Normen
WG Art10
WG Art17
WG Art10
WG Art17
Spruch:
Der gutgläubige Erwerb eines Blankowechsels stellt den Wechselinhaber unter den Schutz des Art 17 WG
OGH 5. März 1980, 3 Ob 647/79 (OLG Wien 1 R 105/79; HG Wien 27 Cg 338, 339/77)
Text
Gegen die antragsgemäß vom Erstgericht am 11. Mai 1977 erlassenen Wechselzahlungsaufträge auf Grund zweier von der beklagten Partei angenommener Wechsel über 175 000 S und 300 000 S erhob die beklagte Partei fristgerecht Einwendungen, in welchen sie vorbrachte, daß sie von Dr. W den Auftrag erhalten habe, die Baumeister- und Professionistenarbeiten für einen Dachausbau in seinem Haus zu vergeben. Am 24. Jänner 1977 habe die Beklagte der A-Baugesellschaft den Auftrag für die Bauarbeiten zu einem Fixpreis von 475 000 S erteilt, allerdings unter der aufschiebenden Bedingung, daß ein schriftlicher Bauauftrag durch den Bauherrn erfolge. Als Anzahlung seien der A-Baugesellschaft von der Beklagten die beiden nunmehr eingeklagten Wechsel übergeben worden, während anderseits der Beklagten zur Sicherung dieser Anzahlung von der A-Baugesellschaft und deren Geschäftsführer je zwei Wechsel in derselben Höhe übergeben worden seien. Tatsächlich sei in der Folge der Auftrag durch Dr. W nicht erteilt worden. Auf die Aufforderung zur Herausgabe der Wechsel habe die A-Baugesellschaft und ihr Geschäftsführer mitgeteilt, die Forderung sei der Klägerin zediert und dieser auch die Wechsel übergeben worden. Zwischen der A-Baugesellschaft und der Klägerin bestehe offenbar ein Factoring-Vertrag. Der Beklagten stunden daher sämtliche Einwendungen gegen die Klägerin zu. Die Klagsforderung bestehe mangels Zustandekommens des Auftrages mit der A-Baugesellschaft nicht zu Recht.
Die Klägerin bestritt, daß ihr die Wechsel, die bis auf die Ausstellerunterschrift vollständig ausgefüllt gewesen seien, im Rahmen eines Factoring-Vertrages übergeben worden seien. Das der Wechselausfüllung zugrunde liegende Geschäft sei ihr unbekannt gewesen.
Das Erstgericht hielt die beiden Wechselzahlungsaufträge aufrecht.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Zwischen der Klägerin und der T-GesmbH, deren Geschäftsführer P S war, bestand seit Dezember 1975 ein Factoring-Vertrag. Im Rahmen dieses Vertrages kaufte die Klägerin wiederholt Forderungen der T-GesmbH gegen die A-Baugesellschaft, deren Geschäftsführer W H war. W H hatte bei Abschluß und im Rahmen des mit der T-GesmbH abgeschlossenen Factoring- Vertrages der Klägerin gegenüber auch die persönliche Haftung für die Schuld der T-GesmbH übernommen. Anfang 1977 bestand eine Schuld der T-GesmbH gegenüber der Klägerin in der Höhe von mehreren Millionen Schilling. Mit einem 475 000 S übersteigenden Betrag resultierte diese Schuld daraus, daß die A-Baugesellschaft Forderungen der T-GesmbH die im Factoringweg auf die Klägerin übergegangen waren, nicht bezahlt hatte. Als die Klägerin auf Grund dieser Situation Nachforschungen anstellte, stellte sich heraus, daß zwischen den Firmen T-GesmbH und A-Baugesellschaft ein ziemlich enger wirtschaftlicher Kontakt bestand. Bei einer Besprechung am 18. Jänner 1977, an welcher seitens der Klägerin die Geschäftsführer Dr. K, Dr. P und Dipl.-Kfm. G sowie die Angestellten B und S, für die Firmen T-GesmbH und A-Baugesellschaft deren Geschäftsführer P S und W H teilnahmen, wurde die Abdeckung bzw. teilweise Berichtigung des offenen Saldos besprochen. Die Vertreter der Klägerin forderten die Geschäftsführer P S und W H ultimativ auf, über die angekauften Forderungen hinaus Sicherheiten sowie bis 24. Jänner 1977 600 000 S in bar zu erbringen. Die Beklagte stand mit der A-Baugesellschaft bereits seit längerem in Geschäftsbeziehungen. Nachdem Dr. W wegen eines Dachausbaues an die Beklagte herangetreten war, gab es auch wegen dieses Geschäftsfalls Kontakte zwischen der Beklagten und der A- Baugesellschaft; diese