OGH 7Ob598/82

OGH7Ob598/827.7.1983

SZ 56/119

Normen

GmbHG §76
GmbHG §76

 

Spruch:

Der Erwerber von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mbH kann sich nach beiderseitiger Erfüllung des Rechtsgeschäftes nicht mehr auf das Fehlen der Formvorschrift der Errichtung eines Notariatsaktes berufen

OGH 7. 7. 1983, 7 Ob 598/82 (LG Innsbruck 3 R 781/81; BG Kufstein 4 C 1125/78)

Text

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der teils von ihm und teils von seinen Bürgen bezahlten Teile der Kaufpreise für Gesellschaftsanteile an der D Gesellschaft mbH (im folgenden kurz: GmbH) und der D Gesellschaft mbH & Co. KG (im folgenden kurz: KG) sowie für Forderungen der beklagten Partei und L-W Gesellschaft mbH & Co. KG (im folgenden kurz: L-W) gegen die KG in der Höhe von 1 312 673.20 S sA ua. mit der Begründung, daß alle Kaufverträge unwirksam seien, weil sie eine Einheit bildeten und der Kauf der Geschäftsanteile der GmbH nicht in Notariatsaktform erfolgte und diese Geschäftsanteile bis heute nicht übertragen worden seien.

Die beklagte Partei wendete ua. ein, daß die Kaufverträge eine untrennbare Einheit mit einem Darlehensvertrag gebildet hätten, den der Kläger zur Finanzierung des Ankaufes der Geschäftsanteile und der Forderungen mit der L-W geschlossen habe. Erst nach der bisher nicht erfolgten vollständigen Rückzahlung dieses Darlehens sollten die Geschäftsanteile übertragen werden. Diese Übertragung sei aber jetzt infolge der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der beiden Gesellschaften, deren Anteile der Kläger gekauft habe, gegenstandslos. Der Kläger könne seine Zahlungen auch deshalb nicht zurückfordern, weil er nicht nur mit einer Übertragung der Gesellschaftsanteile erst nach vollständiger Bezahlung des eingeräumten Darlehens einverstanden gewesen sei, sondern auch alle Rechte iS der abgeschlossenen Vereinbarungen im Innenverhältnis bereits voll konsumiert und auch gegenüber dem Minderheitsgesellschafter Dietmar F von seinen Mehrheitsrechten an der Gesellschaft Gebrauch gemacht habe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Nach seinen wesentlichen Feststellungen standen die beklagte Partei und die L-W in enger Verbindung, die sich in der Identität von Büroräumlichkeiten und Personal und teilweise auch der Geschäftsführer dokumentierte. Am 9. 9. 1975 schlossen einerseits die Streitteile einen Kaufvertrag über Nominale 50 000 S Gesellschaftsanteile der GmbH und Nominale 301 000 S an der KG um den Preis von 31 360 S und 377 574.40 S, zusammen 408 934.40 S sowie über eine Forderung der beklagten Partei gegen die KG um den Kaufpreis von 935 338.80 S, und andererseits die L-W und der Kläger einen weiteren Kaufvertrag über eine Mietzinsforderung zum Preis von 526 288.83 S. Die Zahlung aller Kaufpreise erfolgte durch Verrechnung mit einem vom Kläger bei der L-W aufgenommenen Darlehen, das am selben Tag durch Annahme des Darlehenseinräumungsangebotes in der Höhe von 1 870 562.03 S zustande kam. Nach dem Willen der Vertragsteile sollte die Übertragung der Gesellschaftsanteile der beklagten Partei an den beiden Gesellschaften erst nach Rückzahlung des Gesamtdarlehens an die L-W erfolgen. Diese Firma überwies am 26. 9. 1975 die Kaufpreise von 408 934.40 S und 935 338.80 S an die beklagte Partei. Nach Abschluß der Kaufverträge wurde der Mitgesellschafter Dietmar F vom Kläger darüber informiert, daß dieser die Gesellschaftsanteile und die Forderungen der beklagten Partei erworben habe. Der Kläger nahm auch Einfluß auf die Geschäftsgebarung des Unternehmens in L, wobei es schließlich zu Unzulänglichkeiten beim Verkauf von Sicherungswechseln durch den Kläger kam. Dieser bezahlte an die L-W vor dem 23. 