OGH 1Ob593/81

OGH1Ob593/8117.6.1981

SZ 54/95

Normen

ABGB §305
ABGB §1058
GewO 1994 §290
HGB §373
HGB §376
HGB §400
EVHGB Art8 Nr. 15
ABGB §305
ABGB §1058
GewO 1994 §290
HGB §373
HGB §376
HGB §400
EVHGB Art8 Nr. 15

 

Spruch:

Der Schätzwert einer Sache bei Verpfändung an einen Pfandleiher richtet sich danach, wie die Pfandsache bei Verfall unter den besonderen Bedingungen des Pfandleihgeschäftes mit großer Wahrscheinlichkeit verkauft werden kann; er muß sich daher an dem auch noch für einen Händler interessanten Einkaufspreis orientieren.

Der Marktpreis als Durchschnittspreis, der sich unabhängig von besonderen zufälligen Umständen der Preisbildung aus der Vergleichung einer größeren Anzahl an diesem Ort zur maßgebenden Zeit geschlossener Kaufverträge über Waren der betreffenden Beschaffenheit ergibt, kommt für den Kleinhandel nicht in Betracht, sondern gilt in der Austauschstufe unter Kaufleuten. Der Börsenpreis ist eine Unterart des Marktpreises

OGH 17. Juni 1981, 1 Ob 593/81 (OLG Wien 14 R 169/80; LGZ Wien 4 Cg 41/78)

Text

Der Kläger, ein Kunsthändler, nahm am 3. Feber 1975, wie auch schon mehrmals zuvor, bei der beklagten Partei, einer Pfandleihanstalt, ein Pfanddarlehen diesmal von 11 000 S, auf und gab zwei Ölbilder (17. Jahrhundert) und ein Ölbild, Porträt, Gianbattista Morini zugeschrieben, zum Pfand. Die Bilder wurden vor Gewährung des Pfanddarlehens von der beklagten Partei nicht geschätzt, ein Schätzwert wurde dem Kläger nicht bekanntgegeben, in den Pfandschein jedoch ein Versicherungswert von 16 500 S eingesetzt. Verfallstag des Darlehens war dem 3. März 1975. Eine vom Amt der Wiener Landesregierung am 18. Oktober 1972 gemäß § 285 Abs. 2 GewO genehmigte Geschäftsordnung, dir der Verpfändung zugrunde lag und Vertragsbestandteil wurde, enthält folgende für den Rechtsstreit wesentliche Bestimmungen:

"§ 3 Verwahrung: Die übernommenen Pfänder werden in einem feuer- und einbruchssicheren Lokal verwahrt und gegen Feuergefahr für den Schätzwert versichert. Dieser bei der Übernahme des Pfandes ermittelte und dem Verpfänder bekanntgegebene Schätzungswert bildet den Maßstab auch bei anderweitigen Ersatzansprüchen ...

§ 6 Schätzung des Pfandes: Jedes Pfandstück wird vor der Annahme durch den von der Anstalt Bestellten abgeschätzt. Gegenstände, welche einen Börsen- oder Marktpreis haben, unterliegen einer Schätzung nicht, sondern es gilt der festgestellte Börsen- bzw. Marktpreis am Verpfändungstage als Schätzwert.

§ 7 Höhe des Darlehens: Auf jedes angenommene Pfandstück wird in der Regel zwei Drittel des Schätzungswertes als Pfanddarlehen gegeben. Die Höhe des Darlehens wird aber von Fall zu Fall von dem von der Anstalt Bestellten mit der Partei vereinbart. Bei voller Inanspruchnahme des Darlehens gilt, wenn das verfallene Pfand zur Feilbietung gelangt, der Betrag des Darlehens samt Zinsen und allen Nebengebühren als Ausrufungswert.

Andernfalls gilt der Schätzwert als Ausrufungspreis.

§ 14 Veräußerung der Pfänder: Wenn die versetzten Gegenstände nicht rechtzeitig ausgelöst werden, so werden sie auf Grund der Bestimmungen des § 4 des Gesetzes vom 23. März 1885, RGBl. Nr. 48, zur Realisierung des hierauf haftenden Pfandrechtes verkauft, ohne daß die Partei hievon verständigt zu werden braucht; es darf jedoch der Verkauf nicht früher als sechs Wochen nach der Verfallszeit vorgenommen werden, es sei denn, daß der Verpfänder bei oder nach der Verpfändung der Abkürzung der Frist schriftlich zustimmt.

