OGH 1Ob57/51

OGH1Ob57/513.10.1951

SZ 24/251

Normen

EO §7
HGB §156
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 10
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 11
EO §7
HGB §156
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 10
Vierte Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 11

 

Spruch:

Die Beschränkungen in der Übertragbarkeit der Gesellschaftsrechte bestehen auch nach der Auflösung der offenen Handelsgesellschaft während der Liquidation.

Entscheidung vom 3. Oktober 1951, 1 Ob 57/51.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht hat das Klagebegehren, die beiden Beklagten seien schuldig, 1.) anzuerkennen, daß das am 29. Mai 1945 zwischen Martin W. sen. und Hans R. als Vertreter der Wilhelmine R. geschlossene Übereinkommen seinem ganzen Inhalte nach nichtig und gegenüber den beiden Klägern rechtsunwirksam sei, 2.) alle Handlungen, die der Vereinbarung vom 27. Mai 1942, abgeschlossen zwischen Wilhelmine R. als Erbin nach ihrem Gatten Peter R. und den beiden Klägern, zuwiderlaufen, zu unterlassen, 3.) den beiden Klägern die Hälfte des Vermögens der Firma W. & R. nach dem Stande vom 27. Mai 1942 Zug um Zug gegen. Bezahlung von 60.000 S zu übergeben, abgewiesen. Die Abweisung des Begehrens unter Punkt 1) wurde damit begrundet, daß den Klägern mangels Rechtswirksamkeit des Übereinkommens vom 27. Mai 1942 jedes rechtliche und wirtschaftliche Interesse und damit die Berechtigung zur Anfechtung des Übereinkommens vom 29. Mai 1945 abzusprechen sei, während die Abweisung der anderen Begehren unter Punkt 2) und 3) darauf gestützt wurde, daß das Übereinkommen vom 27. Mai 1942 ein nichtiges Scheingeschäft darstelle, der zur Bedingung erhobene Endzweck der Vereinbarung (Erlangung der Konzession für die Kläger) vereitelt sei, und abgesehen davon, das Übereinkommen auch gegen die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches und der vierten Einführungsverordnung verstoße.

Das Berufungsgericht fand demgegenüber, daß die Abweisung der Klage - das Urteil bezüglich des Zweitklägers wurde als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen - unabhängig von der nicht unbedenklichen Beweiswürdigung des Erstgerichtes schon deshalb gerechtfertigt sei, weil dem Kläger als Dritten überhaupt nicht das Recht zustehe, den relativ nichtigen (anfechtbaren) Vertrag zwischen den beiden Beklagten anzufechten, sei es in Form einer Feststellungs- oder einer Rechtsgestaltungsklage, ferner, weil die Begehren unter Punkt 2) und 3) ob ihrer Unbestimmtheit auch nicht vollstreckbar seien (§ 7 EO.), und schließlich weil das Übereinkommen vom 27. Mai 1942 gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Teile waren der Erstbeklagte Martin W. d. Ä. und Peter R., Vater des Zweitbeklagten, Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft W. & R. Buchdruckerei, Verlags- und Ankündigungsanstalt in L., welche Gesellschaft im ersten Weltkrieg gegrundet wurde. Der Anteil des Peter R. betrug 50%; an der Hälfte dieser 50% des Peter R. war Hans R. beteiligt, ohne daß er jedoch als Gesellschafter ins Register eingetragen war. Von der Gesellschaft W. & R. ist auch die Druckerei in L. betrieben worden. Am 8. August 1940 starb Peter R. In einem Übereinkommen zwischen seiner Witwe Wilhelmine R. und der erblasserischen Tochter, der Zweitbeklagten, übernahm Wilhelmine R. den 50-prozentigen Anteil des Peter R. an der mehrfach erwähnten Gesellschaft. Die Geschäfte der Gesellschaft wurden nach dem Tode des Peter R. zunächst vom Erstbeklagten allein weitergeführt, im Jahre 1942 wurde die Liquidation eingeleitet, am 10. Oktober 1942 Karl B. als Liquidator bestellt, in der Folge wurde er wieder abberufen, ein neuer Abwickler ist nicht mehr bestellt worden. Am 27. Mai 1942 ist zwischen Wilhelmine R. als Erbin nach Peter R. einerseits und dem Kläger Hans F. sowie Ludwig R. anderseits eine Vereinbarung folgenden Inhalts geschlossen worden: "Peter R. war offener Gesellschafter der oben angeführten offenen Handelsgesellschaft W. & R. Mangels einer anderweitigen Vereinbarung war Peter R. zur Hälfte an dem Unternehmen beteiligt und ist durch sein Ableben die offene Handelsgesellschaft erloschen. Wilhelmine R. tritt hiemit sämtliche ihr als Erbin nach Peter R. in bezug auf vorgenannte offene Handelsgesellschaft bzw. die von dieser betriebenen Unternehmen zustehenden Rechte und Pflichten zu gleichen Teilen an Hans F. und Ludwig R. unwiderruflich ab. Als Gegenwert für die von Wilhelmine R. an Hans F. und Ludwig R. abgetretenen Rechte verpflichten sich diese, einen Betrag von 60.000 RM zu leisten. Die näheren Bedingungen der Abtretung der vorerwähnten Rechte wurden zwischen den Beteiligten mündlich vereinbart".

