OGH 2Ob592/85

OGH2Ob592/852.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A Österreichische Gasglühlicht- und Elektrizitätsgesellschaft m.b.H., 1230 Wien, Forchheimergasse 7, vertreten durch Dr. Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B Heizungs-und Klimaanlagenbau, Ing.Norbert C Ges.m.b.H.& Co.KG, 1090 Wien, Augasse 9, vertreten durch Dr. Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 300.504,33 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10.Mai 1985, GZ. 13 Nc 1/85-2, womit der Antrag der beklagten Partei auf Ablehnung des Richters des Oberlandesgerichtes Dr. Erich D,zurückgewiesen wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei lehnte in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 25.4.1985 den beisitzenden Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Erich D mit der Begründung ab, dieser habe in vorangegangenen, zwischen den Streitteilen anhängigen Rechtsstreitigkeiten als Referent an Entscheidungen mitgewirkt, in denen die entscheidende Rechtsfrage, ob die von der klagenden Partei im Oppositionsprozeß eingewendete Gegenforderung für sie selbst oder für deren persönlich haftende Gesellschafterin geltend gemacht wurde, völlig entgegengesetzt gelöst worden sei. Unter diesen Umständen erscheine der beklagten Partei die Mitwirkung des genannten Richters an der Entscheidungsfindung im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zumutbar.

Das Oberlandesgericht wies den Ablehnungsantrag zurück. Es bezog sich auf die Judikatur, wonach das Wesen der Befangenheit in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive liege, und hielt der beklagten Partei entgegen, sie habe selbst gar nicht behauptet, daß die Besorgnis bestehe, Dr. D habe sich in den vorangegangenen Entscheidungen von unsachlichen Motiven beeinflußen lassen und dies könne daher auch bei der vorliegenden Entscheidung der Fall sein. Allein aus den von ihm mit sachlichen Argumenten vertretenen Rechtsansichten lasse sich aber keine Befangenheit ableiten.

Rechtliche Beurteilung

In dem gegen den vorgenannten Zurückweisungsbeschluß gerichteten rechtzeitigen und zulässigen Rekurs (§ 19 Abs.2 JN; SZ 42/147; SZ 43/104; 1 Ob 622/80 ua) wird vorgebracht, nach der Entscheidung 7 Ob 523/84 genüge für die Annahme einer Befangenheit die Besorgnis, 'eine dezidiert festgehaltene Ansicht werde weiter beibehalten werden'. Diese Voraussetzung liege hier vor, weil Dr.D an den vorangegangenen, widersprechende Rechtsansichten enthaltenden Entscheidungen jeweils als Referent des Berufungsverfahrens mitgewirkt habe, sodaß anzunehmen sei, er habe sein Votum für die jeweilige Entscheidung abgegeben. In diesem Falle habe er aber seine Rechtsansicht zweimal geändert und bestehe somit die begründete Besorgnis, daß er seine zuletzt vertretene Ansicht 'neuerlich in das Verfahren einbringen wird, sodaß seine unparteiische Entschließung aus nicht sachgerechten psychologischen Motiven zu besorgen' sei. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach der Rechtsprechung liegt Befangenheit vor, wenn die Fähigkeit zu einer sachlichen, unparteiischen Beurteilung fehlt oder irgendwie behindert ist oder eine solche Behinderung mit Grund befürchtet werden muß (JBl.1968, 94; 8 Ob 546/82, 7 Ob 523/84). Daß ein Richter an einer Rechtsauffassung, die er in einer früheren Entscheidung vertreten hat - vermutlich - festhalten werde, stellt allein regelmäßig noch keinen Befangenheitsgrund dar (vgl.VwGHSlg.A 6772; 1 Ob 791/76). Wegen einer falschen Rechtsansicht kann eine Entscheidung unrichtig sein, ohne daß deswegen aber schon eine unsachliche Entscheidung vorliegt. Eine solche unrichtige Entscheidung kann nur im Rechtsmittelweg bekämpft werden, womit bezweckt wird, die gefällte Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, während das Ablehnungsverfahren darauf abzielt, den abgelehnten Richter aus dem Verfahren überhaupt auszuschlaten (JBl.1965, 92; 6 Ob 286/59 u.a.). Vorliegendenfalls wurde von der beklagten Partei kein Grund dafür genannt, daß die Besorgnis bestehe, der Richter des Oberlandesgerichtes Dr. D könne sich bei seinem Votum von unsachlichen Motiven beeinflussen lassen, sondern lediglich behauptet, daß er möglicherweise an einer für die beklagte Partei ungünstigen und nach ihrer Meinung unrichtigen Rechtsauffassung festhalten werde. Allein wegen einer von ihm allenfalls vertretenen falschen Rechtsansicht wäre aber im Sinne der vorstehenden Ausführungen grundsätzlich keine Befangenheit gegeben, weil entgegen der Auffassung der beklagten Partei hierin eben keine unsachliche, parteiische Entschließung zum Ausdruck kommt. Die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht ist vorliegendenfalls auch der Überprüfung im Rechtsmittelwege zugänglich.

Aus der von der Rekurswerberin zitierten Entscheidung 7 Ob 523/84 ist schließlich ebenfalls nichts für ihren Standpunkt zu gewinnen. In dem dort zugrundeliegenden Fall handelte es sich nicht um die Befürchtung, das Gericht könnte an einer bestimmten Rechtsansicht festhalten, sondern darum, daß das Gericht seine schon vor der vorzunehmenden Beweiswiederholung erklärte Ansicht über die Unrichtigkeit der erstrichterlichen Beweiswürdigung unabhängig von den künftigen Ergebnissen der Beweiswiederholung beibehalten könnte. Dem ungerechtfertigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte