OGH 5Ob174/69

OGH5Ob174/6910.9.1969

SZ 42/122

Normen

Einführungsgesetz zur ZPO ArtXLII
Einführungsgesetz zur ZPO ArtXLII

 

Spruch:

Die §§ 1009 und 1012 ABGB. gelten auch für den mit Werkvertrag bestellten Generalunternehmer, der im Namen und für Rechnung eines Dritten den Ausbau und die Einrichtung eines Gewerbebetriebes zu besorgen hat.

Wenn der Auftraggeber dartun kann, daß der zur Rechnungslegung verpflichtete Geschäftspartner Rechnungsposten vermutlich unrichtig oder unvollständig angegeben hat, gibt Art. XLII EGZPO. ihm das Mittel in die Hand, den Beauftragten, der vermutlich von der Verschweigung einzelner Rechnungsposten Kenntnis hat, zu zwingen, das bekanntzugeben, was er verschweigen will, und von ihm die Leistung des Eides zu verlangen.

Entscheidung vom 10. September 1969, 5 Ob 174/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach der Behauptung der Klägerinnen besorgte die Beklagte als Generalunternehmer im Auftrag und für Rechnung der Klägerinnen den Ausbau des Brauhofes M. sowie die Ausstattung eines Saales und sämtlicher Restaurationsräume dieses Brauhofes mit entsprechenden Einrichtungsgegenständen. Nach Durchführung dieses Auftrages habe die Beklagte am 16. Dezember 1964 über einen Betrag von 9.542.700 S Rechnung gelegt und die geforderte Summe von den Klägerinnen erhalten. In der Folge sei die Beklagte mit Versäumungsurteil des HG. Wien vom 24. März 1967, 15 Cg .../67, verhalten worden, über den Ausbau des Brauhofes M. ordnungsgemäß Rechnung zu legen. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung aus diesem Versäumungsurteil nur unvollständig nachgekommen. Aus den vorgelegten Belegen ergebe sich in hohem Maß die Wahrscheinlichkeit einer falschen Rechnungslegung, so daß die Vermutung begrundet sei, die Beklagte habe den Klägerinnen Schadenersatz zu leisten bzw. den ungerechtfertigten Nutzen herauszugeben. Im einzelnen werden in der Klage zahlreiche Rechnungsposten angeführt, die bisher unbelegt geblieben seien bzw. den Klägerinnen zu Unrecht angelastet wurden. Die Klägerinnen begehrten daher nach Modifizierung ihres Klagebegehrens die Verurteilung der Beklagten, sie habe a) unter Vorlage aller Belege, wie insbesondere der Verträge, Bestellscheine, Lieferaufträge, Rechnungen, Regiezettel, Inventarverzeichnisse usw., anzugeben, was ihr von der Verschweigung bzw. von der Verheimlichung bei folgenden Posten der Rechnung vom 16. Dezember 1964 betreffend den Ausbau des Brauhofes M. ... bekannt sei, und zwar ... (es folgt die Aufzählung einer Reihe von Rechnungsposten), und einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig seien; b) den Klägerinnen zur ungeteilten Hand den Schaden zu ersetzen bzw. jene Werte herauszugeben, womit sie sich ungerechtfertigt bereichert habe, und

c) den Klägerinnen die Prozeßkosten zu ersetzen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab und führte dazu aus:

Das Gesetz lasse das Begehren nach Eidesleistung nur dann zu, wenn der Beklagte auch zur Angabe eines Vermögens bzw. zu anderen in Art. XLII EGZPO. angeführten Angaben verpflichtet sei; dagegen könne die Eidesleistung nicht zusammen mit einer Rechnungslegung gefordert werden. Obwohl die Klägerinnen ihr Begehren so formuliert hätten, als ob sie die Angabe eines Vermögens von der Beklagten forderten, ziele ihre Klage in Wahrheit darauf, die Beklagte zur Vervollständigung der bereits gelegten Rechnung und zur Eidesleistung über die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben zu verhalten. Ein solches Begehren sei im Gesetz nicht begrundet. Wie sich aus dem Klagebegehren zu b) ergebe, versuchten die Klägerinnen mit der vorliegenden Klage, die Grundlagen für die Berechnung ihrer Schadenersatzansprüche zu gewinnen; dafür sei jedoch eine Rechnungslegungsklage nicht zuzulassen. Das Verlangen nach Vorlage von Belegen sei kein gesonderter Teil des Klagebegehrens, sondern werde nur im Zusammenhang mit der geforderten Eidesleistung gestellt. Für dieses Verlangen nach Vorlage von Belegen fehle auch jedes rechtliche Interesse der Klägerinnen, weil sie ihren dahingehenden Anspruch auf Grund des Versäumungsurteils des HG. Wien vom 24. März 1967, 15 Cg .../67, durchsetzen könnten. Da das Klagebegehren zu a) unbegrundet sei, fehle auch dem gemäß Art. XLII Abs. 3 EGZPO. vorbehaltenen Leistungsbegehren zu b) die Grundlage.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sei zu prüfen, ob die vorliegende Klage einem der beiden in Art. XLII EGZPO. geregelten Fälle unterstellt werden können. Der erste Fall komme in Betracht, wenn der Beklagte zur Angabe eines Vermögens zu einem bestimmten Zeitpunkt, allenfalls am Tag des Schlusses der Verhandlung erster Instanz, verpflichtet sei; im zweiten Fall sei der Beklagte verpflichtet, anzugeben, was ihm von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens bekannt ist. In beiden Fällen könne auch die Eidesleistung des Beklagten verlangt werden. Wenn aber, wie hier, die Angaben von Tatsachen oder deren Beibringung begehrt werde, komme keiner dieser Fälle zur Anwendung, weil unter "Vermögen" nur verkehrsfähige Geldwerte, Sachen oder Rechte, nicht aber Tatsachen über die Zusammensetzung einzelner Rechnungsposten einer bestimmten Rechnung zu verstehen seien. Beurteile man das Begehren der Klägerin als Rechnungslegungsbegehren, dann könne die Eidesleistung nicht verlangt werden. Unterstelle man aber dem vorliegenden Klagebegehren das Verlangen auf Auskunftserteilung über ein verschwiegenes oder verheimlichtes Unternehmen, dann sei wohl das Begehren auf Eidesleistung, nicht aber jenes auf Vorlage der Belege begrundet. Eine teilweise Stattgebung des Klagebegehrens komme nicht in Betracht, weil diese ein aliud und kein minus zum Gegenstand hätte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerinnen Folge, hob das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach Art. XLII (1) EGZPO. ist allerdings derjenige, der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes ein Vermögen oder Schulden anzugeben hat, zur Angabe des ihm darüber Bekannten und zur Eidesleistung dahin verpflichtet, daß diese Angaben vollständig und richtig sind. Ein Anspruch auf Beschwörung einer Rechnung kann aus dieser Gesetzesstelle nicht abgeleitet werden, weil sich diese "auf etwas Statisches, auf einen Zustand, nämlich ein vorhandenes Vermögen oder Schulden, und nicht auf etwas Dynamisches, hier auf eine Rechnung, bezieht" (Stanzl in Klang, Kommentar[2] IV 843, Fasching, Kommentar II S. 94, EvBl. 1956 Nr. 330 u. a.). Soweit die Untergerichte dieser Rechtsauffassung folgten, ist sie somit durch Lehre und Judikatur gestützt. Art. XLII (1) EGZPO. verpflichtet aber auch denjenigen, der von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens Kenntnis hat, anzugeben, was ihm darüber bekannt ist, und einen Eid abzulegen, daß diese Angaben richtig und vollständig sind. Dieser Fall liegt vor, wenn es dem Auftraggeber gelingt, darzutun, daß Rechnungsposten vermutlich unrichtig oder unvollständig sind. In einem solchen Fall gibt diese Gesetzesstelle dem Auftraggeber "das Mittel in die Hand, den Beauftragten, der vermutlich von der Verschweigung einzelner Rechnungsposten Kenntnis hat, zu zwingen, das bekanntzugeben, was er verschweigen will, und von ihm die Leistung des Eides zu verlangen" (Stanzl a.a.O., SZ. XXV 99).