12. 1975 mittels Scheck 150 000 S. Vereinbarungsgemäß wurde dann ein Wechselprolongat ausgestellt, das Renate und Paul L sowie Marianne und Alfons K als Bürgen unterfertigten. Bis zur Fälligkeit des Prolongierungswechsels wurden lediglich 90 000 S bezahlt, sodaß es zur Wechselklage kam. Gegen Alfons und Marianne K wurde der Wechselzahlungsauftrag in der Hauptsache über 1 088 917.07 S mit Teilanerkenntnisurteil aufrechterhalten, während mit dem Kläger und den übrigen Bürgen auf Grund außergerichtlicher Vergleiche Ruhen des Verfahrens vereinbart wurde. Der Kläger selbst hat auf den Darlehensbetrag an die L-W insgesamt 590 000 S bezahlt, der Bürge Paul L 300 000 S und die Eheleute K zusammen 514 810.89 S. Auf das gesamte Darlehen bei der L-W waren am 1. Oktober 1978 noch 1 025 233.54 S offen; nach diesem Zeitpunkt ist keine Zahlung mehr erfolgt. Am 8. 2. 1977 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet. Eine Aufforderung des Klägers an die beklagte Partei, die Geschäftsanteile zu übertragen, und eine Nachfristsetzung hiefür bei sonstiger Auflösungserklärung ist (bis zur Klage) nicht erfolgt.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sei die beklagte Partei zur Übertragung der Geschäftsanteile noch nicht verpflichtet, weil das Gesamtdarlehen noch nicht vom Kläger bezahlt wurde. Der Kläger könne überdies die von den Bürgen bezahlten Beträge nicht fordern, weil nicht einmal eine Abtretung zum Inkasso behauptet worden sei; die behauptete Zustimmung der Bürgen beziehe sich nach dem Vorbringen des Klägers bloß auf eine Verrechnung mit der L-W. Die Bürgen hätten überdies ihre Zahlungen auf Grund einer Wechselbürgschaft geleistet, zu deren Inanspruchnahme die L-W berechtigt gewesen sei. Geschäftsanteile einer GesmbH könnten allerdings nach § 76 GmbHG grundsätzlich mittels Rechtsgeschäftes unter Lebenden nur mit Notariatsakt übertragen werden. Die Vereinbarung zwischen den Parteien sei aber nicht einmal als Vorvertrag zu einem solchen Rechtsgeschäft anzusehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das Ersturteil in einen Teilzuspruch des Betrages von 31 600 S samt Nebengbühren ab, weil der um diesen Preis (richtig nur um 31 360 S) erfolgte Kauf der Geschäftsanteile an der GmbH mangels der vorgeschriebenen Notariatsaktform unwirksam sei. Im übrigen bestätigte die zweite Instanz das Ersturteil. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und vertrat die Rechtsansicht, daß die Nichtigkeit des Kaufvertrages betreffend den Verkauf der Geschäftsanteile an der GmbH das weitere Klagebegehren nicht rechtfertige, weil die beiden anderen Kaufverträge mit getrennten Urkunden geschlossen wurden und keine Einheit in dem vom Kläger gewünschten Sinne darstellten, da in keinem der Verträge eine wechselseitige Abhängigkeit vom Bestand oder Nichtbestand des anderen Vertrages festgelegt wurde. Die weiteren Verträge seien demnach aufrecht geblieben und der Kläger sei aus den vom Erstgericht genannten Gründen nicht zur Rückforderung der geleisteten Kaufpreise berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei hat den abändernden Teil des Berufungsurteiles unbekämpft in Rechtskraft erwachsen lassen. Ebenso blieb die Teilabweisung von 60 536.80 S betreffend jenen Teil der insgesamt geleisteten Zahlungen, der über die Kaufpreisrestforderungen der beklagten Partei hinausging (und auf die L-W entfiel), seitens des Klägers unbekämpft.

