OGH 1Ob101/75

OGH1Ob101/7525.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei E*, Bankbeamtin i.R., *, vertreten durch Dr. Herbert Friedl und Dr. Müller-Strobl, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die Gegner der gefährdeten Partei A*, Landwirt *, vertreten durch Dr. Werner Mosing, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wegen Feststellung des Bestandes einer Dienstbarkeit und Einverleibung (Streitwert S 30.000,‑‑), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 11. Februar 1975, GZ. 6 R 19/75‑23, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. Oktober 1974, GZ. 26 Cg 212/74‑13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00101.75.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs, dessen Kosten die gefährdete Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden: Klägerin) begehrt mit der am 15. Juli 1974 überreichten Klage die Feststellung, daß ihr und allen künftigen Eigentümern der Liegenschaften EZ. 46 und 94 des Grundbuchs der KG. * als dem herrschenden Gut die Dienstbarkeit des Geh-, Fahr- und Viehtriebsrechtes gegenüber den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke 725, 723/2, 719 und 73/1 der EZ. 42 des Grundbuchs der KG. * als dem dienenden Gut in der Weise zustehe, daß zur Bewirtschaftung der Liegenschaft der Klägerin, ausgehend vom Grundstück 894/2 der EZ. 94 dieses Grundbuchs entlang der westlichen Grenze des Grundstückes 725 und entlang der nördlichen Grenze der Grundstücke 723/1, 719 und 73/1 jederzeit gefahren, gegangen sowie das Vieh getrieben werden darf. Weiters wird begehrt, den Beklagten und Antragsgegner (im folgenden: Beklagten) schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit zu willigen. Die Klägerin stützt ihr Begehren auf die Ersitzung der in Rede stehenden Rechte durch lang andauernde Rechtsausübung.

Der Beklagte hat das Klagebegehren hinsichtlich der Dienstbarkeit des Gehrechtes in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2. August 1974 – anerkannt, worüber ein Teilanerkenntnisurteil gefällt wurde. Im übrigen bestritt er das Klagebegehren und brachte vor, er bzw. seine Rechtsvorgänger hätten die jeweilige Benützung der Liegenschaft nur über jedesmaliges ausdrückliches Ersuchen der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgänger gestattet.

Während des Rechtsstreites beantragte die Klägerin dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, das Befahren jenes Weges, der entlang der westlichen Grenze des Grundstückes Nr. 725 und weiter entlang der nördlichen Grenze der Grundstücke 723/1, 719 und 73/1 der EZ. 42 des Grundbuches der KG. * führt, durch die Klägerin zu dulden. Die Klägerin führte aus, auf ihrem Besitz in * lebe ihre 82-jährige Mutter M*, die chronisch krank sei und nicht mehr für sich selbst sorgen könne. M* bedürfe daher fremder Hilfe und Pflege entweder durch sie, Klägerin, oder durch ihre Schwester M* jun. Da sie, Klägerin, selbst in Klagenfurt wohnhaft sei, müsse sie sich eines PKWs, bedienen um die Liegenschaft zu erreichen. Dies scheitere aber an der Haltung des Beklagten. Die Voraussetzungen zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung seien demnach gegeben, weil die gesundheitliche Gefährdung ihrer Mutter einen drohenden, unwiederbringlichen Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO darstelle.

Der Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus und brachte vor, der Antrag lasse nicht erkennen, welcher Anspruch der Klägerin gefährdet sei. Er habe nichts dagegen einzuwenden, wenn zur ärztlichen Betreuung der M*, die auf der Liegenschaft der Klägerin wohne, Personen sein Grundstück betreten.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten gab das Rekursgericht Folge und wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Das Rekursgericht führte aus, einstweilige Verfügungen könnten immer nur im Rahmen des zu sichernden Hauptanspruches erlassen werden. Maßnahmen, auf die die gefährdete Partei nicht einmal bei siegreicher Durchführung des Prozesses ein Recht habe, dürften auch nicht einstweilen angeordnet werden. Dies gelte auch für einstweilige Verfügungen nach § 381 Z 2 EO Im vorliegenden Fall habe die Klägerin kein. Begehren gestellt, das einer Sicherung durch einstweilige Verfügung zugänglich wäre. Ein Feststellungsbegehren könne von vorneherein nicht durch einstweilige Verfügung gesichert werden. Aber auch mit dem auf Einwilligung in die bücherliche Einverleibung gerichteten Leistungsbegehren könne nur die bücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit nicht aber die Duldung des Befahrens der betreffenden Grundstücksteile erreicht werden. Es bedürfte vielmehr einer neuerlichen, auf Duldung gerichteten Klage, um auch die Ausübung des festgestellten Rechts durchzusetzen. Die beantragte einstweilige Verfügung gehe somit klar über den Rahmen des im Prozeß gestellten Leistungsbegehrens hinaus und sei im übrigen auch nicht geeignet, die Durchsetzung des Anspruches auf bücherliche Einverleibung zu sichern.

