OGH 5Ob550/76

OGH5Ob550/7629.6.1976

SZ 49/86

Normen

ABGB §914
ABGB §1098
GewO 1994 §119
ABGB §914
ABGB §1098
GewO 1994 §119

 

Spruch:

Ergänzende Auslegung eines Tankstellenbestandvertrages wenn der Stationär auf Grund der neuen Gewerbeordnung der Bestandgeber Konkurrenz macht

OGH 29. Juni 1976, 5 Ob 550/76 (LG Salzburg 32 R 645/75; BG Mittersill C 210/75 )

Text

Die Klägerin begehrte die Feststellung, der zwischen Ing. Walter R und der Beklagten abgeschlossene Bestandvertrag vom 1. August 1967 sei aufgehoben und die Verurteilung der Beklagten, die Grundstücke 21/31 und 8/33 sowie der im Hause K 108 auf Grundstück 21/22 Acker (sämtliche inneliegend in EZ 339 KG K) befindlichen Tankwartraum von allen ihren Fahrnissen zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben. Sie brachte dazu vor, die Liegenschaft sei zum Betrieb einer Tankstelle verpachtet worden, der Verkauf artfremder Waren sei daher nach Sinn und Zweck des Vertrages verboten. Die Beklagte lasse durch ihre "Subpächter und Stationäre-" in den Räumen der Tankstelle Waren anbieten und vertreiben, welche mit dem Betrieb einer Tankstelle nichts zu tun hätten. Das Verhalten der Beklagten schädige in erheblichem Maße die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin. Bereits im Jahre 1958 sei auf dem Grundstück der Familie R in unmittelbarer Nähe der nunmehrigen Tankstelle ein Andenkenkiosk betrieben und dieser schon im Jahre 1962 von der Tochter Ing. Walter R übernommen und erweitert worden. Der derzeitige Standort liege im unmittelbaren Bereich der Tankstelle auf dem Grundstück Nr. 21/23 der KGK. Darüber hinaus habe die Klägerin für dasselbe Gewerbe einen Gewerbeschen mit dem Standort K Nr. 108, in welchem sich der Tankwartraum befinde, erhalten. Durch das Vorgehen der Beklagten komme es zu "einer Konkurrenzierung". Es liege daher ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes vor.

Während des Verfahrens brachte die Klägerin noch vor, "der Stationär-" den Beklagten betreibe seine Verkaufsgeschäfte von dem gepachteten Tankwartraum aus. Dieser befinde sich in demselben Haus, in welchem die Klägerin ihre Geschäfte abwickle. Eine für die Kunden erkennbare Trennung sei nicht vorhanden. Alle bisherigen "Stationäre" der Beklagten hätten sich streng an den Pachtvertrag gehalten und sich nur mit dem Verkauf von Treibstoffen und kleineren Serviceleistungen befaßt.

Für den Verkauf von Kraftfahrzeugzubehör und Kraftfahrzeugteilen habe mit der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin eine Regelung in der Form bestanden, daß die Stationäre der Beklagten solche Waren von der Klägerin auf Kommission übernommen und verkauft hätten. Auch der jetzige Stationär der Beklagten habe sich zunächst an den Vertrag gehalten. In den Jahren 1973 und 1974 hat Zustimmung der Klägerin Speiseeis auf Kommission verkauft. Später habe er sich einen eigenen Gewerbeschein verschafft, mit Beginn der Sommersaison 1975 eine Eistruhe aufgestellt, Getränkeautomaten installiert und intensiv den Verkauf von Reiseandenken, Filmen, Süßwaren usw. begonnen. Die Klägerin habe am 17. Dezember 1973 einen Gewerbeschein für den Kleinhandel mit Ansichtskarten usw. erworben, mit Beginn der Sommersaison 1974 einen Teil ihrer Werkstätte als Kiosk umgebaut und von dort aus den Verkauf mit Reiseandenken u. dgl. begonnen. Im Juni 1975 sei ein Teil des ehemaligen Werkstattraumes als "Lokal" eröffnet worden. Die Tochter des Walter R, Marianne P, betreibe seit dem Jahre 1957 auf dem Grundstück Nr. 21/23, KG K, den Handel mit Reiseandenken Filmen, Ansichtskarten, Eis, Getränken u. dgl. Mit Kaufvertrag vom 3. März 1972 sei dieses Grundstück geteilt worden. Marianne P habe jenen Teil, auf welchem die Geschäftstätigkeit immer schon ausgeübt worden sei, erhalten. Das diesbezügliche Grundstück trage nunmehr die Nr. 21/35 und sei hiefür die EZ 334, KG K, eröffnet worden.

