Normen
ABGB §1325 Abs1
ABGB §1325 Abs4
ABGB §1327 Abs2
ABGB §1327 Abs3
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §105a Abs2
Eisenbahn-Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §13 Z3
ABGB §1325 Abs1
ABGB §1325 Abs4
ABGB §1327 Abs2
ABGB §1327 Abs3
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §105a Abs2
Eisenbahn-Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §13 Z3
Spruch:
Schadenersatz bei Körperverletzung
Zur Frage, welche Kosten einer Aushilfskraft den Deckungsfonds für den Hilflosenzuschuß bilden
Die Kosten der Pflege des Grabes des verstorbenen Gatten, die die Witwe verletzungsbedingt nicht mehr vornehmen kann, sind angemessen zu ersetzen
Zu den Voraussetzungen des Ausspruches auf eine Zweitprothese
OGH 27. September 1978, 8 Ob 135/78 (OLG Graz 4 R 101/78; KG Leoben 4 Cg 167/76)
Text
Die Klägerin wurde am 10. Jänner 1974 bei einem Verkehrsunfall, welchen die Erstbeklagte Erika P allein verschuldet hat, so schwer verletzt, daß in der Folge an ihr eine Oberschenkelamputation am linken Bein vorgenommen werden mußte. Mit Anerkenntnisurteil des Kreisgerichtes Leoben vom 7. Feber 1975, 21 Cg 14/75-31, wurde festgestellt, daß die Beklagten für alle der Klägerin aus dem gegenständlichen Unfall anerlaufenden Schäden haften, die Zweitbeklagte jedoch nur bis zur Höhe der Versicherungssumme. Die Leistungsansprüche der Klägerin sind außergerichtlich vergleichsweise bis 3. Juni 1975 bereinigt worden.
Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage den Zuspruch folgender Beträge:
a) 23 400 S samt Anhang als Ersatz für die Auslagen von monatlich 900 S für eine Hilfskraft, die für sie in der Zeit von Juni bis Oktober 1975 bzw. Jänner 1976 bis September 1977 Haushaltsarbeiten verrichtet, größere Einkäufe beschafft, die Wäsche besorgt, das Grab ihres verstorbenen Gatten gepflegt habe usw., welche Arbeiten sie infolge der Unfallverletzungen nicht mehr zu verrichten in der Lage sei;
b) 40 000 S als weiteres Schmerzensgeld;
c) 21 842.21 S samt Anhang für die Anschaffung einer zweiten Prothese, die für die Dauer der ständig notwendigen Prothesenreparaturen notwendig sei.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und wendeten insbesondere ein, daß die Klägerin auch ohne Unfall wegen ihres Alters und des damit zusammenhängenden Gesundheitszustandes nicht in der Lage sei, verschiedene Haushaltsarbeiten durchzuführen bzw. daß ein allfälliger Anspruch gegenüber den Beklagten auf die Sozialversicherung übergegangen sei, die der Klägerin einen Hilflosenzuschuß gewähre; die Schmerzensgeldforderung sei nicht nur überhöht, sie sei auch deshalb ungerechtfertigt, weil bereits anläßlich der Abgeltung der Schäden bis 3. Juni 1975 Anpassungsschwierigkeiten, die Prothese betreffend, abgegolten worden seien; im übrigen sei es der Klägerin aber zumutbar, für die kurze Zeit der Reparaturen ohne eine zweite Prothese auszukommen.
Das Erstgericht sprach der Klägerin die Hälfte der für die Haushaltshilfe begehrten Kosten (unter Anwendung des § 273 ZPO), sohin 11 700 S zu; die zweite Hälfte wies es ab; es sprach der Klägerin weiters ein Schmerzensgeld von 40 000 S und den für die Anschaffung einer zweiten Prothese begehrten Betrag von 21 842.21 S, insgesamt somit 73 542.21 S zu.
