OGH 4Ob600/81

OGH4Ob600/812.3.1982

SZ 55/26

Normen

EheG §83
EheG §95
ZPO §190
EheG §83
EheG §95
ZPO §190

 

Spruch:

Die Ursachen der Eheauflösung können im Einzelfall für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse von Bedeutung sein

Die Jahresfrist des § 95 EheG beginnt mit der Rechtskraft eines über die Scheidung der Ehe ergehenden Teilurteils.

Sollte die noch offene Verschuldensfrage im Aufteilungsverfahren (§§ 81 ff. EheG) eine Rolle spielen, dann kann der Außerstreitrichter, wenn er diese Frage nicht selbst beurteilen und seiner Entscheidung zugrunde legen will, das Endurteil im Scheidungsstreit abwarten

OGH 2. März 1982, 4 Ob 600/81 (LGZ Wien 43 R 2050/81; BG Fünfhaus 2 F 2/81).

Text

Die Ehe der Parteien wurde mit rechtskräftigem Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5. 3. 1980 geschieden; über die Verschuldensfrage sowie über ein Unterhaltsbegehren der Ehegattin wurde noch nicht gesprochen. Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Gründe des § 49 EheG und wirft dem Beklagten vor, sie mißhandelt und verletzt zu haben. Der Beklagte beantragte Klageabweisung und für den Fall der Scheidung die Feststellung des überwiegenden Verschuldens der Klägerin; sie habe ihn böswillig verlassen, die ehelichen Pflichten verweigert und den Haushalt vernachlässigt.

Die Antragstellerin beantragte am 16. 1. 1981 die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse iS der §§ 81 ff. EheG.

Der Antragsgegner beantragte die Unterbrechung des Verfahrens unter Hinweis darauf, daß über das Verschulden an der Zerrüttung und über das Unterhaltsbegehren der Ehegattin noch nicht entschieden worden sei.

Das Erstgericht wies sowohl den Sachantrag (Punkt 1 seiner Entscheidung) der Antragstellerin als auch den Unterbrechungsantrag Punkt 2) des Antragsgegners zurück. Eine Verfahrensunterbrechung sei im außerstreitigen Verfahren nicht zulässig; die Anwendung der Verteilungsgrundsätze des § 83 EheG setze voraus, daß mit dem rechtskräftigen Ehescheidungsurteil auch über das Verschulden sowie über das Unterhaltsbegehren entschieden worden sei.

Das Rekursgericht hob den hinsichtlich des Punktes 2 unangefochten gebliebenen Beschluß des Erstgerichtes auf, trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf und erklärte den Rekurs an den OGH für zulässig. Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sei gemäß § 83 EheG nach Billigkeit vorzunehmen. Unter den hiebei anzuwendenden Kriterien seien im Gegensatz zu den Aufteilungsgrundsätzen des (nicht mehr anzuwendenden) § 2 der 6. DVEhegG die Ursachen der Eheauflösung im Gesetz nicht mehr aufgezählt. Daraus sei zu folgern, daß es auf diese Ursachen nicht mehr ankomme oder der Gesetzgeber im allgemeinen diesen Ursachen eine entscheidende Bedeutung nicht mehr beimesse. Dazu komme, daß der Aufteilungsanspruch innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles geltend zu machen sei. Die Auffassung des Erstgerichtes widerspreche dem Sinn des Gesetzes, weil den Parteien doch nicht das Eingehen einer neuen Ehe gestattet, eine Antragstellung auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens aber verwehrt sein könne. Der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens stehe im gegenständlichen Fall aber auch der Umstand nicht entgegen, daß über das Unterhaltsbegehren der Antragstellerin noch nicht entschieden worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 81 EheG idF des EheRÄndG 1978, BGBl. 280, sind das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse im Falle der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe unter die Ehegatten aufzuteilen. Die Aufteilung ist, wie in § 83 Abs. 1 EheG angeordnet wird, nach Billigkeit vorzunehmen. Dabei ist besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse sowie auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen, weiters auf Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen, soweit sie nicht ohnedies nach § 81 EheG in Anschlag zu bringen sind. Gemäß § 81 Abs. 2 EheG sind auch die Leistung des Unterhalts, die Mitwirkung im Erwerb, soweit sie nicht anders abgegolten worden ist, die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder und jeder sonstige eheliche Beistand als Beitrag zu werten. Die Aufteilung soll so vorgenommen werden, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig wenig berühren (§ 84 EheG).

Ob bei der Aufteilung auch die Ursachen der Eheauflösung, insbesondere ein Verschulden der Ehegatten, zu berücksichtigen sind, kann weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dem Bericht des Justizausschusses (916 BlgNR, XIV. GP) entnommen werden. Im Gegensatz zu den Aufteilungsgrundsätzen des § 2 der 6. DVEheG, wonach vom Richter auch die Ursachen der Eheauflösung zu berücksichtigen waren, wird dieser Umstand in der beispielsweisen Erläuterung der Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG nicht mehr erwähnt. Dies bedeutet für sich allein aber noch nicht, daß die Ursachen der Eheauflösung für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse jegliche Bedeutung verloren hätten, weil die auf die Billigkeit abgestellte Generalklausel des § 83 Abs. 1 Satz 1 EheG, die demonstrative Aufzählung des zweiten Satzes (Ent - Hopf, Das neue Eherecht 105) und das Fehlen des Verbotes einer Berücksichtigung der Auflösungsursachen eine solche Bedachtnahme jedenfalls nicht ausschließen. Diese im Verhältnis zur alten Rechtslage geänderten Umstände lassen lediglich erkennen, daß der Gesetzgeber den Ursachen der Eheauflösung nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher beimißt und insbesondere die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nicht zu einem Instrument der Belohnung oder Bestrafung für ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten machen wollte (EvBl. 1981/49; in dieser Entscheidung wurde aber die Frage, ob die Ursache der Eheauflösung bei der Aufteilung überhaupt zu berücksichtigen sei, ausdrücklich offen gelassen).