"Vorsorglich" stellte die Klägerin das Eventualbegehren, die Beklagte sei schuldig, das Anbieten und Verkaufen von Artikeln, welche mit dem Betrieb einer Tankstelle in keinem unmittelbaren Zusammenhang stunden, wie etwa Reiseandenken, Süßwaren aller Art, Ansichtskarten, Filme, Spirituosen u. dgl., auf den im Hauptbegehren angeführten Grundstücken zu unterlassen.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Zwischen dem Liegenschaftseigentümer Walter R in K "als Verpächter einerseits" und der Beklagten "als Pächterin andererseits" wurde am 18. Mai/1. August 1967 ein Bestandvertrag abgeschlossen, welcher unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

"I. Herr Walter R (im folgenden kurz Verpächter genannt) verpachtet an die S-Aktiengesellschaft (im folgenden kurz Pächterin genannt) und letztere pachtet von ersterem die im beigeschlossenen Vermessungsplan gelb angelegten Parzellen 21/31 und 8/33 inneliegend in EZ 278 der KG K zum Zwecke der Errichtung einer Tankstellenfahrbahn und Verlegung von drei Treibstoff-Lagerbehältern.

Hinsichtlich der im vorzitierten Vermessungsplan rot eingezeichneten Teilfläche der Parzelle 21/22 der gleichen Einlage räumt der Verpächter der Pächterin das Zugangs- und Benützungsrecht ein. Es handelt sich dabei um den Zugang zum Tankwartraum und den Tankwartraum selbst.

Die von der Pächterin verlegten Treibstoff-Lagerbehälter samt den dazu gehörigen Leitungen verbleiben im Eigentum der Pächterin.

V. Die Pächterin ist berechtigt, auf dem Pachtgrundstück alle zur Errichtung und den Betrieb einer Tankstelle erforderlichen Arbeiten zu verrichten und die ihr geeignet erscheinenden Hinweise und Reklametafeln anzubringen.

Weiter ist die Pächterin berechtigt, im Keller des an den Tankstellenbereich anschließenden, dem Verpächter gehörigen Werkstättengebäudes oder in einem anderen, außerhalb des Bestandareals gelegenen geeigneten Ort einen Kompressor aufzustellen und zu betreiben, welcher die Versorgung der Tankstelle mit Luft gewährleistet."

Der diesem Bestandvertrag als weitere Grundbuchsurkunde angeschlossene Vermessungsplan des Dipl.-Ing. Friedrich R "weist aus", daß das Grundstück 21/31 aus dem Grundstück 21/22 und das Grundstück 8/33 aus dem Grundstück 8/19 EZ 278 KG K, neu gebildet wurde, welche in jenem Zeitpunkt im Eigentum des Ing. Walter R stand und in deren Gutsbestand unter anderem auch das Grundstück 21/21 vorgetragen war.

Aus dem Hauptbuch der KG K wurde "hingegen" festgestellt, daß am 16. Feber 1973 zu TZ 152/73 "die o. a. Parzellen also die anno 1967 teilverpachteten Parzellen 8/19 und 21/22, je Acker, sowie die damals unverpachtet gebliebene Ackerparzelle 21/21" aus der EZ 279, KG K (Eigentümer Ing. Walter R), abgeschrieben, für diese Grundstücke "allein" die neue Grundbuchseinlage 139, KG K, eröffnet und gleichzeitig das Eigentumsrecht für die Firma "Walter R und Co."

einverleibt wurde.