Infolge Berufung beider Teile bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil im Zuspruch des Schmerzensgeldes als Teilurteil. Im übrigen hob es das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung auf.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was die Kosten der Hilfskraft anlangt, so ging das Erstgericht davon aus, daß der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Kosten einer solchen gemäß § 332 ASVG auf den Sozialversicherungsträger übergeht, soweit der Geschädigte auf Grund des § 105a ASVG Anspruch auf Hilflosenzuschuß hat. Als lebenswichtig hätten Verrichtungen zu gelten, die nie unterbleiben dürfen, ohne daß der Betroffene in absehbarer Zeit dem Untergang oder dem Verkommen ausgesetzt wäre. Lebenswichtig seien alle Tätigkeiten, die unmittelbar das körperliche und sanitäre Wohl erhalten sollen (z. B. essen, waschen, an- und auskleiden, Verrichtung der Notdurft usw.), aber auch alle Tätigkeiten, die mittelbar diesem Zweck dienen (Zubereitung von Speisen, Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Reinigen der Wäsche und der Wohnung). Nach den Feststellungen sei die Klägerin wohl in der Lage, sich die Woche über das Essen zuzubereiten, sich zu waschen, sich allein an- und auszukleiden, und ohne fremde Hilfe die Toilette aufzusuchen. Sie benötige aber die Hilfe ihrer Tochter zur Bestreitung größerer Einkäufe an Nahrungsmitteln, zur Reinigung der Wäsche und zur Instandhaltung der Wohnung. Soweit nun mit dem von der Klägerin monatlich ihrer Tochter Wilma T bezahlten Betrag von 900 S - der als durchaus angemessen bezeichnet werden könne - solche Hilfeleistungen bezahlt werden, stelle der diesbezügliche Aufwand den Deckungsfonds für den von der Klägerin bezogenen Hilflosenzuschuß dar und sei die Klägerin insoweit zur Geltendmachung von Ansprüchen nicht legitimiert. Andererseits pflegt aber die Tochter Wilma T auch das Grab des verstorbenen Mannes der Klägerin. Dies sei eine Tätigkeit, die mit dem Bezug des Hilflosenzuschusses der Klägerin in keinem wie immer gearteten Zusammenhang stehe. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß Wilma T daneben auch noch andere Tätigkeiten für die infolge des Unfalles dazu unfähige Klägerin entfalte, die ebenfalls mit dem Hilflosenzuschuß in keinem Zusammenhang stehen. Infolge praktischer undurchführbarkeit eindeutiger Trennung jeder einzelnen Tätigkeit sei unter Heranziehung des § 273 ZPO davon auszugehen, daß die Hälfte des monatlichen Aufwandes der Klägerin von 900 S sich auf Tätigkeiten beziehe, die mit der Gewährung des Hilflosenzuschusses in keinem Zusammenhang stehen, aber trotzdem unfallskausal seien.
Das Berufungsgericht billigte die Ausführungen des Erstgerichtes zu §§ 332 und 105 a ASVG, Ein Anspruchsübergang hinsichtlich der sachkongruenten Leistungen komme allerdings nur bis zur Höhe der vom Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen an die Klägerin in Betracht, nicht aber ein darüber hinausgehender. Die Klägerin könnte daher Mehrauslagen auch für sachkongruente Bedürfnisse geltend machen, die mit dem Hilflosenzuschuß nicht voll abgedeckt werden können. Denn der Hilflosenzuschuß sei kein solcher für eine volle Abgeltung der vermehrten Pflegebedürfnisse, sondern, wie dies schon die Bezeichnung "Zuschuß" ausdrücke, eine Leistung zur teilweisen Abdeckung der bezeichneten Kosten. Das Berufungsgericht teilte auch die Auffassung des Erstgerichtes, derzufolge hinsichtlich der Kosten der Grabpflege eine Sachkongruenz mit dem Hilflosenzuschuß nicht bestehe. Was die Kosten für die Grabpflege anlange, so werde das Erstgericht zu beachten haben, daß jene Kosten zu erheben sein werden,die eine würdige Grabpflege durchschnittlich jährlich erfordere und auf die keinesfalls - wie die Beklagten meinen -, aus Pietätsgrunden überhaupt nicht, Bedacht zu nehmen sei. Allerdings müßten hiebei Sachwerte, wie etwa Blumen, Kerzen, und sonstige auch vor dem Unfall der Klägerin angefallene Auslagen außer Betracht bleiben. Da die Klägerin an nicht sachkongruenten Aufwendungen die Grabpflege nur beispielsweise angeführt habe (arg."usw.") und das Erstgericht in seiner Entscheidung auf "noch andere Tätigkeiten" hingewiesen hat, die "mit dem Hilflosenzuschuß in keinem Zusammenhang stehen", ohne allerdings im einzelnen festzustellen, um welche Tätigkeiten es sich hiebei handle, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Es werde daher die Klägerin im fortgesetzten Verfahren anzuleiten bzw. zu befragen sein, welche Tätigkeiten außer der Grabpflege sie noch durch eine Hilfskraft verrichten läßt, die sich nicht mit jenen decken, für die der Sozialversicherungsträger hilflosen Personen einen Pflegezuschuß gewähre. Ferner werde zu prüfen sein, wie hoch die angemessenen Kosten für die Entlohnung solcher Tätigkeiten sind, um nach Feststellung dieser Umstände beurteilen zu können, ob und inwieweit die Kosten für die Beschäftigung der Hilfskraft im aufgezeigten Sinn Anlaß für den Zuspruch eines Betrages sein können.
