OGH 6Ob604/81

OGH6Ob604/8113.7.1981

SZ 54/104

Normen

ABGB §1392
ABGB §1392

 

Spruch:

Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung an verschiedene Personen ist im Verhältnis zwischen diesen - gleichgültig von welcher Abtretung der Schuldner zuerst verständigt wurde - nur die zeitlich erste Abtretung wirksam

OGH 13. Juli 1981, 6 Ob 604/81 (OLG Innsbruck, 2 R 307/80; LG Innsbruck 6 Cg 572/79)

Text

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Ausfolgung des beim Bezirksgericht Innsbruck zu 4 Nc 88/79 erliegenden Betrages von 80 476 S samt Anhang an die Klägerin einzuwilligen. Sie brachte vor, die Firma M OHG habe zu Jahresende 1978 von der F-Werbung den Auftrag erhalten, 1000 Mini-Rucksäcke im Werte von 70 000 S zuzüglich 18% Umsatzsteuer, zusammen daher im Werte von 82 600 S, zu liefern. Zur Abwicklung dieses Geschäftes habe die Klägerin der Firma M OHG einen Kredit im Betrag von 90 000 S gewährt. Zur Besicherung dieses Kredites habe die genannte Firma der Klägerin die klagsgegenständliche Forderung im Betrage von 82 600 S gegenüber der F-Werbung abgetreten. Auf der Rechnung der Firma M OHG vom 7. Dezember 1978 habe sich der Vermerk befunden, der Fakturenbetrag sei unwiderruflich an die Klägerin abgetreten worden, und es könne daher mit schuldbefreiender Wirkung nur an die Klägerin bezahlt werden. In der Folge sei die Ware geliefert und nach Mängelbehebung der Klagsbetrag zur Zahlung fällig geworden. Die F-Werbung habe in der Folge mitgeteilt, die gegenständliche Forderung sei auch an die Beklagte abgetreten worden, und diese habe die F-Werbung früher als die Klägerin von der Abtretung verständigt. Da die Klägerin ihren Anspruch auf Bezahlung des Klagebetrages aufrechterhalten habe, habe die F-Werbung die Forderung zu 4 Nc 88/79 des Bezirksgerichtes Innsbruck zugunsten der Streitteile gemäß § 1425 ABGB. hinterlegt. Die Vereinbarung zwischen der M OHG und der Klägerin sei am 11. Dezember 1978 abgeschlossen worden und gehe einer allfälligen Vereinbarung der Beklagten vor. Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung an verschiedene Übernehmer gehe die ältere Abtretung vor. Die Beklagte habe im Verfahren 4 Nc 88/79 des Bezirksgerichtes Innsbruck dem Ausfolgungsantrag der Klägerin nicht zugestimmt. Die Beklagte habe aus dem Titel der gegenständlichen Zession eine Zahlung von 50 000 S bereits erhalten und müsse sich im Hinblick auf den Zweck der Zahlung diesen Betrag anrechnen lassen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein: Zwischen Franz U, dem persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten, und Erwin M sei am 7. Dezember 1978 eine Vereinbarung dahin gehend getroffen worden, daß die Firma M OHG ihre Forderungen gegen die F-Werbung in der Höhe von 82 600 S an die Beklagte zediere. Der Differenzbetrag zur Klagsforderung ergebe sich daraus, daß im Zuge der Mängelbehebung durch die Firma M OHG eine von dieser Firma zu erbringende Leistung von der F-Werbung mit dem Betrag von 2124 S bezahlt worden sei. Selbst nach der Ansicht der Klägerin gehe die Zession an die Beklagte vom 7. Dezember 1978 jener an die Klägerin vom 11. Dezember 1978 als ältere vor. Im übrigen sei die Beklagte aber der Auffassung, daß bei mehrfacher Abtretung jene rechtswirksam sei, von welcher der Zessus früher verständigt worden sei. Durch die Nichtzustimmung der Klägerin zur Ausfolgung an die Beklagte sei dieser ein Zinsenschaden entstanden, der aus dem Titel des Schadenersatzes aufrechnungsweise geltend gemacht werde. Der Betrag von 50 000 S sei nicht aus dem Titel der Zession, sondern auf ältere Schulden der Firma M OHG bei der Beklagten bezahlt und angerechnet worden. Im Ausgleichsverfahren Sa 25/79 über das Vermögen der Firma M OHG habe die Beklagte die Zessionsforderung in Höhe von 80 476 S angemeldet. Sie sei