OGH 6Ob523/77

OGH6Ob523/7710.2.1977

SZ 50/23

Normen

ABGB §1498
ZPO §226
ABGB §1498
ZPO §226

 

Spruch:

Die Klage des Ersitzungsbesitzers nach § 1498 ABGB muß nicht unbedingt mit Feststellungsbegehren erhoben werden. Ein Begehren, das einer Leistungsklage angepaßt ist, kann vor allem dann als schlüssig angesehen werden, wenn es der Teilung eines Grundstückes bedarf, um die Grundlage einer bücherlichen Eintragung zu schaffen

OGH 10. Feber 1977, 6 Ob 523/77 (LG Klagenfurt 2 R 495/76; BG Feldkirchen/Kärnten C 366/75 )

Text

Die Kläger begehrten in ihrer Klage, die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, "in die Unterteilung des Grundstückes Nr. 147/2 KG B inneliegend in der EZ 29 dieser KG. Grundbuch des Bezirksgerichtes Feldkirchen in dieses und die grün schraffierte Teilfläche laut Teilungsplan (Lageplan) des Dipl.-Ing. P vom 17. März 1970 sowie die lastenfreie Abschreibung der Teilfläche grün von der EZ 29 KG B und die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger ob derselben Fläche einzuwilligen. Sie stützen ihren Anspruch auf den Rechtstitel der Ersitzung und behaupteten u. a. sie und ihre Rechtsvorgänger im Eigentum des Grundstückes Nr. 146 KG B hätten die im Klagebegehren genannte grün schraffierte Fläche des Grundstückes Nr. 147/2 KG B "seit urdenklichen Zeiten" als ihr Eigentum genutzt. "Die Benützungsgrenze hätten die Kläger und ihre Rechtsvorgänger "durch einen Weidezaun kenntlich gehalten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil die Voraussetzungen für die Ersitzung des Eigentumsrechtes an der strittigen Fläche gegeben seien.

Das Berufungsgericht ändert das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, das "selbstverständliche Erfordernis der Schlüssigkeit der Klage" bedeute, daß sich die im Urteilsbegehren zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge aus dem behaupteten Sachverhalt ableiten müsse. Die Schlüssigkeitsprüfung sei von Amts wegen vorzunehmen und das Klagebegehren abzuweisen, wenn das Tatsachenvorbringen unvollständig sei oder der geltend gemachte Klagsanspruch sich nicht aus den Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei ergeben.

Die Kläger stützten ihren Anspruch auf Einwilligung der Beklagten zur Unterteilung des Grundstückes, zur lastenfreien Abschreibung eines Teiles desselben von der EZ 29 KG B und zur Einverleibung ihres Eigentumsrechtes in Ansehung dieser Fläche auf den Rechtstitel der Ersitzung. Während bei derivativen Eigentumserwerb der Veräußerer die Sache dem Erwerber nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes übergeben und gemäß § 31 GBG auch seine Zustimmung zur grundbücherlichen Übereignung des unbeweglichen Gutes erklären müsse, treffe den bisherigen Gründeigentümer eine solche Verpflichtung im Falle der Ersitzung des Eigentumsrechts an seiner Sache durch einen Dritten nicht. Diese originäre Erwerbsart bewirke den dinglichrechtlichen Erwerb des Eigentums an der ersessenen Sache, ohne daß dazu eine Eintragung im Grundbuch gemäß § 431 ABGB erforderlich wäre. Haben die Kläger und ihre Rechtsvorgänger die jetzt strittige Fläche südlich des Grundstückes Nr. 202/1 öffentlicher Weg durch mindestens 30 Jahre ausschließlich, redlich und echt besessen, sei dieser Grundstreifen mit Ablauf der Ersitzungszeit in ihr Eigentum übergegangen. Das bereits erworbene "Ersitzungseigentum" sei grundsätzlich durch eine Feststellungsklage im Sinne des § 1498 ABGB geltend zu machen. Den Klägern wäre es im Falle ihres Obsiegens freigestanden, bei der Vermessungsbehörde eine dem Feststellungsurteil entsprechende Mappenberichtigung zu verlangen. Außerbücherliche Veränderungen in den Eigentumsgrenzen und damit im Flächenausmaß der einzelnen Grundstücke durch Ersitzung seien nach den §§ 6, 11 ff. GV, 3.5 AllgGAG im übrigen nicht Gegenstand bücherlicher Eintragungen in den Gutsbestandsblättern. Die Grundbuchsmappe sei für den Umfang des Eigentumserwerbes an einer Liegenschaft nicht maßgebend. Sie solle lediglich die Lage der einzelnen Grundstücke und der an sie grenzenden Nachbarflächen veranschaulichen und liefere keinen Beweis hinsichtlich der Grenzen, Flächenausmaße und Eigentumsverhältnisse der dargestellten Liegenschaften. Im Falle einer Divergenz zwischen der Mappengrenze und der Naturgrenze bei der Liegenschaftsübertragung gelte daher das letztere. Erst die von den Vermessungsämtern nach und nach errichteten Grenzkataster würde gemäß § 49 VermG Publizitätswirkung haben. Die Kläger hätten zwar ihre Klage im Rubrum als Klage auf Feststellung und Einverleibung des Eigentums bezeichnet, das Urteilsbegehren jedoch ausdrücklich nur auf die Zustimmung der Beklagten zur Unterteilung des Grundstückes Nr. 147/2 KG B in dieses und die im Lageplan Beilage A grün schraffierte Teilfläche, zur lastenfreien Abschreibung dieses Grundstreifens von der Liegenschaft der Beklagten und zur Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger ob derselben Fläche gerichtet. Dieses Begehren wäre allenfalls zur Durchsetzung eines derivativen Eigentumserwerbes geeignet, hingegen werde es durch die Behauptung des bereits originär erworbenen "Ersitzungseigentums der Kläger an der strittigen Fläche" nicht schlüssig begrundet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Welches Klagebegehren zu wählen ist, wenn der Ersitzungsbesitzer, der die Ersitzung vollendet hat, sein Recht mit Klage geltend macht (§ 1498 ABGB), ist - wie der OGH in der Entscheidung 1 Ob 108/72 bereits ausgesprochen hat - im Gesetz nicht näher ausgeführt. Die Lehre vertritt dazu, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, die Auffassung, daß das Klagebegehren jenes der Feststellungsklage ist. Dieser Ansicht folgte, soweit überschaubar, die Rechtsprechung hinsichtlich der Geltendmachung einer ersessenen Dienstbarkeit. Jedoch wurde dabei in der bereits zitierten Entscheidung 1 Ob 108/72 unter Hinweis darauf, daß das Gesetz keine Regelung enthalte, welches Klagebegehren bei der Geltendmachung der vollendeten Ersitzung zu wählen sei, ausgeführt, es bestehe kein grundsätzlicher Einwand gegen die im dortigen Verfahren vom Erstgericht vorgenommene Formulierung des Urteilspruches, die Beklagten seien schuldig, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den in der Natur ersichtlichen im Spruch näher beschriebenen Weg zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft einzuwilligen.

