OGH 1Ob630/81

OGH1Ob630/8115.7.1981

SZ 54/112

Normen

ABGB §869
ABGB §914
ABGB §1054
AZG §3 Abs1
ABGB §869
ABGB §914
ABGB §1054
AZG §3 Abs1

 

Spruch:

Sind gemäß einem Vertrag neben einem Geldpreis als Hauptleistung auch Arbeitsschichten zu verrichten, ist mangels anderer Konkretisierung unter einer Arbeitsschicht nach der geltenden Arbeitszeitordnung eine Arbeitsleistung von acht Stunden zu verstehen und damit die Leistung hinreichend bestimmt (bestimmbar)

OGH 15. Juli 1981, 1 Ob 630/81 (OLG Innsbruck 2 R 32/81; LG Innsbruck 8 Cg 84/79)

Text

Die Beklagte ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 13 II KG G, zu deren Gutbestand u. a. die Grundstücke 428 und 431/1 gehören. Die Kläger erfuhren im Sommer 1978, daß die Beklagte ein Baugrundstück verkaufen wolle. Sie traten mit ihr in Vertragsverhandlungen. Im Spätsommer oder Herbst 1978 vereinbarten die Streitteile, daß die Kläger ein erst zu vermessenes Grundstück in der Größe von 500 m2 erhalten sollten. Als Kaufpreis war ein Betrag von 150 S pro Quadratmeter vereinbart; weiters sollte der Erstkläger im Frühjahr 1979 20 Arbeitsschichten am reparaturbedürftigen Haus der Beklagten leisten. Die Kläger leisten eine Anzahlung von 45 000 S. Bei der Vermessung des Grundstückes ergab sich aber eine Fläche von 705 m2. Die Streitteile vereinbarten daraufhin, daß mit Ausnahme einer Fläche von 9 m2 die, weil wertlos, unentgeltlich übergeben werden sollte, für die 500 m2 übersteigende Fläche ein Betrag von 300 S pro Quadratmeter zu bezahlen sei. Als die Beklagte Ende November 1978 in Erfahrung brachte, daß der Erstkläger, der von Beruf Zimmermann ist, keine Maurerarbeiten durchführen dürfe und voraussichtlich auch im Frühjahr 1979 nicht genügend Zeit habe, die 20 Arbeitsschichten zu leisten, schrieb sie den Klägern einen Brief, in dem sie erklärte, daß sie an Arbeitsleistungen nicht mehr interessiert sei und nunmehr einen Preis von 300 S pro m2 verlange. Weiters bat die Beklagte die Kläger darum, sie doch einmal zu besuchen und noch einmal über den Verkauf des Grundstückes zu verhandeln. Diese Besprechung fand im Dezember 1978 statt. Nachdem der Erstkläger die Beklagte nicht überzeugen hatte können, daß er berechtigt sei, die Reparaturarbeiten durchzuführen, und die Beklagte auf Bezahlung von 300 S pro Quadratmeter bestanden hatte, verließ der Erstkläger mit der Bemerkung, er wolle die Anzahlung von 45 000 S zurück, das Haus der Beklagten. Die Zweitklägerin blieb noch im Haus und verlangte, daß die ursprüngliche Vereinbarung eingehalten werde.

Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, in eine bestimmt ausgegebene Kaufvereinbarung über das neugeschaffene Grundstück 431/3 einzuwilligen. Die Streitteile hätten im August 1978 eine mündliche Kaufvereinbarung über das neu zu schaffende Teilgrundstück getroffen. Die Beklagte weigere sich nunmehr, den ihr übersandten Kaufvertrag zu unterfertigen.