Auszugehen ist davon, daß für die neben der Übertragung der Geschäftsanteile der GmbH geschlossenen Verträge eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben war. Auch der Formzweck des § 76 GmbHG (siehe unten) schließt die Gültigkeit der gleichzeitig über andere Sachen, nämlich die Geschäftsanteile der KG und die Forderungen, geschlossenen Kaufverträge naturgemäß nicht aus. Damit hat, bei den hier nebeneinander geschlossenen Verträgen umso mehr wie bei einem einzigen Vertrag, grundsätzlich die Regel des § 878 Satz 2 ABGB zu gelten, wonach bei gleichzeitiger Vereinbarung von Möglichem und Unmöglichem, aber auch, wie hier, Formrichtigem und Formmangelhaftem (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rdz. 4 zu § 878), der Vertrag in ersterem Teil gültig bleibt, wenn nicht aus ihm hervorgeht, daß kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne. Im vorliegenden Fall sind die mehreren Verträge ihrem Inhalt nach voneinander trennbar, und keiner von ihnen enthält eine ausdrückliche Bestimmung darüber, daß er für den Fall der Ungültigkeit eines der gleichzeitig geschlossenen anderen Verträge ebenfalls ungültig sein solle. Letzteres liegt hier auch, ungeachtet des wohl zu vermutenden Zweckes, dem Kläger die volle Rechtsstellung in beiden Firmen so, wie sie die beklagte Partei hatte, zu verschaffen, nicht auf der Hand, weil diese Rechtsstellung nicht auch die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH umfaßte und andererseits die Mehrheit der Kommanditanteile übertragen wurde. Zu prüfen bliebe nur allenfalls ein nicht ausdrücklich behaupteter Wegfall der sogenannten Geschäftsgrundlage für die weiteren Kaufverträge iS eines wirklichen oder hypothetischen Willens der Parteien, im Fall der Teilungültigkeit (des Kaufvertrages über die GmbH-Anteile) auch die Restverträge nicht aufrechtzuerhalten (vgl. Rummel aaO und Rdz. 15 zu § 886). Dazu ist später Stellung zu nehmen. Die Übertragung der Geschäftsanteile an beiden Gesellschaften sollte im übrigen vereinbarungsgemäß erst nach der Rückzahlung des Darlehens erfolgen. Mangels einer solchen Rückzahlung wäre dieser Anspruch bis heute nicht fällig, sodaß auch die in der Klage ausgesprochene Rücktrittserklärung unter Nachfristsetzung ins Leere ging. Es kann deshalb unerörtert bleiben, ob die vom Kläger geforderte Übertragung der Geschäftsanteile der KG nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen beider Firmen (und der Liquidierung ihrer Vermögen?) noch möglich wäre. Eine Unmöglichkeit dieser Art fiele selbst nach dem Eintritt der Bedingung, nämlich der Rückzahlung des Darlehens, dem Kläger zur Last. Dabei ist es gleichgültig, ob die L-W Vertragspartner auch des Kaufgeschäftes war, weil die Streitteile in dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag die Fälligkeit des Übertragungsanspruches des Klägers ohne weiteres auch von einer Bedingung abhängig machen konnten, die im Verhältnis zu einem Dritten zu erfüllen war.

Den Anspruch auf Rückzahlung des für die gekaufte Forderung der Beklagten bezahlten weiteren Betrages will die Revision darauf stützen, daß alle Verträge eine Einheit bildeten, sodaß das vom Berufungsgericht anerkannte Recht zur Rückforderung des Kaufpreises für die Geschäftsanteile an der GmbH auch die Rückforderung der weiteren Zahlungen rechtfertigte. Diese Frage ist nach dem oben Gesagten auch auf den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für die Geschäftsanteile der KG zu erstrecken.