erstellte noch vor dem Vorliegen eines schriftlichen Auftrages seitens der Bauherrn ein Anbot. Am 24. Jänner 1977 sprach W H bei den beiden Geschäftsführern der Beklagten vor und erklärte ihnen, für die A-Baugesellschaft dringend Bargeld zu benötigen, er habe Schwierigkeiten. Über die Art der Schwierigkeiten wurde nicht gesprochen, die Beklagte wußte aber, daß die Schwierigkeiten gegenüber der Klägerin bestanden. Da die Beklagte damals nicht über das gewünschte Bargeld verfügte, beauftragte sie die A-Baugesellschaft mit der Durchführung der gesamten Baumeister- und Professionistenarbeiten für den Dachausbau im Hause des Dr. W. Vereinbart wurde u. a., daß die A-Baugesellschaft als Anzahlung einen Wechsel in der Höhe von 300 000 S erhalte, den Restbetrag innerhalb von 30 Tagen nach Fertigstellung und Annahme. Ausdrücklich wurde festgestellt, daß Voraussetzung für den Auftrag die schriftliche Beauftragung durch den Bauherrn Dr. W ist und daß als Sicherheit für die geleistete Anzahlung anstelle einer Bankgarantie von der A-Baugesellschaft und W H persönlich ein Deckungswechsel akzeptiert wird. Über dringendes Ersuchen des W H stimmten die beiden Geschäftsführer der Beklagten schließlich zu, in Form von zwei Wechseln über 300 000 S und 175 000 S den gesamten vereinbarten Werklohn sofort an die A-Baugesellschaft zu zahlen. Die Geschäftsführer der Beklagten übergaben sodann an W H die beiden von der Beklagten als Bezogene akzeptierten klagsgegenständlichen Wechsel. Die Ausstellerunterschrift blieb offen. Den Geschäftsführern der Beklagten war bei der Übergabe der Wechsel an W H bewußt, daß dieser sie weiterbegeben werde, um für die A-Baugesellschaft Geld zu bekommen. Sie waren damit auch einverstanden. Von einer Übergabe an die Klägerin war nicht die Rede. Zur Sicherstellung der beiden Wechsel akzeptierte W H im eigenen Namen sowie namens der A-Baugesellschaft je zwei Wechsel über 175 000 S und 300 000 S und übergab diese den Geschäftsführern der Beklagten. Unmittelbar nach Erhalt dieser beiden Wechsel übergab W H diese den Geschäftsführern der Klägerin. Außerdem überbrachten W H und P S der Klägerin zirka 100 000 S in bar. Die Vertreter der Klägerin waren über die Wechsel nicht sehr erfreut. W H und P S erklärten jedoch, daß sie den erforderlichen Barbetrag nicht auftreiben hätten können, worauf sich die Klägerin mit der Übernahme der Wechsel einverstanden erklärte. Bei der Übergabe der Wechsel wurde zwischen W H und den Vertretern der Klägerin nicht über das der Ausstellung zugrunde liegende Geschäft gesprochen, die Vertreter der Klägerin fragten nicht danach; W H erteilte auch von sich aus keinerlei Auskünfte. Im Anschluß an diese Besprechung wurde zwischen der Klägerin und W H die Frage erörtert, inwieweit die bestehenden Schulden der A-Baugesellschaft gegenüber der Klägerin abgedeckt werden können. In diesem Zusammenhang machte der Geschäftsführer der Klägerin den Vorschlag, einen Factoring-Vertrag abzuschließen. Am 25. Feber 1977 stellte die Klägerin der A-Baugesellschaft ein entsprechendes Anbot, das von dieser in der Folge angenommen wurde. In dieser Vereinbarung ist festgehalten, daß die A-Baugesellschaft der Klägerin alle ihre Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen verkauft und abtritt, die sie im Rahmen ihres Baubetriebes nach dem 1. Jänner 1977 erbringt und daß die Klägerin diese Forderungen kauft und übernimmt. Die Klägerin unterfertigte die beiden ihr von W H übergebenen Wechsel als Ausstellerin und machte sie gegen die Beklagte geltend. Diese gab ihrerseits die beiden von W H am 24. Jänner 1977 akzeptierten Sicherungswechsel an einen Dritten weiter, der gegen W H einen Wechselzahlungsauftrag erwirkte. Von Dr. W erhielt die Beklagte in der Folge keinen schriftlichen Auftrag zu dem oben erwähnten Dachausbau, der Bauherr ließ das Projekt fallen.
