Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §35 Abs1
HGB §124
HGB §128
KO §51 Abs1 Z5
ZPO §1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §35 Abs1
HGB §124
HGB §128
KO §51 Abs1 Z5
ZPO §1
Spruch:
Forderungen an rückständigen Dienstgeberanteilen der Sozialversicherungsbeiträge jener Personen, die zu einer offenen Handelsgesellschaft in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sind im Konkurs über das Vermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters der ersten Klasse der Konkursforderungen gemäß § 51 Abs. 1 Z. 5 KO zuzuordnen
OGH 9. Mai 1978, 5 Ob 302/78 (OLG Wien, 1 R 297/77; HG Wien, 26 Cg 627/77),
Text
H K war Komplementär der H K und Söhne OHG und der L K OHG. Über das Vermögen des H K ist beim Handelsgericht Wien der Konkurs anhängig. In diesem Konkursverfahren hat die klagende Partei eine Forderung von 184 173.50 S an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen, die im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung fällig geworden sind, in der ersten Klasse angemeldet. Der Masseverwalter hat zwar nicht die Richtigkeit, wohl aber hinsichtlich eines Teilbetrages von 159 699 S die Rangordnung bestritten, weil es sich dabei nur um Forderungen gegen die obgenannten offenen Handelsgesellschaften handle.
Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die hinsichtlich ihrer Rangordnung bestrittene Teilforderung von 159 699 S in die erste Klasse der Konkursgläubiger gehöre. Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG und damit Beitragsschuldner sei bei einer offenen Handelsgesellschaft der persönlich haftende Gesellschafter, da die offene Handelsgesellschaft keine juristische Person sei.
Der beklagte Masseverwalter beantragte Klagsabweisung, weil Schuldner der Beitragsforderung die OHG und nicht der Gesellschafter sei und sich das Vorrechteiner Forderung gegenüber der Gesellschaft nicht auf den Gesellschafter erstrecke.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens, weil im Konkursverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters die Gesellschaftsgläubiger mit den Privatgläubigern des jeweiligen Gesellschafters konkurrierten und sämtliche persönlich haftende Gesellschafter Träger der Gesellschaftsrolle seien. Ausschlaggebend für die Klassifikation eines Anspruches sei allein die Art der Forderung und nicht die Person des Gläubigers oder Schuldners. Das Maß des Teilnahmeanspruches für die sich gegen den im Konkurs befindlichen Gesellschafter richtende Gesellschaftsforderung bestimme sich grundsätzlich nach der vollen Höhe der Gesellschaftsschuld und werde in dieser Höhe auch in sämtlichen Gesellschafterkonkursen angemeldet und zum Gegenstand des Prüfungsverfahrens. Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gelten die Gesellschafter einer OHG als Dienstgeber, zumal jede OHG auf Rechnung ihrer Komplementäre geführt werde. Die OHG sei nach herrschender Lehre keine juristische Person und werde nur für einzelne Rechtsbereiche als solche behandelt. Die strittige Forderung gehöre sohin in die erste Klasse der Konkursforderungen (§ 51 Abs. 1 Z. 5 KO).
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei mit dem Ausspruche nicht Folge, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige. Das Berufungsgericht erachtete, daß die Beurteilung, ob die offene Handelsgesellschaft oder ihre einzelnen Gesellschafter zur Leistung verpflichtet seien, nur nach jenem Rechtsbereich erfolgen könne, auf den sich die im Konkurs angemeldete Forderung stütze. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien jedoch gegenüber jenen Personen, die zu einer offenen Handelsgesellschaft in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, nicht die Gesellschaft selbst, sondern die einzelnen Gesellschafter als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG anzusehen. Es handle sich sohin im vorliegenden Falle um Forderungen aus Sozialversicherungsbeiträgen, die nicht gegen die Gesellschaft, sondern ausschließlich gegen die persönlich haftenden Gesellschafter bestunden, wobei im übrigen die Voraussetzungen für ihre Einreihung in die erste Klasse der Konjunkturgläubiger gar nicht bestritten seien.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Hinsichtlich der allein strittigen Frage, ob die gegenständliche Forderung zufolge offener Dienstgeberbeiträge aus der Sozialversicherung in die erste Klasse der Konkursforderungen gemäß § 51 Abs. 1 Z. 5 KO zuzuordnen ist, muß im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG davon ausgegangen werden, daß als Dienstgeber im Sinne dieses Gesetzes derjenige gilt, auf dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Untergerichte vertreten in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, daß als Dienstgeber jener Personen, die zu einer offenen Handelsgesellschaft in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, nicht die Gesellschaft selbst, sondern die einzelnen Gesellschafter anzusehen sind (vgl. SVSlg. 15 778; 17 670; 21 210; VwGH Slg. 8214 A/1972; VwGH 1571/75 in ZfVB 1976/861). Dieser Auffassung ist schon deshalb beizupflichten, weil die offene Handelsgesellschaft keine juristische Person ist, wenn sie auch selbständige Trägerin von Rechten und Verbindlichkeiten sein kann und im Rechtsverkehr in bestimmten Teilbereichen wie eine juristische Person auftritt (vgl. Kastner, Grundriß, 56). Die für oder gegen die offene Handelsgesellschaft begrundeten Rechte und Pflichten haben aber unmittelbare Auswirkungen auf die Gesellschafter, so daß diese materiell-rechtlich in ihrer Gesamtheit das Subjekt der Rechte und Verbindlichkeiten der Gesellschaft bilden (vgl. SZ 32/87; HS 78, 1266, 1267; Hämmerle, Handelsrecht[3] 2, S. 52; Hueck, Gesellschaftsrecht[17], S. 59). Wenn sohin im Bereich des Sozialversicherungsrechtes davon ausgegangen wird, daß auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 ASVG als Dienstgeber der zu der Gesellschaft in einem Dienstverhältnis stehenden Person die einzelnen Gesellschafter anzusehen sind, steht dies entgegen der Auffassung der Revisionswerberin auch in keinem unüberbrückbaren Gegensatz zu der aus den handelsrechtlichen Grundsätzen abzuleitenden Stellung der Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft.
Insoweit die Revisionswerberin auf die Auffassung Reimers in "Die Ausgleichsordnung und ihre Anwendung auf die offene Handelsgesellschaft und ihre persönlich haftenden Gesellschafter, 88" zur Stützung ihrer Auffassung verweist, in der im Zusammenhang mit bevorrechteten Forderungen gegen einen Durchgriff der Wirkung des Gesellschaftskonkurses auf den Gesellschafterkonkurs Stellung genommen wird, könnte dies im Hinblick auf die dargelegte Rechtsauffassung dahingestellt bleiben. Zu bemerken ist aber, daß der OGH mit ablehnender Stellungnahme zu Reimer die Auffassung vertreten hat, daß etwa das Konkursvorrecht einer Masseforderung nicht ein neben der Forderung bestehendes, sich notwendigerweise ausschließlich auf das eine Konkursverfahren beziehende Recht, sondern vielmehr eine besondere Eigenschaft dieses Rechtes ist, daß diesem kraft Gesetzes zukommt und auf dem Entstehungsgrund der Forderung beruht. Eine solche bevorrechtete Forderung ist deswegen und wegen der besonders engen Verflechtung der persönlich haftenden Gesellschafter mit der Gesellschaft an deren Verbindlichkeiten in dem für den Gesellschaftskonkurs maßgebenden Umfang auch im Gesellschafterkonkurs durchzusetzen (vgl. 4 Ob 101/77 = EvBl. 1978/20, 73).
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