OGH 5Ob308/76

OGH5Ob308/7618.1.1977

SZ 50/4

Normen

HGB §15 Abs1
HGB §171 Abs1
HGB §176 Abs2
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr10 Abs1
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr11
KO §110
HGB §15 Abs1
HGB §171 Abs1
HGB §176 Abs2
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr10 Abs1
Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr11
KO §110

 

Spruch:

Der gänzliche oder anteilige rechtsgeschäftliche Erwerb einer Kommanditbeteiligung ist nicht als Eintritt eines neuen Kommanditisten in die Gesellschaft im Sinne des § 176 Abs. 2 HGB anzusehen

OGH 18. Jänner 1977, 5 Ob 308/76 (OLG Linz 4 R 85/76; LG Linz 16 Cg 23/75)

Text

In den beim Erstgericht geführten Handelsregister ist unter A 520 seit 11. August 1969 die Kommanditgesellschaft Firma Josef K und Komp. mit dem einzigen Komplementär Firma K Gesellschaft m.b.H. und den beiden Kommandilisten Josef K und Ilse K, je mit einer Haftsumme von 900 000 S, eingetragen.

Auf Grund des Vertrages der Gesellschafter vom 17. November 1971 trat Michael K mit Wirkung vom 1. Jänner 1971 durch Erwerb eines Teiles des Kommanditanteiles der Gesellschafterin Ilse K als Kommanditist in die Gesellschaft ein, so daß seither die Kommanditeinlage der Übertragenden Gesellschafterin 500 000 S und die Kommanditeinlage des neuen Kommanditisten 400 000 S beträgt. Diese Änderung wurde im Handelsregister beim Erstgericht nicht eingetragen.

Über das Vermögen der Kommanditgesellschaft Josef K und Komp. und das ihrer Komplementär-Gesellschaft wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 18. Dezember 1974 der Ausgleich und mit Beschluß vom 26. Mai 1975 der Anschlußkonkurs eröffnet. Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 3. Juni 1975 auch über das Vermögen des Michael K, dem Antrag des Gemeinschuldners gemäß, den Konkurs eröffnet.

Die Forderung der Klägerin aus dem Jahre 1974 in der Höhe von 181 544 S wurde im Konkurs der Kommanditgesellschaft zur Gänze und im Konkurs der Komplementär-Gesellschaft im Umfange des Ausfalles, den die Gläubigerin in jenem Konkurs erleidet festgestellt.

Ausschließlich mit Berufung auf § 176 Abs. 2 HGB und auf die unterlassene Eintragung seines Eintritts als Kommanditist in die Firma Josef K und Komp. die seine unbeschränkte Haftung für die Gesellschaftsschulden zur Folge habe, hat die Klägerin ihre Forderung gegen die Kommanditgesellschaft auch im Konkurs über das Vermögen des Michael K in der dritten Klasse der Konkursgläubiger angemeldet. In der Prüfungstagsatzung am 14. Oktober 1975 wurde diese Forderung von der nun beklagten Gesellschaft, deren Konkursforderung dort festgestellt ist, bestritten.

Die Klägerin begehrt die Feststellung dieser Forderung in der dritten Klasse der Konkursgläubiger des Michael K im Umfange des Ausfalles, den sie als Gläubigerin im Konkurs der Kommanditgesellschaft Josef K und Komp. erleide. Sieberuft sich - wie schon in der Forderungsanmeldung (§ 110 Abs. 1 KO) - auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 176 Abs. 2 HGB für die unbeschränkte Haftung des Gemeinschuldners.