Die für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutsamen weiteren Grundbuchseintragungen in der EZ 339, KG K, lauten:

A(2)-PZl. 2: Auf Grund des Bestandvertrages vom August 1967 wird gemäß § 297a ABGB der Umstand angemerkt, daß die auf Gp. 8/19 und Gp. 21/22 errichteten Anlagen einer Treibstoff-Tankstelle Eigentum eines anderen als des Liegenschaftseigentümers sind.

C-PZl. 7: Auf Grund des Bestandvertrages vom 18. Mai/1. August 1967 wird zugunsten der S-Aktiengesellschaft das Bestandrecht gemäß Punkt I ... obigen Vertrages bis zum 31. Dezember 1989 einverleibt.

C-PZl. 8: Auf Grund des Bestandvertrages vom 18. Mai/1. August 1967 wird zugunsten der S-Aktiengesellschaft die Dienstbarkeit des Zuganges und der Benützung eines Tankwartraumes auf Gp. 21/22 gemäß Punkt I obigen Vertrages einverleibt.

Der "Stationär", also der zum Betrieb der Tankstelle von der Beklagten eingesetzte Erwin B beschränkt sich bei seiner Tätigkeit nicht auf die Abgabe von Treibstoff und Schmiermitteln. Er vertreibt im Tankwartraum des Grundstückes 21/22 auch Reiseandenken, Süßwaren, Ansichtskarten, Filme, Getränke, Landkarten und Kinderspielzeug (z. B. aufblasbare Gummiboote) im Rahmen einer ihm verliehenen Gewerbeberechtigung zum Handel mit derartigen Waren. Er macht mit den von ihm vertriebenen Artikeln der Klägerin Konkurrenz, welche auf dem Grundstück 21/22 ein Verkaufsgeschäft für Reiseandenken usw. betreibt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß nunmehr an allen Tankstellen nicht nur Treib- und Schmierstoffe, sondern auch jene Artikel verkauft werden, deren Vertrieb die Klägerin der Beklagten untersagen wolle. Das Eventualbegehren sei daher "in sich bereits widersprüchlich". Da die Tätigkeit des "Stationärs" der Beklagten sich nicht nur im Rahmen des bei Tankstellen allgemein üblichen halte, sondern durch die Gewerbeordnung 1973 ausdrücklich gestattet werde, Erwin B durch die Verleihung eines Gewerbescheines für den Handel mit den von ihm vertriebenen Waren "ad personam zugestanden" worden sei, liege ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes selbst dann nicht vor, wenn hiedurch der "Stationär in ein gewisses Konkurrenzverhältnis zur Klägerin" trete und der Bestandgeber bei Abschluß des Vertrages im Jahre 1967 an Erweiterungen beim Betrieb von Tankstellen, wie sie durch die Gewerbeordnung 1973 "sanktioniert" worden seien, nicht gedacht habe. Wollte man dennoch im Verhalten der Beklagten einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstandes erblicken, würde dies eine Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB nicht rechtfertigen, weil die geschäftliche, die Klägerin konkurrenzierende, Tätigkeit nicht auf der in Bestand gegebenen Sache, sondern vom Tankwartraum im unverpachteten Teil des Grundstückes 21/22 aus ausgeübt werde, für welchen der Beklagten nur die Dienstbarkeit des Zuganges und der Benützung zustehe. Ein ,allfälliger Mißbrauch der Servitut an der unverpachteten Fläche" könnte niemals die Anwendung des § 1118 ABGB hinsichtlich der verpachteten Flächen rechtfertigen.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50 000 S übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Folge eines mängelfreien Verfahrens und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Vertrag enthalte keine Vereinbarung eines Verbotes des Vertriebes von nicht mit dem Tankstellenbetrieb unmittelbar zusammenhängenden Waren. Wäre trotz des Umstandes, daß bereits seit 1958 auf dem der Familie R gehörigen Grundstück ein Andenkenkiosk betrieben werde, die Tochter des Gesellschafters Walter R, Marianne P, diesen Kiosk übernommen und erweitert habe, ein Verbot des Verkaufes solcher Waren beabsichtigt gewesen, hätte eine derartige Vereinbarung in den Vertrag aufgenommen werden müssen. Eine Erforschung des Vertragswillens sei nicht möglich, da es an der ausdrücklichen Vereinbarung eines solchen Vertriebsverbotes fehle, eine derartige Vereinbarung von der Klägerin nicht behauptet worden sei und "bei Auslegung nach § 914 ABGB nicht aus dem Vertragsinhalt herausgelesen werden könnte". Eine Vertragsergänzung nach § 914 ABGB komme nicht in Betracht. Eine solche hätte zwar,stattzufinden, wenn nicht feststehe, was die Parteien in vertraglich nicht vorgesehenen Fällen gewollt hätten. Hiebei sei aber die Frage, ob der Parteiwille sich auf solche nicht vorhergesehenen Fälle analog anwenden lasse oder nicht, selbst wieder nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu prüfen. Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, könne nur angenommen werden, daß die Beklagte dann, wenn sie die Änderung der Gesetzeslage durch die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973, insbesondere deren § 119 Abs. 2, vorhergesehen hätte, eine Vereinbarung über das Verbot des Vertriebes von Waren, welche im § 119 Abs. 2 GewO 1973 für den Vertrieb durch Tankstellen zugelassen worden seien, nicht in den Vertrag aufgenommen hätte. Dasselbe gelte für den Vertrieb der Waren, welche nicht durch die vorgenannte Bestimmung der Gewerbeordnung, wohl aber durch die von Erwin B erworbene Gewerbeberechtigung gedeckt seien. Selbst eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 914 ABGB führe also nicht zur Feststellung der Vereinbarung des Verbotes des Vertriebes solcher Waren. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne des § 1118 ABGB würde aber nur bei Verletzung wichtiger Interessen des Vermieters durch wiederholte, länger dauernde vertragswidrige Benützung des Bestandgegenstandes vorliegen.