Zur Bestreitung der Kosten der Versteigerung des Pfandes kann vom Ersteher ein Zuschlag von 20% des Meistbotes gefordert werden ...

§ 15 Veräußerung: Die Veräußerung geschieht in der Regel im Wege einer entweder beim Gerichte oder bei der Gewerbebehörde anzusuchenden Lizitation; Ort und Zeit der Lizitation werden durch Anschlag an dem Geschäftslokal und durch Verlautbarung in der von der Gewerbebehörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht. Der Verpfänder ist unbeschadet der Entrichtung nachfolgend bestimmter besonderer Gebühr berechtigt, das Pfand jederzeit bis zum Zuschlag desselben auszulösen ..."

Der Kläger setzte am 27. Juni 1975 das Pfand um, er bezahlte die bis dahin aufgelaufenen Zinsen und Nebengebühren. Neuer Verfallstag war der 27. Juli 1975. Die Pfänder konnten daher ab 12. September 1975 von der beklagten Partei versteigert werden. Eine Schätzung der Bilder erfolgte auch bei der Umsetzung nicht. Die behördlich genehmigte und kundgemachte Versteigerung der Bilder fand am 3. Oktober 1975 statt. Die drei Bilder des Klägers wurden unter Berücksichtigung der aufgelaufenen Zinsen und Nebengebühren um 11 950 S ausgerufen und von der beklagten Partei zum Ausrufspreis erworben.

Der Kläger begehrt den Zuspruch eines Betrages von 70 000 S. Er brachte vor, die Bilder hätten einen Wert von 85 000 S (später gab er an 70 000 S) gehabt. Die beklagte Partei habe die Versteigerung möglichst unauffällig durchgeführt, um die Gegenstände selbst erwerben zu können. Ein Angestellter der beklagten Partei habe dem Kläger noch am Tage der Versteigerung wahrheitswidrig zugesichert, er habe noch Zeit für die Einlösung der Bilder, er könne diese bei nächster Gelegenheit vornehmen. Er sei auch dadurch in Irrtum geführt worden, daß die beklagte Partei im Pfandschein einen Versicherungswert von 16 500 S eingesetzt habe. Die Bilder hätten daher nur zum Vollschätzwert ausgerufen werden dürfen.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Versteigerung der Bilder behördlich genehmigt und vorschriftsmäßig durchgeführt worden sei. Zusicherungen seien dem Kläger nicht gemacht worden. Für die beklagte Partei sei als Schätzwert der Händlereinkaufspreis von 16 500 S oder der Liquidationswert, der 50% des realen Verkehrswertes betrage, maßgebend gewesen. Das Dorotheum, das höhere Schätzwerte ermittelt habe, gehe nicht vom Händlereinkaufspreis aus. Es gewähre aber auch nur ein Drittel des Schätzwertes als Darlehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang mit einem Betrag von 6569.50 S samt Anhang statt, das Mehrbegehren von 63 430.50 S samt Anhang wies es ab. Es stellte fest, der Händlerverkaufspreis der drei Bilder habe am 3. Feber 1975 ohne Umsatzsteuer 29 600 S, der Händlereinkaufspreis einschließlich Umsatzsteuer 14 800 S, zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung aber 18 500 S betragen. Dem Kläger sei am Tage der Versteigerung mitgeteilt worden, daß die Bilder versteigert und von der beklagten Partei erworben worden seien.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die beklagte Partei habe anläßlich der Versteigerung der Bilder gegen die Vorschriften des § 290 Abs. 1 GewO und des § 3 der Feilbietungsordnung verstoßen. Der Kläger habe daher einen Schadenersatzanspruch in der Höhe des Wertes der Bilder zum Zeitpunkt der Schadenszufügung; die bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erfolgte Wertänderung sei zu berücksichtigen. Die Geschäftsordnung der beklagten Partei sei Vertragsinhalt geworden. Die beklagte Partei habe gegen ihre eigene Geschäftsordnung verstoßen, da sie die Bilder anläßlich der Belehnung nicht schätzen ließ. Unter dem Begriff "Schätzwert" der Geschäftsordnung sei der Händlerverkaufspreis und nicht der Liquidationswert zu verstehen. Die gesetzliche oder vertragliche Festlegung eines Ausrufspreises (geringsten Gebotes) habe den Sinn, einer Verschleuderung der Pfandgegenstände vorzubeugen. Schätzwert und Versicherungswert seien ident. Die Versicherung soll damit im Schadensfall dem Verpfänder die Wiederbeschaffung der Pfandsache ermöglichen. Da das gewährte Darlehen nicht zwei Drittel des Schätzwertes erreicht habe, hätten Ausrufspreis und Schätzwert ident sein müssen. Der Verkauf der Bilder um 11 950 S sei daher vertragswidrig erfolgt. Dieses Verhalten sei kausal dafür gewesen, daß die Bilder überhaupt versteigert und zugeschlagen worden seien. Die beklagte Partei habe nicht einmal vorgebracht, die Bilder wären auch um einen Ausrufspreis von 31 970 S zugeschlagen worden. Der Kläger habe daher einen Entschädigungsanspruch in der Höhe des Wertes der Bilder. Maßgebend für die Höhe dieses Ersatzanspruches des Klägers, wäre aber, da er Kaufmann und Kunsthändler sei und sich derartige Ware um den Händlereinkaufspreis samt Umsatzsteuer wieder beschaffen könne, der Händlereinkaufspreis unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung. Unter Abzug des Darlehens samt Nebengebühren seien dem Kläger daher nur 6562.50 S zuzusprechen.