Am 29. Mai 1945 haben Martin W. und Hans R. als Vertreter der Witwe Wilhelmine R. (Gattin des verstorbenen Gesellschafters Peter R.) ein Übereinkommen des Inhaltes getroffen, daß das Vermögen der Firma W. & R. zur Gänze an Martin W. übergehe und der Anteil des Peter R. mit 80.000 RM festgesetzt würde. Soweit der von Martin W. gerichtlich erlegte Betrag diese Summe übersteige, sei er an diesen auszufolgen.

Im Jahre 1946 ist die Zweitbeklagte als Alleinerbin in alle Rechte und Pflichten nach ihrer verstorbenen Mutter Wilhelmine R. eingetreten.

Was den Punkt 1) des Klagebegehrens anlangt, so kann - wie gegenüber den diesbezüglichen Ausführungen des Revisionswerbers bemerkt sei - seine Fassung als ein auf "Anerkennung", gerichtete Petit es seiner wahren Natur als eines Feststellungs- oder Gestaltungsbegehrens nicht entkleiden. Hinsichtlich der Legitimation des Klägers zu einem solchen Begehren aber sei auf die durchaus zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen.

Zu den Punkten 2) und 3) des Klagebegehrens sei gegenüber der Rechtsrüge des Revisionswerbers folgendes gesagt:

Gemäß § 156 HGB. kommen bis zur Beendigung der Liquidation in Bezug auf das Rechtsverhältnis der bisherigen Gesellschafter untereinander sowie der Gesellschafter zu Dritten die Vorschriften des zweiten und dritten Titels des Handelsgesetzbuches zur Anwendung, soweit sich nicht aus dem fünften Titel oder aus dem Zweck der Liquidation anderes ergibt. Zum dritten Titel gehört auch Artikel 7 Nr. 10 der

4. Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 24. Dezember 1938, DRGBl. I S. 1999, der anordnet, daß ein Gesellschafter nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazugehörigen Gegenständen verfügen kann, auch nicht berechtigt ist, Teilung zu verlangen, weiters die Bestimmung des Artikels 7 Nr. 11, wonach die Ansprüche, die den Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis gegeneinander oder gegen die Gesellschaft zustehen, nicht übertragbar sind, ausgenommen die einem Gesellschafter aus der Geschäftsführung zustehenden Ansprüche, soweit deren Befriedigung vor der Auseinandersetzung verlangt werden kann, sowie die Ansprüche auf den Gewinnanteil oder auf dasjenige, was dem Gesellschafter bei der Vermögensauseinandersetzung zukommt. Die Beschränkungen in der Übertragbarkeit der Gesellschaftsrechte bestehen auch während der Abwicklung in gleicher Weise wie bis zu Auflösung der Gesellschaft (Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB. S. 485). Eine gegen das Verbot geschehene Übertragung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen und von Ansprüchen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft ist unwirksam.