Der Umstand, daß die Klägerin im Dezember 1973 selbst einen Gewerbeschein für den Vertrieb von Ansichtskarten und anderen Waren erworben und im Juni 1975 einen Teil des ehemaligen Kraftfahrzeugwerkstattraumes als Geschäftslokal zum Vertrieb dieser Waren eröffnet habe, rechtfertige schon deshalb nicht das Klagebegehren, weil Gründe in der Sphäre des Vermieters niemals zur Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB führen könnten. Das Hauptbegehren erweise sich daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1118 ABGB als unbegrundet. Auf die vorgenannte Gesetzesstelle könne auch das Eventualbegehren nicht gegrundet werden, weil diese Bestimmung nur zur vorzeitigen Auflösung eines Bestandvertrages, nicht aber zur Untersagung des Vertriebes von Waren auf den in Bestand gegebenen Grundstücken führen könnte. Da weder der Vertrag ein Verbot zum Vertrieb solchen Waren enthalte noch eine ergänzende Vertragsauslegung zur Feststellung eines solchen Verbotes führen könne, mangle es an einem Rechtsgrund für die begehrte Untersagung des Anbietens und Vertriebes solcher Waren.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hauptbegehrens (Feststellung, daß der zwischen Ing. Walter R und der Beklagten abgeschlossene Bestandvertrag vom 1. August 1967 aufgehoben sei, und Verurteilung der Beklagten zur Räumung des Bestandgegenstandes) richtet, nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil in seinem diesbezüglichen Ausspruch als Teilurteil.

Im übrigen wurde der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Abweisung des Eventualbegehrens und im Kostenausspruch aufgehoben. Zugleich wurde auch das Urteil des Erstgerichtes in seinem Ausspruch über die Abweisung des Eventualbegehrens sowie im Kostenausspruch aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht wendet sich die Revisionswerberin gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, eine Vertragsergänzung im Sinne des § 914 ABGB könne schon deshalb nicht zur Feststellung des Verbotes des Vertriebes von mit dem Tankstellenbetrieb nicht zusammenhängenden Waren führen, weil nach den bei der Vertragsergänzung zu beobachtenden Grundsätzen, insbesondere des Grundsatzes von Treu und Glauben, nur angenommen werden könne, die Beklagte hätte dann, wenn sie die Änderung der Gesetzeslage durch die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 vorhergesehen hätte, eine Vereinbarung des Verbotes des Vertriebes von Waren, welche nach § 119 Abs. 2 GewO 1973 für den Vertrieb von Tankstellen zugelassen worden seien, nicht in den Vertrag aufgenommen.