Die Beklagte wandte ein, es sei zwar zu Vertragsverhandlungen, nicht aber zum Abschluß eines Kaufvertrages gekommen. Da der Erstkläger zur Ausführung von Maurerarbeiten gewerberechtlich nicht befugt sei, wollte sie von der ursprünglich in Aussicht genommenen Regelung nichts mehr wissen; aus diesem Grund habe sie an die Kläger geschrieben und nunmehr ausschließlich einen Barpreis verlangt. Bei der darauf folgenden Besprechung seien die Vertragsverhandlungen abgebrochen worden. Über die Arbeitsleistungen sei eine Einigung nicht erzielt worden. Die Beklagte wäre auch erst nach Leistung von 20 Arbeitsschichten bereit gewesen, den Kaufvertrag zu unterfertigen. Sie habe auch die sofortige Bezahlung des Kaufpreises begehrt. Da über den Zahlungszeitpunkt keine Einigung erzielt worden sei, sei ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Richtig sei, daß ein Kaufvertrag durch Einigung über Sache und Preis perfekt sei. Werden Nebenabreden erst gar nicht besprochen, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Der Preis müsse aber, wenn schon nicht bestimmt, so doch bestimmbar sein. Der Begriff 20 Arbeitsschichten sei zu ungenau, um von einer Bestimmbarkeit des Kaufpreises sprechen zu können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige. Da der Wert des Geldanteiles jenen der Arbeitsleistungen bei weitem übertreffe, sei gemäß § 1055 ABGB Kaufrecht anzuwenden. Der Entgeltsanteil "20 Arbeitsschichten" sei mangels jeder näheren vertraglichen Konkretisierung, insbesondere der Stundenanzahl der Arbeitsschichten, unbestimmt und auch unbestimmbar. Es sei daher ein gültiger Kaufvertrag zwischen den Streitteilen nicht zustande gekommen. Die Bestimmung des § 1054 ABGB enthalte mehr als eine Auslegungsregel zur Konsensermittlung. Sie stelle Mindestanforderungen für das Verhalten beim Kontrahieren auf, welche die Privatautonomie nicht unerheblich einschränkten. Die Bestimmungsanforderung des § 1054 ABGB habe nicht nur den Sinn, der Konsensermittlung zu dienen; vielmehr scheiterten selbst bei erwiesenem Abschlußwillen der Parteien Kaufverträge an § 1054 ABGB, wenn die Kaufpreisbestimmung unterblieben oder doch, wie im vorliegenden Fall, so wenig weit gediehen sei, daß der insgesamt zu leistende Kaufpreis als zu unbestimmt angesehen werden müsse.

Über Revision der Kläger hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlußwillens erforderlich; eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht (JBl. 1979, 424; JBl 1973, 617 u. a.). Zum Zustandekommen eines Kaufvertrages genügt allerdings grundsätzlich die Einigung über Kaufgegenstand und Kaufpreis (§ 1054 ABGB). Daß Nebenpunkte nicht besprochen wurden, steht der Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrages an sich nicht entgegen; die fehlenden Punkte sind vielmehr aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen. Voraussetzung für die Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrages ist es aber, daß die Nebenpunkte gar nicht erörtert, also nicht zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht wurden (SZ 44/73 u. a.; Mayer - Maly in Klang[2] IV/2, 216). War hingegen eine Vereinbarung über offengebliebene Punkte - auch unwesentliche - vorbehalten, gilt der Vertrag noch nicht als geschlossen und kommt erst zustande, wenn sich die Parteien darüber geeinigt haben (JBl. 1976, 41; SZ 44/73;

NZ 1969, 24; EvBl. 1960/4 u. a.; Ehrenzweig[2] II/1, 128 f.;

Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 186 und in Klang[2] IV/1, 53 f.); dann ist nämlich davon auszugehen, daß die Parteien einen Vertrag ohne Einigung über die Nebenpunkte nicht schließen wollten (SZ 44/73; Ehrenzweig[2] I/1, 239; Gschnitzer in Klang a.a.O., 96; Mayer - Maly a.a.O., 218). Ob die Parteienvereinbarung vollständig ist, muß mit den Mitteln der Auslegung ergrundet werden. Es kann Fälle geben, in denen es trotz Einigung über Objekt und Preis im erkennbaren Sinn beider Parteien liegt, die Kaufvereinbarung noch als unvollständig zu erachten. Die Auslegung kann freilich auch ergeben, daß sich die Kontrahenten schon von der Einigung über alle Einzelheiten endgültig verpflichten wollten (JBl. 1978, 424; Mayer - Maly a.a.O., 218). Wurde über irgend einen Vertragspunkt verhandelt, ohne Einigung zu erzielen, so ist der Kaufvertrag auch dann nicht abgeschlossen, wenn man sich über Objekt und Preis einig ist (JBl. 1978, 424).