Die beklagte Gesellschaft hat die Abweisung des Klagebegehrens im wesentlichen mit der Begründung beantragt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung nicht gegeben seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Die Unterinstanzen sind davon ausgegangen, daß Michael K der Fortsetzung der Geschäfte durch die Kommanditgesellschaft zumindest stillschweigend zugestimmt und die beklagte Gesellschaft nicht behauptet habe, der Klägerin sei die Kommanditistenstellung des Michael K bekannt gewesen. Den Gläubigern gegenüber sei die Übertragung eines Teiles der Kommanditeinlage erst ab Eintragung der Veränderung rechtswirksam, es sei denn, daß die Geschäfte mit Zustimmung des Neueintretenden fortgesetzt werden. Letzteres sei hier der Fall gewesen, so daß Michael K den Gläubigern der Kommanditgesellschaft gemäß § 176 Abs. 2 HGB unbeschränkt hafte.

Der Oberste Gerichtshof änderte über die Revision der beklagten Partei die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß er das Klagebegehren abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach der gesetzlichen Regel (Art. 7 Nr. 10 Abs. 1 und Nr. 11 der 4. EVZHGB) ist die Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft des Handelsrechtes wegen ihres persönlichen Charakters unübertragbar. Diese Regel hatte schon das ADHGB in Art. 98 Abs. 2 ausgedrückt. Der historische Gesetzgeber sah also die Möglichkeit der Übertragung der Mitgliedschaft an Personengesellschaften des Handelsrechtes nicht vor (Westermann, Handbuch der Personengesellschaft I, RdZ 934). Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß die gesetzliche Regel nicht zwingendes Recht darstellt (so schon Staub - Pisko, Kommentar zum ADHGB[3] I/1, 428; Schilling in Großkommentar HGB[3] II/2, 135 und 237; Westermann a. a. O. I, RdZ 934; Hueck, Das Recht der OGH[4], 395 f.; SZ 24/251). Für die gänzliche oder anteilige Übertragung der Mitgliedschaftsrechte an Personengesellschaften des Handelsrechtes wird nur gefordert, daß sie auf Grund des Gesellschaftsvertrages oder mit Zustimmung aller Gesellschafter und des Beitretenden erfolgt (dieselben a. a. O.). Die Zulässigkeit der rechtsgeschäftlichen Anteilsübertragung an Personengesellschaften des Handelsrechtes, insbesondere von Kommanditbeteiligungen, trägt einem anerkannten offensichtlichen Bedürfnis Rechnung (Westermann a. a. O. I, RdZ 934). Da der historische Gesetzgeber sie jedoch nicht vorsah, hat er für die im Zusammenhang damit auftretenden Probleme auch keine Regelung getroffen. Dies gilt insbesondere für den hier bedeutsamen Fall, daß die anteilige Übertragung einer Kommanditbeteiligung nicht in das Handelsregister eingetragen wurde, obwohl es sich nach dem Zweck des Handelsregisters um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt RG 30. September 1944; WM 1964, 1130, 1131).