Demgegenüber vertritt der Rekurs der Beklagten die Auffassung, daß der Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Hilfskraft im Sinne der Abweisung spruchreif sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Der vom Rekurs ins Treffen geführte Umstand, daß die Pflege des Gattengrabes eine Sache der Pietät sei, steht dem diesbezüglichen Ersatzbegehren der Witwe nicht im Wege. Hat die Klägerin die Pflege des Grabes ihres verstorbenen Gatten vor dem Unfall durch den Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft vorgenommen und ist sie dazu wegen der Unfallfolgen nicht mehr in der Lage, dann erscheint es gerechtfertigt, den Schädiger mit den Kosten der Grabpflege in einer den Umständen angemessenen Höhe zu belasten. Nach Lehre und Rechtsprechung ist bei der Auslegung des § 1325 ABGB die Bestimmung des § 13 Z. 3 EKHG entsprechend zu berücksichtigen (Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 175; ZVR 1969/322, 1974/164 u. a.). Müller hat in Straßenverkehrsrecht[22], I. Bd., 355, unter dem Gesichtspunkt vermehrter Bedürfnisse bei vergleichbarer Rechtslage den Ersatzanspruch hinsichtlich jener Ausgaben, die dem Verletzten dadurch entstehen, daß er die Dienstleistungen anderer infolge seiner unfallsbedingten Körperbehinderung in Anspruch nehmen muß, bejaht. Koziol (Österreichisches Haftpflichtrecht II, 100) ordnet dem ersatzfähigen Schaden auch jene Aufwendungen zu, die durch die Verletzung verursacht wurden. Daß die Kosten der Grabpflege dem Hilflosenzuschuß nicht sachkongruent sind, räumt der Rekurs selbst ein. Wenn aber das Berufungsgericht die für die Beurteilung der Höhe der Kosten der Grabpflege erforderlichen Feststellungen als ergänzungsbedürftig erachtet, so kann der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten.
Entgegen den Rekursausführungen erscheinen die Abgrenzungskriterien für die dem Hilflosenzuschuß sachlich kongruenten Ansprüche der Klägerin in den Vorentscheidungen ausreichend dargelegt. Dem Standpunkt der Klägerin, daß die Kosten einer Haushaltshilfe mit dem Hilflosenzuschuß nichts zu tun hätten, sind die Vorinstanzen zutreffend nicht gefolgt. Die von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidungen betreffen einerseits Versehrtenrentenansprüche, andererseits aber jene Haushaltsleistungen, die die Ehegattin für den Mann und die Kinder erbrachte. Ist aber die Geschädigte durch den Unfall unfähig geworden, ihren eigenen Haushalt ordnungsgemäß zu führen, so kommen auch die hiefür aufgewendeten Kosten einer Aushilfskraft als Deckungsfonds für den Hilflosenzuschuß in Betracht. Für die Bejahung der sachlichen Kongruenz reicht es aus, daß die Tätigkeit der Aushilfskraft im Rahmen der Wartung und Hilfe zugunsten des Verletzten selbst infolge der Unfähigkeit zu solchen Verrichtungen, die seine eigene Person betreffen, fällt (vgl. SZ 44/24 u. a.). Eine weitere Unterteilung etwa in der Richtung, ob jede einzelne Verrichtung für sich allein betrachtet die Zuerkennung eines Hilflosenzuschusses rechtfertigt, kommt unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der sachlichen Kongruenz nicht in Betracht. Von den bisher konkret festgestellten Tätigkeiten der Hilfsperson ist also nur die Grabpflege nicht als Deckungsfonds für den Hilflosenzuschuß heranzuziehen. Wenn das Berufungsgericht aus den oben dargelegten. Erwägungen auf eine weitere Konkretisierung des Sachverhaltes dringt, so ermöglicht es damit der Klägerin nicht die Geltendmachung eines neuen Rechtsgrundes, sondern die Ergänzung ihres Sachvorbringens im Rahmen des bisherigen Rechtsgrundes, was durch die Bestimmung des § 182 ZPO gedeckt erscheint.
