Normen
Wechselgesetz
Wechselgesetz
Spruch:
Ein Blancowechsel unterscheidet sich von einem Normalwechsel dadurch, daß die Berechtigung und Verpflichtung aus diesem Papier zwar erst mit der Vervollständigung, dann aber unter Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Begebung wirksam wird.
Entscheidung vom 10. Juni 1953, 3 Ob 94/53.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat seinen Wechselzahlungsauftrag vom 5. September 1952, womit dem Beklagten aufgetragen wurde, der klagenden Partei die Wechselteilsumme von 30.000 S samt 6% Zinsen seit 21. August 1952 zu bezahlen, kostenpflichtig aufrecht erhalten, wobei es die Rechtsmeinung vertrat, daß unter der Währungsbezeichnung "Reichsmark" nicht jene ausländische Währung zu verstehen sei, vielmehr unter Bedachtnahme auf die Annahme des Wechsels durch den Beklagten im Jahre 1941 die Bewertung der Reichsmark nach dem Schillinggesetz vorgenommen werden müßte.
Die seitens der beklagten Partei dagegen erhobene Berufung wurde, insoweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, verworfen, im übrigen jedoch der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß der vorbezogene Wechselzahlungsauftrag zur Gänze aufgehoben und das Klagsbegehren des Inhaltes, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin die Wechselsumme per 30.000 S samt Anhang zu bezahlen, abgewiesen wird. Das Berufungsgericht erachtete für die Prüfung der wesentlichen Erfordernisse des Wechsels zu dessen Gültigkeit den Zeitpunkt der Ausstellung (1. August 1952) als maßgebend, hielt jedoch das Gründerfordernis einer "bestimmten Geldsumme" deswegen für nicht gegeben, weil am Ausstellungstag die Reichsmark weder Rechnungswährung war noch, sei es im In- oder Ausland, eine Reichsmarkwährung bestanden hat. Auch aus der maßgeblichen Urkunde (Kreditanbot Beilage C) ergebe sich kein Anknüpfungspunkt zu der in der Westzone Deutschlands derzeit geltenden Währung (D-Mark West oder D-Mark Ost), im Gegenteil müßte die Annahme, es handle sich bei der gegenständlichen Bezeichnung der Wechselsumme um eine ausländische Währung, offensichtlich zu Unklarheiten führen, da die D-Mark (West) in ihrem Kurs von der D-Mark (Ost) verschieden sei. Mangels Bestimmbarkeit der gemeinten Währung sei der Wechsel daher als nichtig anzusehen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und trug unter Aufhebung des Urteiles dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der vorliegende Wechsel ungültig sei, weil er auf einen Ausstellungstag ausgestellt worden sei, an dem die Reichsmark keine gültige Währung mehr gewesen sei, ist rechtsirrig.
Das Berufungsgericht übersieht zunächst, daß ein Wechsel auch auf eine außer Kurs gesetzte Währung ausgestellt werden kann. In einem solchen Fall ist der Grundwechsel nicht ungültig und bleibt es der Auslegung überlassen, in welcher Währung und zu welchem Umrechnungskurs die Wechselsumme gezahlt werden soll (Entscheidung vom 30. September 1869, Kroll 123). Auch bei der Währungsumstellung 1945 wurden von der Praxis des Wiener Handelsgerichtes auf Markblankettformularen nach der Einführung der Schillingwährung ausgefüllte Wechsel, bei denen übersehen wurde, Mark in Schilling auszubessern, niemals beanständet.
Aber auch wenn man nicht von dieser Erwägung ausgehen wollte, kann der Wechsel nicht als ungültig bezeichnet werden. Der vorliegende Wechsel wurde als Biancowechsel in einem Zeitpunkt auf Reichsmark ausgestellt - nur Ausstellungs- und Fälligkeitsdatum blieben offen - , da die Reichsmarkwährung im Gebiet des Ausstellungs- und Zahlungsortes Landeswährung gewesen ist.
Durch die Begebung eines Biancowechsels entsteht zwar noch keine Wechselverpflichtung, wohl aber ist der Biancowechsel als eine besondereKategorie indossabler Wertpapiere anzusehen, der sich von einem Normalwechsel dadurch unterscheidet, daß die Berechtigung und Verpflichtung aus diesem Papier zwar erst mit der Vervollständigung wirksam wird dann aber unter Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Begebung. Es ist nicht so anzusehen, als ob der Wechsel erst am Tage der Ausstellung entstanden wäre, vielmehr wird fingiert, daß er schon am Tage der Übergabe des Blanketts fertig gewesen wäre. Das entspricht auch der angloamerikanischen Auffassung, die die Theorie der filling blanks noch vor den kontinentalen Juristen in allen Einzelheiten entwickelt und ausgebaut haben.
Wird aber davon ausgegangen, so muß die Gültigkeit des Grundwechsels infolge der Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Begebung des Blanketts dann angenommen werden, wenn und insoweit die im Zeitpunkte der Begebung bereits ausgefüllten Wechselbestandteile in diesem Zeitpunkt wirksam waren. Das ist insbesondere bezüglich der Verpflichtungsfähigkeit derjenigen Personen, die das unausgestellte Blankett unterschrieben haben, herrschende Lehre (SZ. X/79); aber auch bezüglich des Beginnes der Anfechtungsfristen, die nach herrschender Lehre von der Begebung und nicht von der Ausfüllung an laufen, anerkannt. Bezüglich der Gültigkeitsvoraussetzungen folgt das übrigens schon aus der Erwägung, daß Änderungen an den bereits vollausgefüllten Bestandteilen nach der Begebung nicht mehr zulässig sind. Daraus folgt, daß ein Biancowechsel auch dann mit einem späteren Ausstellungstag - wofern dies der getroffenen Vereinbarung entspricht - ausgestellt werden kann, wenn die im Zeitpunkt der Wechselblankettbegebung umlaufende Währung inzwischen außer Kurs gesetzt worden ist. Die Umrechnung hat nach den am Erfüllungsort geltenden Umrechnungsvorschriften zu erfolgen.
Durch diese der herrschenden Weltwechseltheorie entsprechende Auslegung kann ein späterer Indossatar in seinen Rechten nicht berührt werden, weil auch diesem gegenüber die im Begebungsvertrag vereinbarten Bedingungen, also auch auf die damals ausbedungene Währung - umgerechnet nach den späteren gesetzlichen Umrechnungsvorschriften - gelten. Die Stellung des Wechselnehmers nach Ausfüllung kann nur bei gutgläubigem Erwerb verbessert, niemals aber verschlechtert werden. Es kann ihm gegenüber daher auch nicht eingewendet werden, der Wechsel sei ungültig, weil er im Zeitpunkt der Vollausfüllung ungültig gewesen wäre, wenn damals erst alle Bestandteile ausgefüllt worden wären. Seine Rechtsstellung wird auch nicht unklar; ist der Wechsel deshalb gültig, weil er als Biancowechsel noch zur Zeit der Herrschaft der Reichsmarkwährung begeben wurde, so gilt eben die gesetzliche Umrechnungsvorschrift. Irgendwelche Auslegungsschwierigkeiten sind daher nicht ersichtlich.
Der Oberste Gerichtshof sieht daher abweichend vom Berufungsgericht den gegenständlichen Wechsel als gültig an. Es mußte demnach der Revision Folge gegeben werden. Da aber das Berufungsgericht sich von seinem irrigen Rechtsstandpunkte aus mit den weiteren Ausführungen der Berufung nicht befaßt hat, insbesondere mit der Einwendung, der Wechsel sei durch Zahlung erloschen, so mußte das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die zweite Instanz zurückverwiesen werden.
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