OGH 3Ob630/77

OGH3Ob630/7724.1.1978

SZ 51/6

Normen

ABGB §1029
ABGB §1029

 

Spruch:

Die bloße Bestellung einer Person zum Geschäftsführer bedeutet noch nicht, daß der Vollmachtgeber den äußeren Tatbestand zu vertreten hat, wenn der Vollmachtnehmer im Geschäftsbetrieb als mit unbeschränkter Vollmacht ausgestatteter Vertreter des Unternehmers oder auch als Eigentümer des Unternehmens auftritt

OGH 24. Jänner 1978, 3 Ob 630/77 (OLG Wien 1 R 139/77; HG Wien 29 Cg 1097/75)

Text

Mit der gegenständlichen Klage begehrt die klagende Partei von der B eklagten die Bezahlung eines Teiles des Kaufpreises für eine "K-Way Postmixanlage". Hiezu wurde im wesentlichen vorgebracht, die Beklagte habe dieses Gerät von der klagenden Partei gekauft; es sei ein Kaufpreis von 163 900 S zuzüglich 26 224 S Umsatzsteuer sofort zu entrichten gewesen; der Restkaufpreis sollte im Wege einer Finanzierung durch ein Kreditinstitut von diesem nach Installierung der Anlage bezahlt werden. Der von er Bank gewährte Kredit sollte dieser in 48 Monatsraen zurückbezahlt werden. Zur Installierung der Anlage sei es nicht gekommen, weil sich die Beklagte weigere, den Kaufvertrag zuzuhalten. Der Klagsbetrag setze sich aus der zu entrichtenden Umsatzsteuer von 26 224 S und der ersten Rate von 3414.58 S zusammen. Das Zinsenbegehren wurde von ursprünglich 11 % vom Klagsbetrag ab dem Tag der Klagsbehändigung auf 5 % (vom Klagsbetrag) ab 22. Juli 1975 eingeschränkt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin habe am 18. Juni 1975 mit der Mutter der Beklagten, Erika S, die mit dem Namen der Beklagten unterschrieben habe, einen Kaufvertrag über eine Postmixanlage im Gesamtwert von 190 124 S abgeschlossen; der Klägerin sei jedoch bekannt gewesen, daß Erika S von der Eigentümerin des Gasthofes "B" in H, der Beklagten, hiezu nicht ermächtigt und bevollmächtigt gewesen sei. Die Mutter der Beklagten habe sofort nach Abschluß der Vereinbarung bei ihrer Tochter angerufen. Diese habe die Bestellung nicht genehmigt, was mit Schreiben vom 20. Juni 1975 der Klägerin bekanntgegeben worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging hierbei von folgenden Feststellungen aus:

Sigrid W ist Eigentümerin des Gasthofes "B" in H. Die Beklagte hat in London einen Wohnsitz und kommt nur etwa drei- bis fünfmal im Jahr nach Tirol. Seit dem 1. Jänner 1974 ist ihre Mutter, Erika S, als Angestellte Geschäftsführerin im Gasthof "B". Ihre Befugnisse sind nur intern auf den Einkauf von Getränken und Lebensmittel beschränkt.

Am 18. Juni 1975 erschienen die Vertreter der Klägerin J und R im Gasthof "B". Erika S, die sich als Chefin ausgab, interessierte sich für ein Postmixgerät, suchte aus den Prospekten ein solches für sechs Getränke inklusive Bier aus und gab genaue Anweisungen, wie und wo die Anlage zu installieren sei. Sodann füllte der Vertreter J den Kaufvertrag aus und unterschrieb, worauf Erika S, die sich jedoch als Sigrid W ausgab - was nicht auffiel, weil sie die Schlüssel zu allen Räumen besaß, und sich aus "ihrem Büro" den Stempel "Gasthof B, H" holen ließ -, unter Beisetzung zweier solcher Stempelabdrücke mit "Sigrid W" unterschrieb. Sodann wurde auch der Kreditantrag, wieder unter Beifügen eines Stempelabdruckes, von Erika S mit "S W" unterschrieben.

Später bekam Erika S jedoch Bedenken und sie telephonierte mit ihrer Tochter in London; diese machte ihrer Mutter Vorhaltungen und erklärte, mit dem Kauf nicht einverstanden zu sein. Darauf versuchte Erika S, den Vertrag zu stornieren.

Vereinbart bekam Erika S jedoch Bedenken und sie telephonierte mit ihrer Tochter in London; diese machte ihrer Mutter Vorhaltungen und erklärte, mit dem kauf nicht einverstanden zu sein. Darauf versuchte Erika S, den Vertrag zu stornieren.

Vereinbart war, daß die Umsatzsteuer von 26 224 S als Anzahlung sofort zur Zahlung fällig sein sollte; der Restkaufpreis von 163 900 S sollte in 48 Monatsraten abgestattet werden. Es war eine prompte Lieferung vorgesehen. Die klagende Partei ist jederzeit lieferbereit. Mit Schreiben vom 23. Juni 1975 verweigerte die Beklagte jedoch die Annahme, wobei dieses Schreiben von Erika S mit "S W" unterfertigt wurde.