Bei der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Klägerin habe zwar die beiden Wechsel als Ausstellerin unterschrieben, tatsächlich sei sie jedoch die erste Wechselnehmerin und die A-Baugesellschaft die Ausstellerin gewesen. Die Übertragung der Wechselforderung sei ohne gleichzeitige Abtretung der Forderung aus dem Grundgeschäft erfolgt. Die durch den später zwischen der Klägerin und der A-Baugesellschaft mit rückwirkender Kraft abgeschlossenen Factoring-Vertrag hinzugekommene Zession der Forderung aus dem Grundgeschäft ändere an der Rechtslage nichts, weil selbst bei gleichzeitiger Abtretung mit der Wechselforderung Einwendungen aus dem Grundgeschäft zwar gegenüber der Grundforderung, mangels der Voraussetzungen des Art. 17 WG aber nicht gegenüber der rechtlich selbständigen und abstrakten Wechselforderung zulässig seien. Die Beklagte könnte daher der Klägerin ihre Einwendungen aus dem Grundgeschäft mit der A-Baugesellschaft nur entgegenhalten, wenn die Klägerin beim Erwerb der beiden Wechselblankette bewußt zum Nachteil der Beklagten gehandelt hätte. Eine solche Behauptung sei in den Einwendungen nicht aufgestellt worden und finde auch im Beweisverfahren keine Deckung.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als mängelfrei und unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Ergänzend fügte es bei, daß Wechselinhaber im Sinne des Art. 17 WG nicht nur der Indossatar sei, sondern jeder, der den Wechsel nach Wechselrecht erworben habe. Auch im Erwerb eines - bis auf den Aussteller ausgefüllten - Wechselblanketts liege, sofern das Ausfüllungsrecht gutgläubig erworben und ausgeübt worden sei, ein wechselrechtlicher Erwerb der Forderung; der Ausfüllende genieße daher trotz des Fehlens eines Indossamentes den Schutz des Art. 17 WG bezüglich persönlicher Einwendungen gegenüber einem Vormann. Mangels rechtzeitiger Einwendung der Schlechtgläubigkeit der Klägerin im Sinne des Art. 17 WG im Zeitpunkt des Wechselerwerbes könnten dieser daher von der Beklagten Einwendungen aus dem Grundgeschäft mit der A-Baugesellschaft nicht entgegenhalten werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Da eine vereinbarungswidrige Ausfüllung der klagsgegenständlichen, bei der Begebung noch unvollständigen Wechsel und somit das Vorliegen des (gegenüber Art. 17 WG) Sondertatbestandes des Art. 10 WG nicht behauptet wurde (vgl. dazu Ostheim, Zur Lehre von den Einwendungen im Wechselrecht in FS Kastner 1972, 357 f.), ist streitentscheidend die Frage, ob auch der Erwerber eines Blankoakzeptes durch Art. 17 WG geschützt wird. Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, daß die gutgläubige Ausfüllung des erworbenen Wechselblanketts dem gutgläubigen Wechselerwerb gleichzustellen ist (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und Wertpapierrecht, 50; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 495; Kapfer, WG[6], Art. 10, E 17 a; Bank Arch. 1961, 134; SZ 35/1; JBl. 1962, 562; SZ 45/6; QuHGZ 1971 H 4/92 und 93 u. a.). Durch die Begebung eines Blankoakzeptes entsteht zwar noch keine Wechselverpflichtung, wohl aber ist das Wechselblankett als eine besondere Kategorie indossabler Wertpapiere anzusehen, das sich von einem Normalwechsel dadurch unterscheidet, daß die Berechtigung und Verpflichtung aus diesem Papier zwar erst mit der Vervollständigung wirksam wird, dann aber unter Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Begebung (Stanzl a. a. O., SZ 26/152; BankArch. 1961, 134 u. a.). In der Hingabe von Blankoakzepten liegt die stillschweigende Ermächtigung des Empfängers, durch Ausfüllung des Formulares nach Maßgabe des der Wechselbegebung zugrunde liegenden Vertrages entweder selbst einen vollständigen Wechsel herzustellen oder diese Herstellung seinen Nachmännern zu übertragen. Gibt der Blankettnehmer den Wechsel vor vollständiger Ausfüllung weiter und macht der Nachmann von seinem gutgläubig erworbenen Ausfüllungsrecht Gebrauch, liegt darin ein wechselrechtlicher und nicht bloß ein bürgerlich-rechtlicher Erwerb der Forderung, der bewirkt, daß der Wechselinhaber trotz des Fehlens eines Indossamentes den Schutz des Art. 17 WG gegen persönliche Einwendungen genießt (Bank Arch. 1961, 134; JBl. 1962, 562; QuHGZ 1971 H 4/92; Kapfer, WG[6], Art. 10 E 20 u. a.). Die Rechtsstellung des Wechselschuldners bestimmt sich in diesem Falle nicht nach dem äußeren Wechselbild, sondern danach, wie sie wäre, wenn der Blankettnehmer von seinem Recht, den Wechsel zu vervollständigen, selbst Gebrauch gemacht hätte. Das Verhältnis zum Wechselannehmer erfährt dadurch keine Veränderung, daß der Wechselinhaber anstelle seines Vormannes den Wechsel vervollständigt; Einwendungen gegen den ersten Wechselnehmer kann der Wechselschuldner auch einem solchen Wechselinhaber nur insofern entgegenhalten, als dies Art. 17 WG gestattet (SZ 35/1; SZ 45/6; Bank Arch. 1961, 134; JBl. 1962, 562 u. a.). Da hier gegen die Wechselzahlungsaufträge lediglich Einwendungen aus dem Grundgeschäft mit der A-Baugesellschaft erhoben wurden, ohne daß auch nur behauptet worden wäre, daß die Klägerin beim Erwerb des Blankoakzeptes bewußt zum Nachteil der Beklagten gehandelt habe (Art. 17 WG), sind die Wechselzahlungsaufträge von den Vorinstanzen mit Recht aufrecht erhalten worden.
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