Gegen dieses Urteil erhoben beide Teile Berufung. Der Kläger strebt den Zuspruch eines weiteren Betrages von 21 459 S an, die beklagte Partei die Abänderung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Kläger einen Betrag von insgesamt 17 669.50 S samt Anhang zusprach. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen. Rechtlich ging es davon aus, daß die Versteigerung durch die beklagte Partei ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Es sei dem Erstgericht beizupflichten, daß die Bilder vertragswidrig nicht zum Händlerverkaufspreis feilgeboten worden seien. Das Darlehen habe nicht zwei Drittel des Schätzwertes betragen. Der Ausrufspreis hätte daher mit dem Schätzwert, das sei dem Händlerverkaufspreis, ident sein müssen. Der Begriff Liquidationswert, den die beklagte Partei als Schätzwert verstanden wissen wolle, sei in der Geschäftsordnung nicht enthalten. Eine Gleichsetzung von Schätzwert mit Liquidationswert führte dazu, daß die zu versteigernden Sachen zu einem Schleuderpreis ausgerufen würden. Da die beklagte Partei die Bilder vertragswidrig um 17 669.50 S zu niedrig ausgerufen habe, stunde dem Kläger der Ersatz dieses Betrags zu. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, für die Höhe des Schadenersatzes sei der Händlereinkaufspreis maßgebend, könne nicht geteilt werden. Der Schaden des Klägers liege in der Differenz zwischen dem Schätzwert und dem in der Versteigerung erzielten Preis. Wäre die Versteigerung nicht durchgeführt worden, hätte der Kläger die Bilder selbst um 29 600 S verkaufen können. Eine Berücksichtigung des Wertverlustes zwischen dem Versteigerungstermin und dem Schluß der Verhandlung erster Instanz käme allerdings nicht in Betracht.

Über Revision der beklagten Partei änderte der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen dahin ab, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei ist ein Pfandleiher, also ein Unternehmen, das Darlehen gegen Übergabe beweglicher Sachen (Faustpfänder) gewährt und berechtigt ist, sich durch den Verkauf der Faustpfänder im Wege der Versteigerung schadlos zu halten, wenn das von ihr gewährte Darlehen nicht zur bestimmten Zeit zurückbezahlt wird (§ 278 GewO). Sie hatte bei ihrer Bewerbung um Erteilung der erforderlichen Konzession eine Geschäftsordnung vorzulegen, die von der Gewerbebehörde zu genehmigen war (§ 285 Abs. 1 und 2 GewO) und genehmigt wurde.