Diese Regelung schließt somit nicht aus, daß den Ursachen der Auflösung der Ehe im Einzelfall nicht doch Bedeutung zukommen kann. Hat etwa der an der Auflösung der Ehe schuldige Teil den unschuldigen Teil gegen dessen Willen zu einer völligen Umstellung der Lebensverhältnisse genötigt, dann wird eine gewisse Berücksichtigung dieses Umstandes durchaus dem Grundsatz der Billigkeit entsprechen. Das gleiche gilt etwa in bezug auf die Einräumung gewisser Optionsmöglichkeiten an den unschuldigen Teil hinsichtlich jener Gegenstände, die er zu behalten oder zu erhalten wünscht (Schwind, Eherecht[2] 321). Schließlich kann eine nach den Grundsätzen des § 84 EheG erfolgende Aufteilung im Einzelfall ebenfalls von den Ursachen der Eheauflösung abhängen.

Diese Überlegungen zeigen, daß für die Entscheidung über einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens entgegen der Meinung des Rekursgerichtes auch die Ursachen der Eheauflösung von Bedeutung sein können. Diese potentielle Bedeutung hat jedoch nicht etwa zur Folge, daß im Falle eines über die Ehescheidung gefällten Teilurteils der vorerwähnte Antrag erst nach Eintritt der Rechtskraft des über die Verschuldensfrage (später) ergehenden Endurteils gestellt werden könnte. Gegen eine derartige Auffassung spricht zunächst schon der Umstand, daß die Scheidung (Aufhebung oder Nichtigerklärung) der Ehe Voraussetzung für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens ist (§ 81 Abs. 1 EheG) und der Aufteilungsanspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung (Aufhebung oder Nichtigerklärung) der Ehe gerichtlich geltend gemacht wird (§ 95 EheG). Wollte man der Auffassung des Erstgerichtes zustimmen, dann könnte die Aufteilung unter Umständen längere Zeit hindurch nicht vorgenommen werden, obwohl für eine möglichst bald nach dem Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils vorgenommene Aufteilung im allgemeinen das gleiche dringende Bedürfnis besteht wie nach Eintritt der Rechtskraft eines den Verschuldensausspruch enthaltenden Scheidungsurteils. Wenn einer der geschiedenen Ehegatten während des über das Verschulden anhängigen Verfahrens stirbt, könnte der (noch nicht entstandene) Aufteilungsanspruch nicht auf die Erben übergehen (§ 96 EheG). Die Jahresfrist des § 95 EheG wird daher mit dem Eintritt der Rechtskraft des über die Scheidung ergehenden Teilurteils in Lauf gesetzt, und die geschiedenen Ehegatten sind berechtigt, innerhalb (und nur innerhalb) dieser Frist den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu stellen. Sollte in dem vor dem Außerstreitrichter durchzuführenden Verfahren die Frage des Verschuldens für die Aufteilung auf Grund des Vorbringens der Parteien von Bedeutung sein, dann wird der Außerstreitrichter, falls er nicht nach den Umständen des Einzelfalles die Ursachen der Eheauflösung selbst beurteilen und seiner Entscheidung zugrunde legen kann, den Ausgang des über das Verschulden noch anhängigen Rechtsstreites abzuwarten haben. Wenn auch eine Unterbrechung des Verfahrens im Sinne der Zivilprozeßordnung dem Außerstreitgesetz fremd ist und ein Innehalten iS des § 127 Abs. 1 AußStrG nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen zulässig ist, so ist es dem Außerstreitrichter doch nicht verwehrt, den Ausgang eines solchen anhängigen Rechtsstreites ohne förmliche Unterbrechung (Innehalten) im wohlverstandenen Interesse der Parteien abzuwarten (EvBl. 1973/52; RZ 1968, 109; MietSlg. 18 713; EvBl. 1957/139).

Im vorliegenden Fall hat sich zwar der Antragsgegner ausdrücklich auf die Präjudizialität der Verschuldensfrage für die Aufteilung berufen, ohne aber dazu ein konkretes Vorbringen erstattet zu haben. Das Erstgericht wird daher diese Frage mit den Parteien zu erörtern und dann, falls die Ursachen der Eheauflösung für die gegenständliche Entscheidung auf Grund des Parteienvorbringens von Bedeutung sein können, iS der obigen Ausführungen vorzugehen haben. Der Umstand, daß über das Unterhaltsbegehren der Antragstellerin noch nicht entschieden wurde, steht einer Entscheidung über das eheliche Gebrauchsvermögen nicht entgegen.

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