gutachten zugrunde gelegt hätte. Eine andere rechtliche Beurteilung könnte daraus allerdings nur dann abgeleitet werden, wenn die Gutachtensergänzung ergäbe, daß die Schwere der Verletzung des Kindes für Adelheid Z nach der Gesamtsituation (äußerlich sichtbare Merkmale, auffälliges Verhalten des Kindes) sofort erkennbar gewesen wäre und die Unterlassung der unverzüglichen Beiziehung eines Arztes das weitere Geschehen nachteilig beeinflußt hätte. Da es zur Behebung dieses Mangels einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, ist auch das Urteil der ersten Instanz im angegebenen Umfang aufzuheben und die Streitsache insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an diese zurückzuverweisen (§ 510 Abs. 1 ZPO).

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