Rechtliche Beurteilung

Gegen, den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, dem Berechtigung nicht zukommt.

Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin zunächst die Feststellung der durch Ersitzung erworbenen Dienstbarkeit des Fahr- und Viehtriebsrechtes. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist eine einstweilige Verfügung zur Sicherung bloßer Feststellungsansprüche nicht statthaft (Neumann-Lichtblau 3 II 1165, Pollak, Zivilprozeßrecht2 1037, SZ 6/119, SZ 21/47, SZ 38/58, SZ 43/119, zuletzt 6 Ob 158/74). Das weitere Begehren auf Einwilligung zur Einverleibung der Dienstbarkeit ist als Begehren, das auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist (vgl. Holzhammer, Österr. Zwangsvollstreckungsrecht, 277 f), ein Leistungsbegehren und demnach einer Sicherung durch einstweilige Verfügung grundsätzlich zugänglich (SZ 28/261). Die während eines Prozesses begehrte einstweilige Verfügung muß sich aber – wie dies vom Rekurswerber auch nicht in Zweifel gezogen wird – stets im Rahmen des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs halten. Die einstweilige Verfügung darf nur zur Sicherung des konkreten, durch die Klage geltend gemachten Anspruchs angeordnet werden (SZ 26/134, EvBl 1962/477, SZ 42/80, JBl 1974, 529 und 1 Ob 174/74). Diese Beschränkung auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch folgt allein schon daraus, daß nach § 387 EO das Prozeßgericht für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung, die über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch hinausgeht, nicht zuständig ist. Diese grundsätzliche Beschränkung der einstweiligen Verfügung auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch besteht sowohl für einstweilige Verfügungen nach § 381 Z 1 EO, welche die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung. eines Anspruches sichern, als auch für einstweilige Verfügungen nach § 381 Z 2 EO, die einen gegenwärtigen Zustand gegen drohende Gewalt oder einen drohenden unwiederbringlichen Schaden sichern sollen. Für die einstweilige Verfügung nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist nur kennzeichnend, daß nicht bloß die künftige exekutive Durchsetzung eines Anspruches gesichert, sondern der gefährdeten Partei praktisch im Wege der einstweiligen Verfügung Befriedigung geboten werden kann (vgl. Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht, 294 f). Es kann sich zwar die auf § 381 Z 2 EO gestützte einstweilige Verfügung mit dem im Prozeß angestrebten Ziel ganz oder teilweise decken, darf aber doch nicht darüber hinausgehen (SZ 25/205 ua). In einem solchen Fall kann auch im Wege der einstweiligen Verfügung das bewilligt werden, was die gefährdete Partei im Wege der Exekution eines ihr günstigen Urteils erreichen kann (Neumann-Lichtblau aaO 1164). Wird die beantragte einstweilige Verfügung unter diesem Gesichtspunkt geprüft, so ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß die Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht gegeben sind. Die Klägerin hat, abgesehen vom Feststellungsbegehren, nur an Klagebegehren auf Einwilligung zur Einverleibung der Dienstbarkeit, somit auf Abgabe einer Willenserklärung erhoben. Ein Begehren auf Duldung der faktischen Ausübung der Servitut wurde nicht gestellt, es ist ein solches Begehren auch nicht als Minus im gestellten Klagebegehren enthalten. Es handelt sich vielmehr um ein seiner Art nach verschiedenes Begehren, wie dies auch der Umstand zeigt, daß auf Grund des im Rechtsstreit ergehenden Urteils Exekution zur Duldung der Ausübung des Servitut nicht geführt werden könnte. Es bedarf auch keiner weiteren Begründung, daß die Duldung der Ausübung der Servitut keineswegs der Sicherung des Anspruches auf Einverleibung des dinglichen Rechtes zu dienen vermag. Darin unterscheidet sich der hier vorliegende Fall wesentlich von dem der – vom Rechtsmittelwerber zitierten – Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. November 1953, 1 Ob 889/53, zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort wurde zur Sicherung des Begehrens auf Räumung einer mit Wald bestandenen Liegenschaft mittels einstweiliger Verfügung verboten, Holz zu schlägern, weil ja offensichtlich ist, daß durch Abholzung einer mit Bäumen bewachsenen Liegenschaft, und somit durch Veränderung des bisherigen Zustandes, der Anspruch auf Räumung dieser Liegenschaft zumindest gefährdet wird. Hingegen wurde auch in der vorgenannten Entscheidung das Verbot des Verkaufes und Abtransportes des bereits geschlägerten Holzes abgelehnt, weil das Klagebegehren bloß auf Räumung der Liegenschaft gerichtet war und damit das Sicherungsbegehren über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch hinausging. Da im vorliegenden Fall, wie dargelegt, das Begehren der einstweiligen Verfügung über den mit der Klage erhobenen Anspruch hinausgeht, kommt eine Bewilligung nicht in Betracht.

Dem Revisionsrekurs war demgemäß der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, §§ 78, 402 EO.

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