Sicherlich wird auch bei der Geltendmachung der Ersitzung des Eigentumsrechtes an einer Grund fläche die Feststellung der Ersitzung im Vordergrund stehen. Es kann jedoch nicht allgemein davon ausgegangen werden, daß auch in einem solchen Fall ausschließlich mit einer Feststellungsklage vorzugehen und ein Begehren, welches einer Leistungsklage angepaßt ist, schon allein deshalb als unschlüssig anzusehen sei. Dies insbesondere dann nicht, wenn es, wie im vorliegenden Fall, der Teilung eines Grundstückes bedarf, um die Grundlage einer bücherlichen Eintragung zu schaffen. Im vorliegenden Fall, in welchem es sich um die Ersitzung eines erheblichen Teiles des Grundstückes Nr. 147/2 KG B handelt, kann nicht mehr vom Vorliegen einer Divergenz bloß zwischen Mappengrenze und Naturgrenze ausgegangen werden.

Daß die Kläger ungeachtet der Fassung ihres Begehrens auch die Feststellung ihres Eigentumsrechtes an der "strittigen Fläche" erreichen wollten, kann nach ihrem Vorbringen nicht zweifelhaft sein. Bei der Prüfung des Inhalts des Begehrens einer Klage ist nämlich nicht allein von der Fassung dieses Begehrens, sondern vom gesamten Sachvorbringen der klagenden Partei auszugehen und danach zu beurteilen, welcher Ausspruch des Gerichtes dem Sinngehalt nach tatsächlich begehrt wurde (vgl. dazu SZ 27/12; 6 Ob 115/75 u. a.; Fasching, Komm. zu den ZPG III, 53, 54).

Es kann dahingestellt bleiben, ob es zufolge der Bestimmung des § 1498 ABGB überhaupt noch des Nachweises eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung bedarf. Im vorliegenden Fall ergibt sich dieses rechtliche Interesse der Kläger schon daraus, daß die Beklagten den behaupteten Eigentumserwerb durch Ersitzung bestreiten.

Die vom Berufungsgericht angenommene Unschlüssigkeit des Klagebegehrens liegt demnach nicht vor. Es kann aber auch nicht, wie die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung meinen, von einer Unschlüssigkeit der Klage wegen Unbestimmtheit oder "mangelnder Exequierbarkeit" des gestellten Begehrens die Rede sein.

Da das Berufungsgericht von seiner nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend, sich mit den übrigen Berufsausführungen nicht befaßt hat, mußte sein Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufsgericht zurückverwiesen werden.

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