In Rechtsprechung und Lehre ist es unbestritten, daß der Geschädigte, wenn Naturalrestitution nicht in Betracht kommt, mit dem ihm zuerkannten Geldbetrag in die Lage versetzt werden soll, sich ein gleichwertiges Ersatzstück anzuschaffen. Dem Geschädigten muß daher in der Regel (vgl. SZ 51/7) als Schadenersatz jene Summe Geldes zuerkannt werden, die es ihm ermöglicht, sich auf dem Markt einen Ersatzgegenstand zu Händlerverkaufspreisen wieder zu beschaffen (SZ 48/89; SZ 37/165; SZ 35/87 u. a.; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I, 194; Ehrenzweig[2] I/2, 27; Klang[2] II, 47; Piegler in ZVR 1970, 225). Diese Grundsätze gelten aber nur dann, wenn die Sache dem Eigentümer unfreiwillig entzogen oder vernichtet wurde (Pfersche, Sachenrecht, 26). Der Kläger macht aber einen solchen Schadenersatzanspruch nicht geltend. Es geht nicht um den Schätzungswert einer zerstörten oder beschädigten Sache, sondern darum, wie vom Kläger freiwillig verpfändete Sachen zum Zeitpunkt ihrer Verpfändung zu bewerten waren. Mit Recht hat Pfersche a.a.O., 24 ff. darauf hingewiesen, daß die Bewertung von Sachen unter solchen Umständen in der Praxis rein gefühlsmäßig erfolgt und daß theoretische Einsichten in die dabei unbewußt maßgebenden Umstände nicht leicht zu gewinnen sind. Insbesondere ist nicht nach dem Nutzen (dem Gebrauchswert der Sache), sondern nach dem Austauschwert zu schätzen. Die Schätzung enthält also ein vermutungsweises Urteil über wirtschaftliche Vorgänge. Nur nach der Erfahrung des Verkehrs kann man beurteilen, ob man für eine Sache bei einem Verkauf so viel erhalten könnte oder beim Ankauf so viel geben müßte. Für die wirkliche Preisbildung sind erfahrungsgemäß außer den objektiven Eigenschaften der Sache auch die Umstände maßgebend, unter welchen sich der Austausch vollzieht, also Ort, Zeit, persönliche Verhältnisse der beteiligten Personen, vor allem aber ob die Sache versilbert oder angeschafft werden soll. Die Schätzung muß unter Bedachtnahme darauf für jeden konkreten Fall besonders vorgenommen werden. Der Wert einer Sache ist also keine objektive Größe; es ist nur möglich, in der Praxis verkehrsüblich ermittelte Durchschnittspreise (Börsen- oder Marktpreise) wie eine Eigenschaft der Sache zu behandeln und als Schätzwert für einen konkreten Fall zu verwenden. Sonst aber kommt es darauf an, wieviel Geld aus der Sache zu bestimmter Zeit unter den vom Eigentümer selbstgewählten Umständen zu erzielen wäre.

Beim Pfandleiher liegen die besonderen vom Eigentümer der Sache selbst gewählten Umstände, unter denen die Schätzung der verpfändeten Sache stattzufinden hat, auf der Hand. Der Verpfänder, der in der Regel außerstande ist, sich auf andere Weise Geld zu verschaffen, erhält auf meist sehr kurze Zeit ein Darlehen und räumt dem Pfandleiher für den Fall der nicht rechtzeitigen Rückzahlung des Darlehens das Recht ein, sich nach Ablauf von sechs Wochen nach dem Verfallstage (§ 290 Abs. 1 GewO Satz 1) durch Verkauf des Pfandes schadlos zu halten. Der Pfandleiher ist berechtigt, die Versteigerung unter Einhaltung der Formvorschriften des § 290 Abs. 1 GewO, insbesondere unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen von der Bekanntmachung der Versteigerung an, nach der Feilbietungsordnung vom 15. Juli 1786, JGS Nr. 565, durch die politische Behörde durchführen zu lassen. Er muß dem Verpfänder nur dann noch etwas ausfolgen, wenn nach Abzug der Pfandschulden samt Zinsen und Nebengebühren sowie der Kosten des Pfandverkaufes ein Überschuß verbleibt (§ 290 Abs. 2 GewO). Es liegt im beiderseitigen Interesse, die Verwertung der verfallenen Pfandsache relativ rasch durchzuführen; es gehört einerseits zum Wesen des Pfandleihergewerbes, sich durch den Verkauf verfallender Faustpfänder schadlos zu halten; der Verpfänder muß andererseits bis zur Durchführung der Versteigerung Zinsen bezahlen und hat auch Anspruch darauf, in angemessener Zeit einen allfälligen Überschuß zu erhalten. Der Schätzwert einer einem Pfandleiher verpfändeten Sache kann sich daher nur nach dem Nutzen richten, den sie unter den genannten besonderen Umständen leistet (§ 305 ABGB), also nach dem Preis der auch unter Bedachtnahme darauf, daß verpfändete Sachen binnen kurzer Zeit und in einem bestimmten Verfahren verkauft werden müssen, erzielbar ist. Der potentielle Käuferkreis muß dabei möglichst groß sein und darf gewiß nicht gewerbsmäßige Käufer, die die Sachen weiterverkaufen wollen, ausschließen. Der Pfandleiher hat insoweit auch die Funktion eines Zwischenhändlers, als er wie dieser die Sache zu veräußern hat und das Risiko, einen Käufer zu finden, auf sich nehmen muß. Der Schätzwert verpfändeter Sachen kann sich daher nicht nach den Wiederbeschaffungskosten eines Geschädigten, sondern nur danach richten, wie die Pfandsache bei Verfall unter den besonderen Bedingungen des Pfandleihgeschäftes mit großer Wahrscheinlichkeit verkauft werden kann. Der Schätzwert muß sich daher nicht am Händlerverkaufs-, sondern am auch noch für einen Händler interessanten Einkaufspreis orientieren. Der Verpfänder ist dadurch nicht benachteiligt, weil er bei Annahme eines Schätzwertes etwa auf Höhe des Händlereinkaufspreises nicht schlechter gestellt ist als beim Weiterverkauf an einen Händler, wozu er zumindest bedingt - für den Fall der Nichtrückzahlung des Darlehens - bereit ist.