Es ist wohl auch richtig, daß die Klage nach Art. XLII EGZPO. nicht zur Angabe oder Beibringung von Tatsachen angestrengt werden kann und jedenfalls ein privatrechtliches Interesse des Klägers an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstandes voraussetzt (Fasching a.a.O. und S. 95). Diesfalls ist das erforderliche privatrechtliche Interesse der Klägerinnen aber zu bejahen, wenn es richtig ist, daß die Beklagte als ihr Generalunternehmer den Ausbau und die Einrichtung eines Restaurationsbetriebes besorgt und über die auf Rechnung der Klägerinnen abgeschlossenen Geschäfte abgerechnet hat. Daß nach der Behauptung der Klägerinnen dem Generalunternehmer die von ihm geforderte Summe - offenbar ohne entsprechende Überprüfung der Abrechnung - bereits ausgezahlt wurde, beeinträchtigt das privatrechtliche Interesse der Klägerinnen an der Ermittlung des Inhaltes der vom Generalunternehmer in ihrem Auftrag abgeschlossenen Verträge und des Umfanges seines wirklich für die Klägerinnen gemachten Aufwandes nicht. Den Klägerinnen steht auf Grund des mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrages (Bestellung zum Generalunternehmer für den Ausbau des Brauhofes) jederzeit das Recht zu, die Einhaltung des Verpflichtungen ihres Vertragspartners zu überprüfen. Es kann dahingestellt bleiben, ob und wie weit bei Anstellung eines Generalunternehmers ein Auftragsverhältnis vorliegt (vgl. EvBl. 1966 Nr. 366), da die Bestimmungen der §§ 1009 und 1012 ABGB. auch beim Werkvertrag gelten (siehe Adler - Höller in Klang Komm.[2] V 175). Diesbezüglich handelt es sich hier durchaus um die Ermittlung von Vermögenswerten der Klägerinnen. Das gleiche gilt auch, soweit die Klägerinnen von der Beklagten wissen wollen, welchem Zweck einzelne verrechnete Aufwendungen dienten und wofür gewisse von der Beklagten auf Rechnung der Klägerinnen angeschaffte Materialien verwendet wurden. Soweit hier die Angabe und Beibringung von Tatsachen gefordert wird, dienen diese lediglich der Ermittlung des Vermögens der Klägerin.

Ob die weitere Voraussetzung eines Erfolges der vorliegenden Klage gegeben ist, nämlich ob die Klägerinnen darzutun vermochten, daß die Beklagte vermutlich Kenntnis von diesem Vermögen hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Das Gesetz verlangt hier nicht, daß der Kläger die entsprechende Kenntnis des Beklagten beweist; es genügt vielmehr, daß der Kläger eine diesbezügliche Kenntnis des Beklagten bescheinigt (ZBl. 1919 Nr. 123), er muß aber seinen Verdacht von der Verheimlichung oder Verschweigung des Beklagten durch Angabe objektiver Anhaltspunkte stützen (SZ. XXIV 114).

Diesbezüglich wird nun in der Klage eine ganze Reihe angeblicher Fehler, Unklarheiten und Unstimmigkeiten der von der Beklagten bisher gelegten Rechnung behauptet, die den Verdacht stützen könnten, daß die Beklagte zum Nachteil der Klägerinnen ihre Treuepflicht verletzt hat. Allen diesen Behauptungen entsprechen die einzelnen in der Klage angeführten, von der Beklagten geforderten Angaben. Ob die von den Klägerinnen behaupteten Anhaltspunkte ihres Verdachtes im einzelnen gegeben sind und wie weit diese das Klagebegehren zu a) tatsächlich stützen, muß daher geprüft werden. Es kann somit nicht gesagt werden, daß die Klage unschlüssig wäre. Der Zusammenhang der zu a) und b) gestellten Begehren wurde von den Untergerichten zutreffend erkannt. Über das Begehren zu b) ist nicht früher abzusprechen, als eine Verpflichtung der Beklagten im Sinne des Begehrens zu a) zu bejahen oder zu verneinen ist.

Daher waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

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