Die Untergerichte waren mit der Klägerin der übereinstimmenden Auffassung, der vorliegende Sachverhalt sei durch § 176 Abs. 2 HGB geregelt. Tatsächlich handelt es sich hier jedoch nicht um den Tatbestand, den § 176 Abs. 2 HGB regelt. Nach der nun allgemein herrschenden Ansicht stellt nämlich die gänzliche oder anteilige rechtsgeschäftliche Übertragung einer Kommanditbeteiligung nicht einen zweiaktigen Vorgang dar, der im Austritt des Übertragenden und im Eintritt des erwerbenden Kommanditisten besteht; vielmehr handelt es sich um einen einheitlichen Akt der (abgeleiteten) Einzelrechtsnachfolge durch den erwerbenden Kommanditisten in die Gesellschafterstellung des übertragenden Kommanditisten, der sich im Innenverhältnis durch die Übertragung der Mitgliedschaft vollzieht (Westermann a. a. O. I, RdZ 935; Schilling a. a. O., 135). Der neue Kommanditist rückt in die Rechtsstellung des übertragenden Kommanditisten ein (Hueck, Gesellschaftsrecht[17], 105). Dieser Tatbestand unterscheidet sich vom "Eintrittstatbestand" des § 176 Abs. 2 HGB ganz wesentlich. Zweck und Prinzip der durch diese Norm getroffenen Regelung, also die ratio legis (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft[3], 326), ist nach der herrschenden Auffassung die Sicherung des Rechtsverkehrs zum Schutz potentieller Gläubiger (Kornblum, Die Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften, 250; Weipert in RGR-HGB[2] II, 678; Schlegelberger - Geßler HGB[4] II, 1409; Schilling a. a. O., 250); der Kommanditist soll zur Bewirkung seiner Eintragung mit der entsprechenden Haftsumme im Handelsregister veranlaßt werden. Insofern kommt dem Tatbestand infolge der durch die Unterlassung der Eintragung im Handelsregister entstehenden unbeschränkten Haftung strafartiger Charakter zu (dieselben a. a. O). Der Gesellschaftsgläubiger kann sich nach herrschender Auffassung selbst dann auf die fehlende Handelsregistereintragung berufen, wenn er zur Zeit der Entstehung des den Anspruch gegen die Gesellschaft begrundenden Rechtsverhältnisses von dem Vorhandensein des Kommanditisten als eines Gesellschafters nichts wußte und folglich auf dessen unbeschränkte Haftung weder vertraute noch vertrauen konnte (Westermann, Personengesellschaftsrecht[2] I RdZ 909; Kornblum a. a, O. 250; Schilling a. a. O. 250). Daß die unbeschränkte Haftung des im Handelsregister nicht eingetragenen Kommanditisten durch seine bloß interne, den Gesellschaftsgläubigern in aller Regel nicht erkennbare Verweigerung der Zustimmung zur Fortsetzung der Geschäfte der Gesellschaft vermieden werden kann, ist ein weiteres Argument gegen das Verständnis der Vorschrift des § 176 Abs. 2 HGB als Vertrauensschutznorm (Westermann zuletzt a. a. O. I RdZ 909; Kornblum a. a. O. 250). Soweit die ratio legis dieser Norm durchschaubar ist, kann sie also letztlich nur darin erblickt werden, daß ein der Fortsetzung der Geschäfte der Gesellschaft zustimmender Kommanditist dann unbeschränkt für die nach seinen Eintritt in die Gesellschaft begrundeten Gesellschaftsverbindlichkeiten haften soll, wenn seine den Gesellschaftsgläubigern nicht bekannte und aus dem Handelsregister auch nicht erkennbare Kommanditbeteiligung durch die Schaffung einer neuen Kommanditistenstelle zu einer Vermehrung des von den Gesellschaftsgläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen heranziehbaren Vermögens geführt hat. Der gänzliche oder anteilige rechtsgeschäftliche Erwerb einer Kommanditbeteiligung stellt daher mangels Vermehrung des dem Gläubigerzugriff dienstbaren Vermögens keinen "Eintritt" eines neuen Kommanditisten im Sinne des § 176 Abs. 2 HGB dar. Damit kommt mangels gleichen Sachverhaltes eine unmittelbare Anwendung des § 176 Abs. 2 HGB für einen solchen Fall nicht in Betracht.

Es bleibt zu prüfen, ob eine ausdehnende Anwendung dieser Norm im Wege der Analogie möglich ist. Diese hätte zur Voraussetzung, daß das Gesetz in Beziehung auf den vorliegenden Sachverhalt "planwidrig unvollständig" ist (vgl. Larenz a. a. O., 358 und die dort in FN 16 zitierte Literatur; 4 Ob 313/76).

