OGH 2Ob54/75

OGH2Ob54/7519.6.1975

SZ 48/70

Normen

Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII

 

Spruch:

Wenn auch grundsätzlich die Bekanntheit eines Vermögens die Klage nach Art. XLII EGZPO ausschließt, kann sie doch zur Feststellung des Umfanges eines noch vorhandenen verheimlichten Vermögensteils angebracht werden

OGH 19. Juni 1975, 2 Ob 54/75 (OLG Wien 4 R 263/74; LG Eisenstadt 1 Cg 155/74)

Text

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, daß er 1. unter Vorlage eines Verzeichnisses der Einnahmen und Ausgaben betreffend das Haus X-Gasse 42, für die Zeit vom 1. Jänner 1973 bis 31. Dezember 1973 angebe, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verheimlichung oder Verschweigung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, daß diese Angaben richtig und vollständig sind, 2. sodann 3/8-Anteile dieses Vermögens, nämlich vom Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben, zu bezahlen.

Die Klägerin - eine Tochter des Beklagten - brachte vor, sie sei zu 3/8 Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 50 KG X mit dem Haus X-Gasse 42, der Beklagte hingegen zu 5/8 ebenfalls Miteigentümer dieser Liegenschaft. Der Beklagte habe die Wohnung Nr. 6/7 in dem genannten Haus mit Mietvertrag vom 22. Feber 1973 an die Ehegatten Dr. Paul und Gertrude F zu außergewöhnlich günstigen Bedingungen vermietet, so daß dieser Vertragsabschluß nicht mehr als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung bezeichnet werden könne. Die Klägerin habe von diesem Vertragsabschluß keine Kenntnis gehabt und erst von Dr. F erfahren, daß dieser dem Beklagten eine "Ablöse" von 480.000 S bezahlt habe. Der Beklagte habe den Empfang dieser Zahlung auch nicht bestritten, jedoch behauptet, der Betrag stelle nur den Kaufpreis für die den Mietern überlassene Wohnungseinrichtung dar, deren Wert sei aber im Verlassenschaftsverfahren des Bezirksgerichtes Hietzing nur mit 12.000 S geschätzt worden. Der Beklagte habe der Klägerin für das Jahr 1973 nur eine Abrechnung mit einem geringfügigen Einnahmenüberschuß, nicht aber über die erhaltene "Ablöse" vorgelegt.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, er habe der Klägerin ordnungsgemäß Rechnung gelegt und ihr den anteilmäßig auf sie entfallenden Betrag von 1668.20 S überwiesen. Er habe von den Ehegatten Dr. F 480.000 S nicht als "Ablöse", sondern als Kaufpreis für die übergebene Wohnungseinrichtung erhalten.

Unbestritten sind die Eigentumsverhältnisse an dem eingangs bezeichneten Haus sowie die Tatsache, daß die Klägerin vom Abschluß des Mietvertrages mit Dr. F nicht verständigt wurde.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Klagebegehren im Umfange seines Punktes 1 kostenpflichtig statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte war bis Feber 1973 Mieter der Wohnung Nr. 6/7 des gegenständlichen Hauses. "Ein Teil der Einrichtung dieser Wohnung wurde im Verlassenschaftsverfahren des Bezirksgerichtes Hietzing nach der am 2. November 1969 verstorbenen Ehegattin des Beklagten (und Mutter der Klägerin) mit 15.860 S geschätzt und dem Beklagten eingeantwortet." Gemäß der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Hietzing vom 23. November 1970 erfolgte die Einantwortung des Nachlasses an den Beklagten zu einem Viertel und an die Klägerin und ihre drei Geschwister zu je 3/16. Der Beklagte erwarb dann in den Jahren 1971 und 1972 verschiedene Einrichtungsgegenstände neu und ließ auch Instandsetzungsarbeiten in der genannten Wohnung durchführen.

Im Feber 1973 verbietete der Beklagte die gegenständliche Wohnung über Vermittlung des Realitätenbüros "I" an die Ehegatten Dr. Paul und Gertrude F. Der Mietvertrag wurde mündlich am 22. Feber 1973 abgeschlossen. Die Mieter erhielten das Recht der Weitergabe des Hauptmietrechtes, des Umbaues und der Terrassenbenützung eingeräumt. Als Entgelt für die Überlassung des Hauptmietrechtes sowie als Kaufpreis für die Wohnungseinrichtung wurde ein Betrag von 470.000 S vereinbart, und zwar ohne Aufgliederung, wieviel davon auf eine "Ablöse" für die Hauptmietrechte und auf den Kaufpreis für die Wohnungseinrichtung entfalle. Die Ehegatten Dr. F unterfertigten nach Bezahlung dieses Betrages am 14. März 1973 den "Übernahmsvertrag", in dessen Punkt IV ausdrücklich festgestellt wurde, daß für das Hauptmietrecht weder eine Zahlung geleistet noch entgegengenommen wurde. Die Klägerin erfuhr erst nachträglich durch Dr. F von der Vermietung. Der Beklagte übermittelte ihr eine Abrechnung vom 2. Jänner 1974 für das Jahr 1973, die Mietzinseinnahmen von 28.065.70 S und Ausgaben von 23.569.15 S ausweist. Der von Dr. F bezahlte Betrag von 470.000 S ist in der Abrechnung nicht enthalten.