Würde man unter dem Begriff Schätzwert den Händlerverkaufspreis verstehen, also den Betrag, den der Händler unter Bedachtnahme auf seine Risken und Kosten sowie unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns kalkuliert, würden dem Verpfänder Werte zugerechnet werden, die in seinem Vermögen ohne kaufmännische Bemühung (vgl. SZ 48/89; Koziol a.a.O., 194) noch gar nicht vorhanden sind und nur durch eigene risikoreiche, oft kostspielige und zeitraubende und in der Regel nicht zum sofortigen Erlangen des dringend benötigten Bargeldes führende Tätigkeit, durch Ausfindigmachen eines privaten Käufers, der bereit ist, den Händlerverkaufspreis zu zahlen, erlangt werden könnten. Wäre die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der immerhin nach einer amtlich geprüften und genehmigten Geschäftsordnung zu ermittelnde Schätzwert einer verpfändeten Sache der Kaufpreis zu sein habe, den ein Kaufmann von seinen Kunden verlangen kann, richtig, wäre die Ausübung des Pfandleihgewerbes bei Geltung einer solchen Geschäftsordnung praktisch unmöglich, was weder der Behörde zu unterstellen noch von einem Pfandgeber als Grundlage seines Vertrages mit dem Pfandleiher angenommen werden kann. Folgte man dem Berufungsgericht, müßte der Pfandleiher bei nicht voller Inanspruchnahme des Darlehens mit zwei Dritteln des Schätzwertes den Betrag, den der Kunde einem Kaufmann in einem allgemeinen Geschäftsfall bezahlen müßte, als Ausrufungspreis und damit als geringstes Gebot einsetzen; und selbst bei voller Inanspruchnahme des Darlehens nicht weit darunter. Ein Interessentenkreis, der bereit wäre, unter diesen Bedingungen an einer Feilbietung teilzunehmen, bei der zudem rasche Entschlüsse erforderlich sind, wäre wohl kaum vorhanden; schon gar wenn man berücksichtigt, daß vom Ersteher noch ein Zuschlag gefordert werden kann. Der Verpfänder hätte aber ohne eigene Bemühung entweder zwei Drittel des Betrages, den ein Kaufmann erzielen könnte, als Darlehen erhalten oder könnte sicher sein, daß bei der Versteigerung zumindest der Betrag hereinkommt, den ein Kaufmann erzielen könnte, noch dazu mit der Chance, bei höherem Feilbietungserlös nach Abzug der Darlehenszinsen, der Nebengebühren und der Feilbietungskosten allenfalls noch einen Überschuß zu erhalten. So kann nach der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) kein Verpfänder den Begriff "Schätzungswert" in der Geschäftsordnung eines Pfandleihers verstehen; und der erfahrene Kläger konnte dies schon gar nicht. Es ist hingegen unbedenklich, bei voller Inanspruchnahme des Darlehens (zwei Drittel des Schätzwertes) die Hinnahme eines unter dem Händlereinkaufspreis liegenden, aber den Betrag des Darlehens samt Zinsen und allen Nebengebühren deckenden Ausrufungspreises als vereinbart anzusehen, weil es wohl gerade zum Wesen des Pfandleihvertrages gehört, daß man für bares Geld, das man sonst nicht oder nur sehr schwer erhält, den Verlust des Eigentums der Sache unter der Voraussetzung, daß dann jedenfalls keine weiteren Verpflichtungen des Darlehensnehmers verbleiben, in Kauf nimmt; es verbleibt immerhin noch, anders als beim Verkauf an einen Händler, die Chance, bei einem hohen Meistbot den Überschuß zu erhalten. Ein den Ausrufungspreis nicht übersteigendes Meistbot wird ohnehin nur bei schwer verkäuflichen Sachen erzielt werden, für die Bargeld erhalten zu haben für den Verpfänder dennoch interessant und damit Vertragswille gewesen sein muß. Für den Standpunkt des Berufungsgerichtes ist auch damit nichts zu gewinnen, daß der dem Verpfänder bekanntgegebene Schätzwert für die Versicherung maßgebend ist.