Es ist bereits dargelegt worden, daß der dem Gesetz zugrunde liegender Regelungsplan, wie er sich aus Art. 7 Nr. 10 Abs. 1 und Nr. 11 der 4. EVZHGB (bzw. schon aus Art. 98 Abs. 2 ADHGB, der das Vorbild der §§ 717 und 719 Abs. 1 BGB war, denen Art. 7 Nr. 10 Abs. 1 und Nr. 11 leg. cit. zum Zwecke der Rechtsangleichung nachgebildet wurde) klar ergibt, die Übertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte an Personengesellschaften des Handelsrechtes nicht vorsah. In einem solchen Fall kann jedoch von einer "planwidrigen" und durch Analogie schließbaren Gesetzeslücke nicht gesprochen werden; das Gesetz ist vielmehr, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, vollständig (Larenz a. a. O., 358 f.). Aus diesem Gründe ist nur noch zu erwägen, ob nicht über den Plan des Gesetzes hinaus mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs (Larenz a. a. O., 402 f.), den auch die Vorschrift des § 176 Abs. 2 HGB schützen soll, im Wege der Rechtsfortbildung eine unbeschränkte Haftung des erwerbenden Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aus der Nichteintragung des Übertragungsvorganges im Handelsregister abgeleitet werden kann. Ein besonderes, über die Regelung des § 174 HGB, der die Herabsetzung der Haftsumme eines Kommanditisten mangels Eintragung im Handelsregister den Gesellschaftsgläubigern gegenüber unwirksam sein läßt, hinausgehendes Schutzbedürfnis der Gesellschaftsgläubiger und damit des Geschäftsverkehrs allgemein besteht jedoch nicht, weil die gänzliche oder anteilige Übertragung der Kommanditbeteiligung, wie bereits dargelegt wurde, eine eintragungspflichtige Tatsache ist, die den davon nicht unterrichteten Gesellschaftsgläubigern mangels Eintragung im Handelsregister gemäß § 15 Abs. 1 HGB als nicht bekannt gilt, so daß bis zum Vollzug der erforderlichen Handelsregistereintragung der übertragende Kommanditist in der vollen Höhe der für ihn eingetragenen Haftsumme den Gesellschaftsgläubigern auch für die nach dem Zeitpunkt der internen Übertragung der Kommanditbeteiligung begrundeten Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet, sofern er nicht durch die Volleistung seiner Einlage ohnedies von jeder weiteren Haftung ausgeschlossen war (§ 171 Abs. 1 HGB). Er müßte den Gläubigern dafür einstehen, daß ihre Position durch den internen Übertragungsvorgang nicht verschlechtert wird, und würde deshalb haftbar sein, wenn nach der Übertragung die Kommanditeinlage an den neuen Gesellschafter zurückbezahlt oder durch Abhebung von Gewinn zu Unrecht geschmälert wird (Hueck, Gesellschaftsrecht[17], 105 und die dort verwiesenen Vergleichsstellen).

Die Klägerin hat ihren Klageanspruch im Sinne des § 110 Abs. 1 KO ausschließlich auf den Klagegrund der mangelnden Eintragung des anteiligen Erwerbs einer Kommanditbeteiligung der Kommanditistin Ilse K durch den Kommanditisten Michael K in das Handelsregister und einer aus diesem objektiven Sachverhalt vermeintlich abgeleiteten unbeschränkten Haftung des erwerbenden Kommanditisten Michael K im Sinne des § 176 Abs. 2 HGB gestützt. Dieser Anspruch ist, wie dargelegt wurde, im Gesetz nicht begrundet.

Die Klägerin hatte nicht behauptet, daß Michael K etwa durch ein ihm zurechenbares verantwortliches Verhalten ihr gegenüber den Anschein erweckt habe, er sei persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft Firma Josef K und Komp., so daß sie im Vertrauen darauf mit der Kommanditgesellschaft jene rechtsgeschäftliche Verbindung aufgenommen habe, welche die Grundlage für die Inanspruchnahme dieses Gesellschafters ist. Da eine derartige Haftung nach den Grundsätzen der Lehre vom Rechtsschein (Brüggemann in Großkommentar HGB[3] I, 183 ff.; BGH in NJW 1955, 985; 7 Ob 35/72 u. a.) nicht aus dem in der Klage dargestellten Sachverhalt abgeleitet werden kann und gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 KO in Hinblick auf den Anspruchsgrund der Forderungsanmeldung im Konkurs auch nicht geltend

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