Das Erstgericht würdigte den Sachverhalt rechtlich dahin, daß der Betrag von 470.000 S wenigstens teilweise eine Leistung für die bloße Überlassung der Hauptmietrechte und daher eine verhältnismäßig auf die Miteigentümer aufzuteilende Einnahme sei. Der Beklagte sei darüber gemäß Art. XLII EGZPO rechnungslegungspflichtig, zumal da die Klägerin ihr Leistungsbegehren erst nach Vorlage dieser Abrechnung konkretisieren könne.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und legte sie seiner Entscheidung zugrunde. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß gemäß § 839 ABGB die gemeinschaftlichen Nutzungen und Lasten einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft, und daher auch eine vereinnahmte "Ablöse", nach dem Verhältnis der Anteile auszumessen seien. Daraus folge die Rechnungslegungspflicht des verwaltenden Miteigentümers gegenüber den anderen über sämtliche gemeinsame Nutzungen, soweit nicht auf Rechnungslegung verzichtet wurde. Aus der Verpflichtung zur Vorlage einer Abrechnung folge auch die Verpflichtung zur Eidesleistung. Der verwaltende Miteigentümer habe auch dem anderen Miteigentümer einen auf ihn entfallenden Anteil vereinnahmter Ablösen herauszugeben. Wenn auch bestimmte Leistungen anläßlich der Neuvermietung eines Bestandobjektes nach § 17 MietG unzulässig und verboten seien, so ändere dies nichts an der Rechnungslegungspflicht jenes Miteigentümers, dem einmalige Zahlungen eines neuen Mieters aus irgendeinem Titel tatsächlich zugekommen sind, den anderen Miteigentümern gegenüber. Gemäß §§ 837, 839 ABGB sei der Beklagte somit auch über den vom Mieter Dr. F vereinnahmten Betrag von 470.000 S der Klägerin gegenüber im Sinne des Art. XLII EGZPO rechnungslegungspflichtig. Dieser Pflicht sei der Beklagte durch Vorlage der Abrechnung für das Jahr 1973 nicht nachgekommen, weil diese Abrechnung den gegenständlichen Betrag nicht enthalte und nicht dargetan worden sei, daß ihn der Beklagte nur als ein angemessenes Entgelt für Leistungen an Dr. F entgegengenommen habe, die mit seiner Eigenschaft als Miteigentümer des Hauses nichts zu tun haben. Die Klägerin wäre zudem nicht in der Lage, auf Grund der ihr gelegten Rechnung jenen Betrag gerichtlich geltend zu machen, auf welchen sie als Miteigentümerin hier Anspruch erhebe. Dies werde vielmehr erst nach Prüfung der nunmehr vom Beklagten vorzulegenden Abrechnung möglich sein, weil insbesondere nicht feststehe, welcher Betrag für die Ausstattung des Mietobjektes zu veranschlagen bzw. welcher Anteil der von Dr. F geleisteten Zahlung hierauf anzurechnen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision teilweise Folge. Das angefochtene Urteil und das erstgerichtliche Teilurteil wurden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution anzugeben, welchen Betrag sie anläßlich der Vermietung der Wohnung Nr. 6/7 im Hause Wien XIII, X-Gasse 42, an die Eheleute Dr. R und G F von Dr. P F in Empfang genommen hat und wofür dieser Betrag bestimmt war, und einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig sind.

Das Mehrbegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution ein Verzeichnis der Einnahmen und Ausgaben, betreffend das Haus Wien XIII, X-Gasse 42, für die Zeit vom 1. Jänner 1973 bis 31. Dezember 1973 vorzulegen und einen Eid dahin zu leisten, daß diese ihre Angaben richtig und vollständig sind, wird abgewiesen."

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber macht geltend, das auf Rechnungslegung gerichtete Klagebegehren sei deshalb abzuweisen, weil die Klägerin nach ihrem Vorbringen ohnedies ein konkretisiertes Leistungsbegehren hätte stellen können. Nach den Klagsbehauptungen habe Dr. F der Klägerin erklärt, 480.000 S als Ablöse bezahlt zu haben, und nach dem weiteren Vorbringen der Klägerin sei die Wohnungseinrichtung, die der Beklagte an Dr. F verkauft habe, im Verlassenschaftsverfahren mit 12.000 S geschätzt worden.