Wie schon dargelegt wurde, hat die Verletzung der Formvorschrift für einen Vertrag nicht zwingend die Unwirksamkeit weiterer gleichzeitig geschlossener Verträge zur Folge. Selbst wenn alle Verträge eine "Einheit" gebildet hätten, käme als Rechtsgrund der Rückforderung der auf die formgültigen Verträge geleisteten Zahlungen nur der Nachweis in Betracht, daß nach dem übereinstimmenden (wirklichen oder hypothetischen) Parteiwillen kein Vertrag ohne den anderen bestehen sollte. In diesem Sinn liegt aber nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes weder eine Außerstreitstellung der beklagten Partei noch eine Feststellung des Erstrichters vor. Die Revisionsgegnerin hat wohl auch auf eine "Einheit" der Verträge hingewiesen, aber iS eines Zusammenhanges zwischen den Kaufverträgen und dem Darlehensvertrag, sodaß die Fälligkeit des Anspruches auf Übertragung der Geschäftsanteile erst nach der Rückzahlung des Darlehens eintreten sollte. Dieses Vorbringen deckt sich also nicht mit der Behauptung des Revisionswerbers, daß die Kaufverträge untereinander eine Einheit bildeten. Allerdings ist die Möglichkeit, daß diese Kaufverträge nur als Einheit oder gar nicht aufrechtbleiben sollten, ungeprüft geblieben. Aber selbst wenn im Vorbringen des Klägers auch eine solche Behauptung erblickt würde, käme ihr aus rechtlichen Gründen keine entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall müßte nämlich berücksichtigt werden, daß schon das Beharren auf der Einhaltung der Form des Notariatsaktes für die Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH gegen die guten Sitten verstieß, wenn das formbedürftige Geschäft inzwischen tatsächlich erfüllt war, wenn also der sich auf die Formverletzung Berufende die Vorteile des Geschäftes genossen hat und sich nur die Gegenleistung ersparen will (Gschnitzer in Klang[2], IV/1 255). Auch der Normzweck der Formvorschrift des § 76 Abs. 2 GmbHG, nämlich die Immobilisierung der Geschäftsanteile, die nicht zu einem Gegenstand des Handels, insbesondere des Börsenverkehrs, werden sollen (SZ 26/143), wird nach der tatsächlichen Durchführung des Verpflichtungsgeschäftes nicht mehr gefährdet (HS 7504; ebenso BGHZ 35, 272, 277 ff.; vgl. auch JBl. 1962, 503 und SZ 49/23). Dieser Fall liegt hier infolge der Zahlung des Kaufpreises einerseits und der Einräumung der Gesellschafterstellung an den Kläger andererseits und deren Ausübung durch rund ein Jahr bis zum Konkurs der GmbH vor. Die beklagte Partei hat eine entsprechende Einwendung auch nicht weniger deutlich erhoben als der Kläger eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es genügte, daß die beklagte Partei Umstände geltend machte, die die Sittenwidrigkeit ihres Begehrens begrunden konnten (RZ 1965, 46; GesRZ 1978, 131), wie hier durch das Vorbringen, der Kläger könne die Forderung auch deshalb nicht geltend machen, weil er alle Rechte iS der abgeschlossenen Vereinbarungen im Innenverhältnis bereits voll konsumiert habe. Der Berücksichtigung dieser Rechtslage steht auch nicht entgegen, daß dem Klagebegehren im Umfang des Kaufpreises für die Anteile an der GmbH inzwischen rechtskräftig stattgegeben wurde. Die Bindungswirkung jener Entscheidung geht nämlich über das erledigte Zahlungsbegehren nicht hinaus.

Bei der dargestellten Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf weitere Rechtsfragen, wie auf die Aktivlegitimation des Klägers im Umfang der durch seine Bürgen bewirkten Zahlungen und auf die Bedeutung des Umstandes, daß die meisten strittigen Zahlungen auf Grund Anerkenntnisses oder Vergleiches erfolgten.

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