Nach der oben bezogenen Vereinbarung vom 27. Mai 1942 hat nun Wilhelmine R. sämtliche ihr als Erbin nach Peter R. in bezug auf die offene Handelsgesellschaft, bzw. die von dieser betriebenen Unternehmen zustehenden Rechte und Pflichten zu gleichen Teilen an Hans F. und Ludwig R. unwiderruflich für einen Betrag von 60.000 RM abgetreten. In der Klage wird daraus die Folgerung gezogen, daß dem Erstbeklagten und auch Wilhelmine R. keinerlei Recht mehr zugestanden sei, über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft W. & R. zu verfügen, anderseits aber zugegeben, daß heute noch die Firma W. & R. als in Liquidation befindliches Unternehmen im Handelsregister eingetragen sei, weiters behauptet, daß mit dem Übereinkommen vom 29. Mai 1945 über die den Klägern zustehenden Rechte und Vermögenswerte unzulässigerweise verfügt worden sei, die beiden Beklagten somit kein Recht gehabt hätten, über das Unternehmen vor Abschluß der Liquidation irgendwelche Abmachungen zu treffen. Über den 50prozentigen Anteil des verstorbenen Peter R. hätten Wilhelmine R. und der Erstbeklagte deshalb nicht verfügen dürfen, weil dem die Vereinbarung vom 27. Mai 1942 entgegenstand. Im weiteren wurde dann von den Klägern der Standpunkt vertreten, daß sie kraft des Vertrages in irgendeiner Form den seinerzeitigen Anteil des Peter R., bzw. die Ansprüche der Wilhelmine R. an dem Gesellschafts- und Liquidationsvermögen zu übernehmen berechtigt seien. Mit diesem Vorbringen der Kläger selbst wurde - wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt - klargestellt, daß das Übereinkommen mit 27. Mai 1942 nach seinem Wortlaut - die Frage, ob es sich hiebei nur um ein Scheingeschäft handelt, mag auf sich beruhen - in der Hauptsache die Veräußerung des Anteils der Wilhelmine R. am Gesellschaftsvermögen zum Gegenstande hat, was nachträglich noch im Punkt 3 des Klagebegehrens zum Ausdruck kommt, in dem es heißt, "die Beklagten seien schuldig, den beiden Klägern die Hälfte des Vermögens der Firma W. & R. nach dem Stande vom 27. Mai 1942 Zug um Zug gegen Bezahlung des Betrages von 60.000 S zu übergeben".

Dieses Übereinkommen ist daher zufolge der vorerwähnten gesetzlichen Bestimmungen unwirksam, weil ihm der Erstbeklagte niemals zugestimmt hat. Ist es aber unwirksam, dann hindert es die Gesellschaft nicht, die Gesellschaft ohne die Kläger weiterzuführen und sich über das Gesellschaftsvermögen auseinanderzusetzen.

Wenn aber der Revisionswerber den Standpunkt vertritt, daß in dem Übereinkommen vom Jahre 1942 jedenfalls die Übertragung derjenigen Rechte liege, die gemäß Art. 7 Nr. 11 der früher bezogenen 4. Einführungsverordnung übertragbar sind, so ist zunächst zu bemerken, daß auch das so verstandene Übereinkommen den Kläger lediglich berechtigen würde, die seinerzeit nach dem Liquidationsergebnis auf die Zweitbeklagte entfallenden Vermögenswerte in Anspruch zu nehmen.

Abgesehen davon steht dem klägerischen Begehren - sowohl was den dritten, als auch den zweiten Punkt betrifft - die schon vom Berufungsgericht hervorgehobene Unbestimmtheit seines Inhaltes entgegen.

Da sich das Klagebegehren schon aus rein rechtlichen Gründen als verfehlt erweist, war auf die Mängelrüge nicht weiter einzugehen.

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