Die Parteien vereinbarten, daß die Gegenleistung der Kläger u. a. in 20 Arbeitsschichten des Erstklägers am reparaturbedürftigen Haus der Beklagten bestehen sollte. Wie lange eine Arbeitsschicht sei und mit welchem Betrag sie bewertet werden solle, wurde von den Streitteilen nicht erörtert. Die Parteien gingen davon aus, daß die von ihnen getroffene Vereinbarung abschließend und ihr Inhalt objektiv bestimmbar sei. Es blieben somit keine Punkte offen, die einer späteren Regelung vorbehalten bleiben sollten. Gemäß § 1055 ABGB ist Kaufrecht maßgeblich. Diese Vorschrift ist analog auch dann anzuwenden, wenn neben dem Geldpreis als Hauptleistung eine andere, nicht in einer Sachleistung bestehende Leistung, etwa eine Arbeitsverpflichtung, zu erbringen ist (JBl. 1966, 35; Mayer - Maly in Klang[2] IV/2, 241). Die Bestimmungen der §§ 1054, 1058 AGBG sind eine Ausformung des allgemeinen Grundsatzes, daß rechtsgeschäftlich zu erbringende Leistungen bestimmt oder doch bestimmbar sein müssen. Das vertragliche Schuldverhältnis stellt sich als eine von den Vertragspartnern einvernehmlich gesetzte Regelung dar, die eine oder mehrere Leistungspflichten zum Gegenstand hat. Um aber einen ernstlichen Bindungswillen der Parteien annehmen zu können (§§ 869, 861 ABGB), ist die inhaltliche Bestimmtheit der Vereinbarung erforderlich. Das bedeutet beim verpflichtenden Schuldvertrag, daß sich aus ihm nicht nur der Wille der Parteien entnehmen läßt, den Vertrag wirklich schließen zu wollen, sondern daß die Leistungen in einer solchen Weise bestimmt sein müssen, daß sie sich aus dem Vertrage selbst, allenfalls unter Berücksichtigung der gesetzlichen Auslegungsregeln, feststellen lassen (5 Ob 727/78; vgl. SZ 45/102; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 53, 94). Eben diese Grundsätze haben auch für die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit eines Kaufpreises zu gelten. Das Gesetz verlangt nicht die Vereinbarung eines bestimmten Kaufpreises; er darf nur nicht unbestimmt sein, was nicht der Fall ist, wenn er objektiv bestimmbar ist (GesRZ 1980, 42; JBl. 1979, 94;

SZ 49/46; SZ 47/128; JBl. 1976, 41; Mayer - Maly a.a.O., 229;

Ehrenzweig[2] II/1, 406; Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 16; Koziol - Welser[5] I, 267 f.). Die Einigung über einen bestimmten Preis ist zwar vor allem ein Indiz für den Konsens der Kontrahenten; die Bestimmungen der §§ 1054 und 1056 ABGB dienen darüber hinaus aber auch der Schaffung klarer Verhältnisse;

die Vertragsabwicklung soll gegen spätere Zweifel über die Höhe des Kaufschillings gesichert werden (Mayer - Maly a.a.O., 227, 228, 252). Bei bewiesenem Konsens sind aber an die Bestimmtheitserfordernisse keine übertriebenen Anforderungen zu stellen, soll nicht eine Einigung durch den, der nicht mehr zur Leistung bereit ist, unter Hinweis auf den Mängel der Preisfestsetzung ihrer Bedeutung beraubt werden (Mayer - Maly a. a.O., 228).