Der Kaufpreis haftet zur Gänze unberechtigt aus. Beide Streitteile sind als Kaufleute im Handelsregister protokolliert.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Klägerin bzw. deren Vertreter mit Rücksicht auf den durch die Beklagte und ihre Mutter geschaffenen äußeren Tatbestand darauf vertrauen konnten, mit der Beklagten einen rechtsverbindlichen Betrag sei daher samt Handelszinsen zur Zahlung fällig.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge. Die Urteile der Vorinstanzen wurden aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In rechtlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht zutreffend zu der Ansicht gelangt, daß der Vertragsabschluß durch die Mutter der Beklagten, obgleich sie das Vertretungsverhältnis nicht offengelegt und sich sogar als die Vertretene ausgegeben hat, als rechtsgeschäftliche Handeln für ihre Tochter zu qualifizieren ist, weil die Mutter der Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichtes zur Führung der Geschäfte des Gasthofes "B" bevollmächtigt war. Die Beschränkung der erteilten Vollmacht zur Geschäftsführung im Innenverhältnis ist für die Beurteilung der Vertretungsmacht nach außen unbeachtlich.

Mangels einer ausdrücklichen vertraglichen Festlegung der Vollmacht richtet sich deren Umfang nach dem Gegenstand und der Natur des Geschäftes. Der Bevollmächtigte ist zu allen Handlungen ermächtigt, welche nach dem Geschäftsgebrauch oder nach den Umständen des Falles in den Bereich des aufgetragenen Geschäftes gehörden, oder anders ausgedrückt, welche die Vornahme eines derartigen Geschäftes gewöhnlich mit sich bringt, wobei nicht ein allzu strenger Maßstab angelegt werden darf (SZ 24/320; 5 Ob 322/71; 3 Ob 55/74; 1 Ob 522/77; 1 Ob 550/77; Stanzl in Klang[2] IV/1, 881 f.). Dieser Grundsatz gilt nach § 54 HGB auch entsprechen bei der Bevollmächtigung zum Betriebe eines Handelsgewerbes, soweit nicht eine Prokura erteilt wird.

Nach diesen Grundsätzen ist zu beurteilen, ob die Mutter der Beklagten für letztere den gegenständlichen Kaufvertrag rechtswirksam abgeschlossen hat. Daß die Geschäftsführungsvollmacht der mutter der Beklagten völlig unbeschränkt war, ist nicht erwiesen. Der klagenden Partei bzw. ihren Vertretern bot sich nach den Feststellungen des Erstgerichtes wohl der äußere Anschein, daß die Mutter der Beklagten die Eigentümerin des Unternehmens ("Chefin") sei, es ist aber nicht erwiesen, daß dieser äußere Tatbestand seinen Grund im Verhalten der Beklagten gefunden hat. Nur unter dieser Voraussetzung wäre das Vertrauen der klagenden Partei auf den äußeren Tatbestand (Handeln der Mutter der Beklagten mit den Befugnissen des Eigentümers des Unternehmens) geschützt (Welser, JBl. 1975, 599; SZ 44/5; SZ 44/6; SZ 45/71 u. v. a.). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes besteht auch kein Grund zur Annahme, daß die klagende Partei bzw. ihre Vertreter auf Grund eines von der Beklagten geschaffenen äußeren Tatbestandes annehmen konnten, die Mutter der Beklagten sei Prokuristin des gegenständlichen, angeblich protokollierten Unternehmens. Die bloße Bestellung einer Person zum Geschäftsführer - mehr ist hier in dieser Richtung nicht erwisen -, bedeutet noch nicht, daß der Vollmachtgeber es im Sinne des obigen Grundsatzes zu vertreten hat, wenn der Vollmachtnehmer im Geschäftsbetrieb als mit unbeschränkter Vollmacht ausgestatteter Vertreter des Unternehmers oder gar als Eigentümer des Unternehmens auftritt.

Wie das Berufungsgericht weiters zutreffend ausgeführt hat, kommt es bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Vertretungshandlung der Mutter der Beklagten darauf an, ob das gegenständliche Geschäft ein für den Betrieb der beklagten Partei "gewöhnliches" ist oder nicht. Das Berufungsgericht hat dies verneint. Die in der Revision dagegen angeführten Bedenken treffen jedoch zu.

Ein ungewöhnliches Geschäft liegt dann vor, wenn mi Rücksicht auf die Verhältnisse des Unternehmens ungewöhnlich große Verpflichtungen eingegangen oder besondere Bedingungen, wie sie im betreffenden Geschäftszweig nicht üblich sind, gewährt werden, wenn also der Abschluß des Betrffenden Geschäftes auch bei Anlegung eines nicht allzu strengen Maßstabes vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt bei ordnungsgemäßer Führung der Geschäfte nicht vertretbar ist. Ob dies zutrifft, ist nach den Umständen des Einzelfalles, insbesonderee nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu prüfen. Für die verläßliche Beurteilung, ob der Kauf der "Postmixanlage" für den Gasthof der beklagten Partei im Sinne dieser Ausführungen ein gewöhnliches Geschäft war, ist aber, worauf in der Revision zutreffend hingewiesen wurde, die Sachlage noch nicht hinreichend geklärt. Es bedarf hiezu noch ergänzendr Feststellungen über die Größe des Unternehmens, dessen Ertragslage und insbesondere über den Umsatz von Getränken, für deren Ausschank die Postmixanlage geeignet ist. Hiezu wird allenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein.

Das Vorbringen in der Revision, daß die Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht habe, daß ihre Mutter zu Geschäften derartigen Umfangs nicht berechtigt gewesen sei, ist unzutreffend. Bereits in der Klagebeantwortung hat die Beklagte eingewendet, daß ihre Mutter für eine derartige Bestellung bzw. für ein solches Rechtsgeschäft nicht bevollmächtigt und auch sonst nicht berechtigt gewesen sei.

Auf Grund des aufgezeigten Feststellungsmangels war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil aufzuheben. Da es einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und die Streitsache an dieses Gericht zurückzuverweisen.

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