Für die Beurteilung des Umfanges des Gebrauchsrechtes des Bestandnehmers ist in erster Linie der Vertrag maßgebend (MietSlg. 18 169, 25 165/27 u. a.). Der Mieter darf grundsätzlich den Bestandgegenstand nur zu dem Zweck benützen, zu dem er ihn gemietet hat. Verstößt er dagegen, stellt dies eine Vertragsverletzung und einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Vermieters dar. In diesem Fall steht dem Vermieter auch während der Bestandzeit das Recht zu, die Einhaltung des Vertrages zu fordern (MietSlg. 7051, 25 126/27 u. v. a.). Gegen die widmungswidrige Verwendung des Bestandgegenstandes kann sich der Vermieter nach ständiger Rechtsprechung mit einer Unterlassungsklage zur Wehr setzen (MietSlg. 20 151, 25 126/27 u. a.).

Tritt nun ein Fall ein, welchen die Parteien bei Abschluß des Bestandvertrages nicht vorhergesehen haben und kann ein Parteiwille nicht festgestellt werden, ist, wenn dieser unvorhergesehene Fall von entscheidendem Einfluß auf die Art bzw. den Umfang der Benützung des Bestandgegenstandes ist, im Sinne der vom OGH in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der Lehre ausgesprochenen Rechtsansicht der Vertrag gemäß § 914 ABGB durch den Richter nach den Richtlinien von Treu und Glauben im Verkehr sowie nach den Richtlinien des Vertrages dahingehend zu ergänzen, was zwischen den Parteien rechtens sein soll (SZ 26/194; SZ 38/164; SZ 39/216; SZ 42/52; SZ 45/11; EvBl. 1972/200; JBl. 1973, 468 u. v. a.; Gschnitzer im Klang-Komm.[2] IV/1, 408). Unter Berücksichtigung der übrigen Vertrags-Bestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zweckes sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte ist dabei zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes[4] I, 77; 4 Ob 10/74; Arb. 9203).

Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht nicht begrundet hat, wie es zu seiner Annahme gelangte, die Beklagte hätte dann, wenn sie die Änderung der Gesetzeslage durch die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 vorhergesehen hätte, eine Vereinbarung des Verbotes des Vertriebes von Waren, welche nach § 119 Abs. 2 GewO 1973 für den Vertrieb an Tankstellen zugelassen worden seien, nicht in den Vertrag aufgenommen, wurden dabei nur die Interessen eines und nicht wie erforderlich die Interessen beider Vertragspartner berücksichtigt und damit ein wesentlicher bei der Vertragsergänzung zu beobachtender Grundsatz außer acht gelassen.

Nach dem Text war Zweck des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages die Inbestandnahme der im Vertrag angeführten Grundflächen zwecks Errichtung einer Tankstellenfahrbahn und Verlegung von drei Treibstoff- und Lagerbehältern. Gleichzeitig räumte der Bestandgeber der Beklagten das Recht des Zuganges zum Tankwartraum sowie die Benützung dieses Raumes ein. Dieser Raum war daher offenbar als Aufenthaltsraum für den Tankwart bestimmt.

Von dem aus dem Vertragstext hervorleuchtenden Zweck allein kann jedoch bei der Beurteilung, ob und wie der Vertrag zu ergänzen sei, nicht ausgegangen werden. Denn über die Art der tatsächlichen Benützung des Bestandobjektes liegen einander widersprechende von den Tatsacheninstanzen nicht geprüfte Behauptungen der Parteien vor. So behauptete die Klägerin im wesentlichen, auch der jetzige Stationär der Beklagten habe sich zunächst "streng" an den Vertrag gehalten, die Beklagte hingegen, schon der nach Walter R tätig gewesene Stationär habe im Rahmen des Betriebes "handelsüblicherweise" von den Tankstellen angebotene andere Waren, wie Erfrischungen, Reiseverpflegung, Autozubehör im weiteren Sinn, Landkarten, Gebrauchsgegenstände, Ansichtskarten, Reiseandenken, Photomaterial und Kinderspielzeug vertrieben. Zu diesen Behauptungen sind entsprechende Feststellungen zu treffen, um eine verläßliche Beurteilung der allenfalls vorzunehmenden Vertragsergänzung durchführen zu können.