Zwischen den Streitteilen war klargestellt, wann und welche Arbeiten durch den Erstkläger zu leisten sein werden. Eine unterschiedliche Auffassung besteht nur über die zeitliche Dauer einer Arbeitsschicht. Der Erstkläger meint, eine Arbeitsschicht umfasse acht Stunden, die Beklagte zehn Stunden. Der Begriff Arbeitsschicht ist aber unter Heranziehung arbeitsrechtlicher Vorschriften, die in das Bewußtsein der Allgemeinheit gedrungen sind, sehr wohl bestimmbar. Nach § 31 AZG darf die Arbeitszeit täglich grundsätzlich acht Stunden, die Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten. Nach § 4 Abs. 8 AZG (vgl. § 58a Landarbeitsgesetz) darf bei mehrschichtiger Arbeitsweise der Schichtturnus die grundsätzlich 40 stundige Wochenarbeitszeit nicht übersteigen. Wurde der Begriff Arbeitsschicht zum Vertragsinhalt gemacht, so ist dieser daher mangels anderer Konkretisierung dahin bestimmbar, daß eine Arbeitsschicht eine Dauer von acht Stunden umfassen sollte. Die von den Klägern zu erbringende Gegenleistung ist daher im Sinne der Vorschriften der §§ 1054, 1056 ABGB hinreichend bestimmt.

Die Frage, wann der in barem Geld zu entrichtende Restkaufpreis fällig sein soll, wurde von den Parteien nicht erörtert. Es kommt daher die gesetzliche Regel der §§ 1052, 1062 ABGB zur Anwendung, wonach die Leistungen Zug um Zug zu erbringen sind (JBl. 1975, 262; Wahle in Klang[2] IV/2, 68; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 328). Die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung Zug um Zug bei Veräußerung einer Liegenschaft bedeutet, daß mit dem Grundbuchsgesuch auf Einverleibung des Eigentumsrechtes die Bezahlung des Kaufpreises bzw. (bei Überreichung des Gesuches vor Ablauf der von den Klägern angenommenen 14 tägigen Zahlungsfrist nach Rechtskraft des Urteils) dessen Sicherstellung vom Käufer nachzuweisen ist. (EvBl. 1946/614; Heller - Berger - Stix, 219, 2607). In diesem Sinne wird der Vertragstext nur zu verdeutlichen sein.

Die Rechtssache ist aber noch nicht spruchreif, da die Vorinstanzen, ausgehend von ihrer vom OGH nicht gebilligten Rechtsansicht, auf das Vorbringen der Beklagten, es sei zwischen den Streitteilen vereinbart worden, die Beklagte habe den Kaufvertrag erst nach Leistung der Arbeitsschichten zu unterfertigen, nicht eingingen. Sollten die Streitteile eine solche Vereinbarung getroffen haben, wird es entscheidend sein, ob in diesem Punkt der Erstkläger in Schuldner- oder die Beklagte in Annahmeverzug geraten ist. Für die Frage des Verzuges sind die Ergebnisse der Besprechung vom Dezember 1978 von Bedeutung. Die Arbeitsleistungen des Erstklägers waren im Frühjahr 1979 am Haus der Beklagten zu erbringen. Es handelte sich dabei um eine Bringschuld. Bei einer Bringschuld muß der Schuldner alles zur Erfüllung der Obligation Notwendige getan haben, so daß es nur noch der Annahme durch den Gläubiger bedurft hätte (Gschnitzer in Klang[2] VI, 389); der Erstkläger hätte also seine Arbeitsbereitschaft am Erfüllungsort dartun müssen. Davon wäre er nur dann befreit gewesen, wenn die Beklagte unberechtigt den Rücktritt vom Vertrag erklärt hätte; in diesem Falle genügte es, um den Gläubiger in Annahmeverzug zu setzen, wenn der Schuldner, hier also der Erstkläger, ein Verbalanbot gemacht hätte (JBl. 1972, 367; EvBl. 1958/228; 7 Ob 505/81). Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, sind die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben (§ 510 Abs. 1 ZPO) und die Streitsache an die erste Instanz zurückzuweisen. Im fortgesetzten Verfahren wird im Rahmen der Erörterung des Sachverhaltes dann allenfalls auch noch zu klären sein, inwieweit auf die übrigen bisher sehr unpräzisen Einwendungen der Beklagten, die stets von mangelnder Willenseinigung ausgingen, noch einzugehen sein wird.

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