Was die Kosten der Zweitprothese anlangt, so hat die Klägerin hiezu vorgebracht, daß deren Anschaffung dringend erforderlich sei, weil die Erstprothese immer wieder angepaßt und repariert werden müsse und die Klägerin für die Dauer dieser Reparaturen bewegungsunfähig sei. Das Erstgericht hat der Klägerin die als angemessen beurteilten Kosten der Zweitprothese - ohne Feststellungen über dieses Vorbringen - aus der Erwägung zuerkannt, daß sie Anspruch auf die notwendige orthopädische Hilfe habe, sich nicht mit der billigsten Prothese begnügen müsse und ärztlicherseits wegen des Alters und des angegriffenen Gesundheitszustandes der Klägerin die Anschaffung einer Zweitprothese, die um zirka ein Drittel leichter wäre, empfehlenswert sei.
Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Gründes für die Anschaffung einer Zweitprothese ausgeführt, daß eine solche dann zweckmäßig sei, wenn die Klägerin infolge ihres Alters und Gesundheitszustandes nicht fähig wäre, ohne Prothese mit Krücken allein zu gehen. Es müsse also festgestellt werden, ob die Klägerin, wie sie behauptet, tatsächlich für die Dauer mehrfacher bereits vorgenommener und in Zukunft zu gewärtigender Reparaturen bewegungsunfähig sei. Auch dem Umstand, daß die modernere Gießharts-Prothese, um deren Anschaffungskosten es sich hier handle, um rund ein Drittel leichter als die bisher verwendete sei, könne Bedeutung zukommen. Der Klägerin bleibe es unbenommen, ihr Sachvorbringen zu ergänzen.
Wenn der Rekurs demgegenüber die Auffassung vertritt, nach dem Sachverständigengutachten sei der von der Klägerin geltend gemachte Grund für die Anschaffung einer Zweitprothese nicht zu bejahen, so stellt dies den unzulässigen Versuch dar, in die erst vorzunehmende Beweiswürdigung vorweg zu Lasten der Klägerin einzugreifen. Die vom Berufungsgericht über den von der Klägerin geltend gemachten Anschaffungsgrund dargelegten Rechtssätze sind zutreffend. Schon deshalb ist eine Aufhebung des Ersturteils nicht zu umgehen. Den Ausführungen des Berufungsgerichtes wäre - zu Lasten der Beklagten - ergänzend lediglich hinzuzufügen, daß eine Zweitprothese nicht nur bei völliger Bewegungsunfähigkeit der Klägerin, sondern auch bei wesentlich herabgesetzter Bewegungsfähigkeit während der Dauer der auch in Zukunft zu gewärtigenden Reparaturen und Anpassungen der Erstprothese zuzubilligen wäre. Ob die Klägerin Eigenmittel zur Anschaffung einer Zweitprothese einzusetzen in der Lage bzw. bereit wäre, ist belanglos.
Was den vom Erstgericht für die Anschaffung einer Zweitprothese ins Treffen geführten Grund anlangt, so hat die Klägerin bisher einen solchen nicht geltend gemacht; doch steht es ihr, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, frei, ihr Sachvorbringen in dieser Richtung zu ergänzen. Bemerkt sei hiezu lediglich, daß für einen Zuspruch unter diesem Gesichtspunkt nicht ausreichen würde, daß eine Zweitprothese ärztlicherseits empfehlenswert erscheint, sondern daß es darauf ankommt, ob durch die modernere und leichtere Prothese die Bewegungsfähigkeit der Klägerin ins Gewicht fallend verbessert, die Benützung durch die Klägerin wesentlich erleichtert bzw. eine Schädigung ihres angegriffenen Organismus beträchtlich herabgesetzt erscheint. Diesbezüglich fehlen die erforderlichen Behauptungen und Feststellungen.
Aus den angeführten Gründen hat es beim Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu verbleiben.
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