Dem Beklagten schwebt hier anscheinend der aus § 228 ZPO abgeleitete, in ständiger Rechtsprechung oftmals ausgesprochene Rechtssatz vor, daß dann, wenn eine Leistungsklage angebracht werden kann, die Feststellungsklage nicht zuzulassen ist. Der Revisionswerber verkennt dabei aber offenbar die Rechtsnatur des zwischen ihm und der Klägerin bestehenden gemeinschaftlichen Eigentums sowie seiner, des Beklagten, Verwaltereigenschaft, welche Umstände der Klägerin einen Anspruch nicht bloß auf Leistung (= Zahlung), sondern - weitergehend - auf Rechnungslegung geben und den Beklagten somit gemäß § 837 ABGB zur Rechnungslegung verpflichten. Aus dieser Rechnungslegungspflicht folgt allerdings nicht, wie das Berufungsgericht vermeint, gleichsam von selbst die Verpflichtung zur Eidesleistung. Dies deshalb nicht, weil Art. XLII EGZPO (1. Fall) die Eidesleistungspflicht nur für die Angabe des Vermögens und der Schulden, nicht aber für die Rechnungslegung schlechthin anordnet. Die Verpflichtung zur Angabe eines Vermögens oder von Schulden betrifft die Verzeichnung des Vermögensstandes zu einem bestimmten Zeitpunkt, während - hierin liegt der wesentliche Unterschied - die Verpflichtung zur Rechnungslegung die Darstellung einer Vermögensbewegung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erforderlich macht. Mangels einer gesetzlichen Grundlage (in Art. XLII EGZPO) besteht daher für die aus dem bürgerlichen Recht abgeleiteten Rechnungslegungsansprüche grundsätzlich nicht die Pflicht zur Eidesleistung. Diese wird - ausnahmsweise - nur dann bejaht, wenn es dem Berechtigten gelinge, darzutun, daß Rechnungsposten vermutlich unrichtig oder unvollständig seien. In einem solchen Fall gibt Art. XLII EGZPO das Mittel an die Hand, den zur Rechnungslegung Verpflichteten zu einer richtigen und vollständigen Abrechnung zu zwingen und von ihm die Leistung des Eides zu verlangen (SZ 42/122 = RZ 1970, 149; SZ 25/99 u. a.; Stanzl in Klang[2] IV, 843; Fasching II/94).

vorliegenden Fall steht die Klägerin auf dem Standpunkt, der Beklagte habe eine "offenkundig falsche" (Klage S. 3) Rechnung gelegt, die die von Dr. F erhaltene Ablöse in der Höhe von 480.000 S nicht enthalte. Der Beklagte hingegen macht geltend, es habe sich bei dem erhaltenen Betrag, der übrigens nur 470.000 S ausmache, um den Kaufpreis für die Einrichtung seiner den Eheleuten Dr. F vermieteten Wohnung gehandelt, worüber er nicht zur Rechnungslegung verpflichtet sei. Die Klägerin gibt zwar zu, davon Kenntnis zu haben, daß der Beklagte einen Betrag von 480.000 S erhalten hat, behauptet aber gleichzeitig, daß ihr der Umfang des beiden Miteigentümern zustehenden Vermögensteiles, nämlich des auf die Wohnungsablöse im eigentlichen Sinne entfallenden Teiles dieses Betrages, nicht bekannt sei. Daß die Klägerin die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit von Rechnungsposten (im Sinne der E SZ 42/122) dargetan hätte, kann nun nicht gesagt werden; wohl aber ist in der behaupteten und teilweise auch als erwiesen angenommenen Vorgangsweise des Beklagten eine Verheimlichung und Verschweigung eines Vermögens zu erblicken, das ein Begehren auf Angabe dessen, was dem Beklagten darüber bekannt ist, und auf Eidesleistung im Sinne des Art. XLII EGZPO 2. Fall rechtfertigt. Wenn auch grundsätzlich die Bekanntheit eines Vermögens die Klage nach Art. XLII EGZPO ausschließt, kann sie doch zur Feststellung des Umfanges eines noch vorhandenen verheimlichten Vermögensteils angebracht werden (Fasching, 95). Ein solches Begehren ist dem Sinne nach in dem vorliegenden weit gefaßten Klagebegehren enthalten; ihm muß Berechtigung zuerkannt werden, und es kann demzufolge die Revision in diesem Umfange nicht begrundet sein.

Berechtigt erscheint die Revision allerdings, soweit die Untergerichte dem Klagebegehren auf Rechnungslegung und deren Beeidigung stattgegeben haben. Dieses Begehren ist aus den dargelegten Erwägungen nicht gerechtfertigt. Daher muß das Klagebegehren, soweit es den durch den stattgebenden Teil gezogenen Rahmen überschreitet, abgewiesen werden und der Revision somit in diesem Umfange ein Teilerfolg beschieden sein.

Auf die Behauptung des Revisionswerbers, daß die Klägerin den Klagsanspruch deshalb nicht mit Erfolg geltend machen könne, weil es sich bei dem dem Beklagten zugekommenen Betrag um eine im Sinne des § 17 Abs. 1 MietG verbotene Ablöse handle, braucht schon in Ermangelung jedweden Sachvorbringens in erster Instanz nicht eingegangen zu werden.

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