zunächst vom Ausgleichsverwalter hinsichtlich eines Betrages von 50 000 S bestritten, nach Überprüfung sei die Bestreitung aber im Einvernehmen mit der Ausgleichsschuldnerin zurückgezogen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Firma M OHG hatte in der letzten Novemberwoche 1978 von der F-Werbung den Auftrag erhalten, bis 15. Dezember 1978 1000 Mini-Rucksäcke zum Preis von 82 600 S einschließlich 18% Umsatzsteuer zu liefern. Nach der Ausstellung der Rechnung vom 7. Dezember 1978 trat die Firma M OHG an die Klägerin wegen eines Kredites heran und legte dazu die Rechnung vom 7. Dezember 1978 vor. Mit Zessionsvertrag vom 11. Dezember 1978 trat die Firma M OHG ihre Forderung aus der Rechnung vom 7. Dezember 1978 gegen die F-Werbung an die Klägerin ab. Die Lieferung der Firma M OHG wurde von der F-Werbung wegen vorhandener Mängel beanstandet. Nach Mängelbehebung wurde die Lieferung am 19. Feber 1979 neuerlich mit 82 600 S an die F-Werbung fakturiert. Wie bereits auf der Rechnung vom 7. Dezember 1978 wurde auch auf dieser Rechnung der Vermerk angebracht, daß der Fakturenbetrag unwiderruflich an die Klägerin abgetreten sei und Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung nur an diese erfolgen könne. Die Rechnung vom 7. Dezember 1978 war bei der F-Werbung am 21. Dezember 1978 eingegangen. Die Beklagte hatte gegen die Firma M OHG Forderungen, welche die gegenständliche Zessionsforderung bei weitem überstiegen. Im Jänner 1970 betrug diese Forderung zirka 220 000 S. Am 6. Dezember 1978 wurden deshalb im Lager der Firma M OHG Gespräche hinsichtlich dieser Forderung geführt. Anwesend waren der persönlich haftende Mitgesellschafter der Beklagten, Franz U, Erwin M, Gesellschafter der Firma M OHG, und August S, der von der Beklagten mit dem Inkasso der Forderung gegenüber der Firma M OHG beauftragt war. Erwin M wies dabei darauf hin, daß er von der F-Werbung einen Betrag von 80 000 S bis 90 000 S erhalten würde. Er erklärte sich bereit, diese Forderung der Beklagten zur teilweisen Abdeckung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten abzutreten. Erwin M errechnete dann die Forderung gegenüber der F-Werbung mit 82 600 S. Zwischen der Beklagten und der Firma M OHG wurde sodann noch am 6. Dezember 1978 mündlich vereinbart, daß die Firma M OHG ihre Forderungen gegen die F-Werbung in Höhe von 82 600 S an die Beklagte zediere. Weiter wurde vereinbart, daß bis 9 Uhr des nächsten Tages die schriftliche Fixierung dieser mündlichen Besprechungsergebnisse erfolgen soll. Am 7. Dezember 1978 wurde die schriftliche Vereinbarung einschließlich der schriftlichen Zessionsvereinbarung im Büro des August S verfaßt. Die Urkunde wurde an Erwin M übermittelt und von diesem und Willy W, der geschäftsführender Gesellschafter der Firma M OHG war, unterfertigt. Am 8. oder 9. Dezember 1978 ist das unterfertigte Schriftstück bei der Beklagten eingelangt. Die Beklagte hat die F-Werbung am 13. Dezember 1978 telefonisch und am 14. Dezember 1978 schriftlich von der erfolgten Zession verständigt. Im Zuge der Mängelbehebung mußten von der Firma M OHG Selbstklebeetiketten bei der Firma E & Co. im Werte von 2124 S angeschafft werden. Diese Rechnung bezahlte die F-Werbung direkt, sodaß die Restforderung der Firma M OHG 80 476 S betrug. Am 11. Jänner 1979 leistete die Firma M OHG an den von der Beklagten beauftragten Inkassanten August S eine Zahl von 50 000 S. Die diesbezügliche Quittung wurde auf das Original des Schreibens der Firma M OHG an die Beklagte vom 11. Jänner 1979 aufgeklebt. Dieses Schreiben ist mit Zahlungsbestätigung überschrieben und enthält folgenden Text: "Bestätige den Erhalt von 50 000 S. Dieser Betrag dient zur Abdeckung der Zession der F- Werbung. Somit verbleibt noch ein Rest von 32 600 S, die wir in den nächsten Tagen Herrn S übergeben werden."

Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck zu Sa 25/79 vom 20. November 1979 wurde über die Firma M OHG das Ausgleichsverfahren eröffnet. Die Beklagte hat die klagsgegenständliche Forderung samt Anhang mit zusammen 98 202.23 S und eine weitere Forderung in der Höhe von 111 653.05 S angemeldet. Die erstere Forderung wurde zunächst bestritten. Bei der Tagsatzung vom 18. Feber 1980 wurde festgestellt, daß die Bestreitung dieser Forderung vom Ausgleichsverwalter und vom Vertreter der Ausgleichsschuldnerin zurückgezogen wurde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß unabhängig davon, ob bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung an verschiedene Übernehmer die zuerst erfolgte Abtretung oder die zuerst erfolgte Verständigung des Schuldners maßgeblich sei, für die Klägerin nichts zu gewinnen sei. Denn nach den Beweisergebnissen liege der Abtretungsvertrag der Firma M OHG an die Beklagte vor jenem an die Klägerin und sei auch die Verständigung des Schuldners durch die Beklagte vor der Verständigung durch die Klägerin erfolgt. Das Klagebegehren sei daher schon dem Gründe nach abzuweisen, weshalb die Frage, ob die Zahlung von 50 000 S am 11. Jänner 1979 durch die Firma M OHG an die Beklagte auf die Zessionsforderung erfolgt und anzurechnen sei oder auf die offene Forderung der Beklagten "im Gesamten", ohne Bedeutung sei. Ebenso sei nicht mehr zu erörtern, ob der Klägerin infolge der Ausgleichssumme nur mehr ein Anspruch in Höhe der Ausgleichsquote zustehe. Mangels Feststellung einer Klagsforderung sei auch auf die Gegenforderung nicht einzugehen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge und erkannte die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig, hinsichtlich eines Teilbetrages von 50 000 S in die Ausfolgung des beim Bezirksgericht Innsbruck zu 4 Nc 88/79 erlegten Betrages einzuwilligen. Es erachtete die Verfahrens- und Beweiswürdigungsrüge als unbegrundet, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Der Zessionsvertrag zwischen der Firma M OHG und der Beklagten sei am 7. Dezember 1978 und jener mit der Klägerin am 11. Dezember 1978 zustande gekommen. Mit der Willensübereinstimmung beim Abtretungsvertrag gehe der durch die Forderung repräsentierte Vermögenswert in das Vermögen des Zessionars über. Bei mehrfacher Abtretung einer Forderung an verschiedene Zessionare gehe die ältere Abtretung der jüngeren vor. Nur der erste Zessionar erwerbe daher das Forderungsrecht. Der Klägerin sei aber zuzustimmen, daß die am 11. Jänner 1979 von der Firma M OHG getätigte Zahlung von 50 000 S mit der Widmung, dieser Betrag werde zur (teilweisen) Abdeckung der Zession geleistet, eine stillschweigende Änderung des Zessionsvertrages beinhalte. Daß die Beklagte bzw. ihr beauftragter Inkassant dieser Zweckwidmung der Zahlung widersprochen hätten, sei nicht behauptet worden. Die Beklagte habe nur eingewendet, diese Zahlung sei auf ältere Schulden der Firma M OHG verrechnet worden. In analoger Anwendung des § 1416 ABGB sei auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß die Beklagte dadurch, daß sie der Zweckwidmung der Zahlung von 50 000 S nicht widersprochen habe, stillschweigend ihr Einverständnis