Es sei jedoch bereits jetzt darauf hingewiesen, daß dann, wenn die Behauptungen der Beklagten zuträfen und der Bestandgeber ernstlich nichts gegen die Verkaufstätigkeit der Stationäre der Beklagten unternommen hätte, die Voraussetzungen für die von der Klägerin angestrebte Vertragsergänzung nicht als gegeben angesehen werden könnten. Denn dann widerspräche das Verhalten des Bestandgebers seinem jetzt eingenommenen Standpunkt und dem hypothetisch zu unterstellenden Vertragswillen.

Hielten sich hingegen die Stationäre der Beklagten im Sinne der Behauptungen der Klägerin an den Vertrag oder unterließen sie trotz allfälliger Handelsüblichkeit den Vertrieb derartiger mit dem Tankstellenbetrieb nicht im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Waren, müßte nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr der Vertrag in der Weise ergänzt werden, daß die Parteien bei Kenntnis der nunmehr eingetretenen Gesetzeslage auf dem Gewerbesektor das Verbot des Vertriebes jener Waren, welche im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch die Tochter des Walter R in dem in unmittelbarer Nähe der Tankstelle befindlichen Kiosk feilgeboten wurden, in den Vertrag aufgenommen hätten. Auch in diesem Falle lägen jedoch die Voraussetzungen für eine sofortige Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB nicht vor, weil von einer länger andauernden vertragswidrigen Benützung des Bestandgegenstandes durch die Beklagte nicht ausgegangen werden könnte. Die vertragswidrige Benützung hätte sich dann vielmehr erst durch die von Richter vorgenommene Vertragsergänzung ergeben, so daß nur das Eventualbegehren auf Untersagung des Anbietens und Verkaufens der vom Konkurrenzverbot erfaßten Waren gerechtfertigt wäre.

Bereits auf Grund der gegenwärtigen Verfahrenslage steht also fest, daß die Voraussetzungen für das von der Klägerin gestellte Hauptbegehren auf Feststellung der Aufhebung des Bestandvertrages und das daraus abgeleitete Räumungsbegehren nicht gegeben sind, weshalb der Revision, soweit sie die Abweisung des Hauptbegehrens bekämpft, der Erfolg versagt bleiben mußte und das angefochtene Urteil in seinem diesbezüglichen Ausspruch als Teilurteil zu bestätigen war.

Der Vollständigkeit halber sei zur Frage der Vertragsergänzung noch auf folgendes verwiesen: Für die von der Klägerin angestrebte Vertragsergänzung kann der Umstand nicht herangezogen werden, daß die Klägerin erst nach Änderung der Gewerbeordnung, welche der Beklagten den Vertrieb der im § 119 Abs. 2 GewO angeführten Waren gestattete, einen Gewerbeschein erworben und dann den Vertriebderartiger Waren aufgenommen hat. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Aufnahme einer derartigen geschäftlichen Tätigkeit durch den Bestandgeber vorgesehen und dies der Beklagten bekannt gewesen wäre.

Aus der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 7 Ob 220/73 läßt sich für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil es dort nur um die Frage der vom Tankstellenpächter beseitigten allgemeinen Zugänglichkeit der Tankstelle und der damit verbundenen Beeinträchtigung wichtiger Interessen des Bestandgebers ging.

Hinsichtlich der Abweisung des Eventualbegehrens und im Kostenausspruch erweist sich somit nicht nur die Aufhebung des Urteiles der zweiten Instanz, sondern auch die des erstgerichtlichen Urteiles als erforderlich, weil es an wesentlichen Feststellungen fehlt und es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs. 1 ZPO).

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