Der Verpfänder ist unter der Voraussetzung, daß er das Darlehen nicht zurückbezahlt, mit dem Verkauf der Sache einverstanden. Ihm kann es daher genügen, nicht auf den Wiederbeschaffungswert, sondern mit jenem Betrag versichert zu sein, den er selbst bei Verkauf der Sache auf dem Markt, also in der Regel bei einem Wiederverkäufer, erzielen könnte. Eine solche Versicherungssumme wiederum genügt auch dem Pfandleiher zur Sicherstellung der Wiedererlangung der Darlehenssumme und der mit der Gewährung verbundenen Kosten.

Daß unter dem Begriff Schätzungspreis etwa der Händlereinkaufs- und nicht der Händlerverkaufspreis zu verstehen ist, ist auch aus § 6 der Geschäftsordnung der beklagten Partei, die Grundlage des Vertrages mit dem Kläger war, zu erschließen. Danach gilt als Schätzwert bei Gegenständen, welche einen Börsen- oder Marktpreis haben, dieser Preis. Der Börsenpreis ist nichts anderes als eine Unterart des Marktpreises (Düringer - Hachenburg - Hoeniger, HGB[3] V/1, 18; Schlegelberger - Hefermehl[4] III, 2044 Anm. 25; Würdinger - Röhricht in Großkomm. HGB[3] IV, 34 f. Anm. 55). Der Marktpreis, den das ABGB im § 1058 und das BGB im § 453 erwähnt, ist aber der Durchschnittspreis, der sich unabhängig von besonderen zufälligen Umständen der Preisbildung aus der Vergleichung einer großen Anzahl an diesem Ort zur maßgebenden Zeit geschlossener Kaufverträge über Waren der betreffenden Beschaffenheit ergibt (Putzo in Palandt[40], 445; Mezger in BGB-RGRK[12] II/2, § 453; Schlegelberger - Hefermehl[5] VI, 182 f. Anm. 14) und für den Kleinhandel nicht in Betracht kommt (Mezger a.a.O.; Ostler in Staudinger[11] II/2, 215 § 453 BGB Anm. 2; HS 1894/79; Bettelheim in Klang[1] II/2, 980).

Besteht kein eigentlicher Marktpreis, so ist der Preis maßgebend zu dem im entscheidenden Zeitpunkt im redlichen Verkehr vertragsmäßig Waren öffentlich zu bekommen oder zu verkaufen sind (Würdinger - Röhricht a.a.O., 204 Anm. 372), beim Pfandleiher also letzteres. Wenn vertragsgemäß an Stelle der Schätzung der Börsen- oder Marktpreise, also der unter Kaufleuten für deren Austauschstufe maßgebliche Preis, zu gelten hat, kann nichts grundsätzlich anderes gelten wenn sich für eine Pfandsache kein Börsen- oder Marktpreis gebildet hat oder bilden konnte und daher anderweitig der Wert der Sache durch Schätzung zu ermitteln ist.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen betrug der Händlereinkaufspreis zum Zeitpunkt der Verpfändung 14 800 S. Obwohl die beklagte Partei entgegen der Bestimmung des § 6 ihrer Geschäftsordnung, möglicherweise weil der Kläger Fachmann war, keine Schätzung vornahm, erreichte das Darlehen damit dennoch zwei Drittel des nach der Geschäftsordnung dem Schätzwert gleichgesetzten Versicherungswertes, so daß die beklagte Partei vertragsgemäß berechtigt war, die Pfänder zum Betrag des Darlehens samt Zinsen und Nebengebühren auszurufen. Daß die beklagte Partei die formellen Voraussetzungen für die Durchführung der Veräußerung einhielt, wird vom Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen. Hat sich die beklagte Partei bei Festsetzung des Ausrufungswertes aber an die vertraglichen Vereinbarungen gehalten, fehlt es an der Grundlage für einen Schadenersatzanspruch des Klägers.

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