zu einer Abänderung der Zessionsvereinbarung vom 7. Dezember 1978 erteilt hatte. Damit sei hinsichtlich des Teilbetrages von 50 000 S die Abtretung zugunsten der Klägerin wirksam geworden. Die Beklagte wäre jedenfalls beim Empfang des Schreibens vom 11. Jänner 1979 nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, der Zahlungswidmung der Firma M OHG zu widersprechen, zumal sie als Kaufmann anzusehen sei, für den nach § 362 HGB besondere Pflichten in dieser Richtung bestunden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei mehrfacher Abtretung derselben Forderung an verschiedene Übernehmer geht die ältere Abtretung vor. Dabei ist maßgebend, welcher Abtretungsvertrag zuerst geschlossen wurde, gleichgültig, von welcher Abtretung der Schuldner zuerst verständigt wurde (Wolff in Klang[2] VI, 288, 315). Nur die zeitlich erste Abtretung ist wirksam. Durch sie scheidet die Forderung aus dem Vermögen des Überträgers aus und geht in das Vermögen des Übernehmers über, womit sich die Rechtszuständigkeit ändert. Der Zedent ist nach der ersten Abtretung nicht mehr Inhaber der Forderung, sie ist nicht mehr in seiner Rechtszuständigkeit (vgl. Wolff a.a.O., 288, 315; Koziol - Welser, Grundriß I[5], 69, 241, 245, 246). Er kann sie daher auch nicht mehr wirksam übertragen. Daraus folgt weiter, daß durch die nachfolgende Abtretung der zweite Zessionar kein Recht an der Forderung erwerben kann, auch dann nicht, wenn er von der ersten Abtretung nichts weiß, den Zedenten also für den rechtszuständigen Inhaber der Forderung hält. Denn einen gutgläubigen Erwerb von Forderungen gibt es regelmäßig nicht (Koziol - Welser a.a.O., 245). So wie der Zedent die zedierte Forderung ohne Rückzession nicht einklagen kann (vgl. SZ 42/105u. a.), so kann er auch nur nach wirksamer Rückzession, durch welche er wieder die Rechtszuständigkeit über die Forderung erworben hat, einen (weiteren) wirksamen Abtretungsvertrag schließen.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich, daß auf Grund der Feststellungen die Forderung der Firma M OHG gegen die F-Werbung bereits wirksam an die Beklagte abgetreten war, als am 11. Dezember 1978 der Abtretungsvertrag zwischen der Firma M OHG und der Klägerin geschlossen wurde, weshalb dieser unwirksam bleiben mußte. Da die Klägerin nicht behauptet hat, es sei ihr nach einer allfälligen Rückabtretung der Forderung von der Beklagten an die Firma M OHG durch letztere neuerlich die Forderung abgetreten worden, sondern ihren Anspruch nach wie vor aus der am 11. Dezember 1978 erfolgten Abtretung ableitet, diese aber nach den obigen Ausführungen unwirksam ist, besteht ihr Anspruch nicht zu Recht. Dahingestellt bleiben kann daher die Erörterung der Frage, ob allein zufolge der widerspruchslosen Annahme der Zahlung von 50 000 S durch die Beklagte auf eine Rückzession geschlossen werden könnte. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, kann auf Grund dieser Beurteilung dahingestellt bleiben, auf welche Schuld die Zahlung der Firma M OHG vom 11. Jänner 1979 anzurechnen war und ob der Ausgleich auf den Anspruch der Klägerin im Falle der Bejahung desselben einen Einfluß hätte.

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