Normen
WechselG Art53 Abs1
ZPO §503 Z4
ZPO §557
WechselG Art53 Abs1
ZPO §503 Z4
ZPO §557
Spruch:
Ein Verfahrensfehler des Berufungsgerichtes - zB unrichtige Anwendung der Eventualmaxime - kann unter Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angegriffen werden, wenn das Berufungsgericht unter seinem Einfluß eine materiellrechtliche Überprüfung des Urteils erster Instanz nicht vorgenommen bzw geglaubt hat, sie nicht vornehmen zu dürfen
Ist auf einem Wechsel kein Protesterlaß beurkundet und kein Protest in Urschrift vorgelegt, darf ein Wechselzahlungsauftrag nicht erlassen werden; wurde er aber dennoch erlassen, sind die Gerichte daran gebunden, wenn der Beklagte diesen Mangel in seinen Einwendungen nicht geltend macht
OGH 19. 1. 1972, 1 Ob 340/71 (OLG Wien 2 R 122/71; HG Wien 38 Cg 3001/71)
Text
Auf Grund eines für den 10. 12. 1965 fällig gestellten, keinen Protest oder Protesterlaß aufweisenden, auf den Betrag von S 30.000.- lautenden Wechsels, den der Beklagte als Aussteller unterfertigt und mit einem Blankoindossament versehen hatte, erwirkte der Kläger ua gegen den Beklagten am 19. 11. 1968 einen Wechselzahlungsauftrag, gegen den der Beklagte Einwendungen erhob. In diesen führte er aus, daß die Schuld aus dem Wechsel, den Gerda M als Bezogene und ihr Ehemann Spasoje M als Bürge unterfertigt hatten, nach mehrmaliger Prolongation von Spasoje M in voller Höhe zurückgezahlt worden sei; da der Kläger trotzdem den klagsgegenständlichen Wechsel nicht zurückgestellt habe, habe Spasoje M, als ihm bekannt geworden sei, daß die Forderung gegen ihn neuerlich geltend gemacht werden könnte, gegen den Kläger Strafanzeige erstattet. Bei der Tagsatzung vom 26. 3. 1971 brachte der Beklagte noch vor, daß der Wechselzahlungsauftrag zurückgewiesen hätte werden müssen, da bei Nichteinlösung des Wechsel bei dessen Vorlage am Fälligkeitstag kein Protest erhoben worden sei; dieser Mangel einer Prozeßvoraussetzung müßte vom Gericht auch wahrgenommen werden, wenn er in den Einwendungen nicht geltend gemacht wurde.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag gegen den Beklagten seinem ganzen Inhalt nach aufrecht, verurteilte ihn zur Bezahlung des Betrages von S 30.000.- sA und stellte fest, daß dem Kläger der Betrag von S 30.000.- nicht zugekommen sei. Der unterlassene Protest könne nach einem erlassenen Wechselzahlungsauftrag im Hinblick auf die im Wechselverfahren geltende Eventualmaxime nicht mehr beachtet werden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionsbeantwortung vertritt die Auffassung, die Revision sei zurückzuweisen (zu verwerfen), weil sie beantrage, daß der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien Folge gegeben werde; über diese Berufung sei aber bereits entschieden worden und könne nicht noch einmal entschieden werden; auch könne im Revisionsverfahren nicht das Urteil erster Instanz bekämpft werden.
Der Revisionsbeantwortung ist beizupflichten, daß der Revisionsantrag nicht dem Gesetze gemäß formuliert wurde, ist doch ein Revisionsantrag auf Abänderung des Berufungsurteiles nur dann als bestimmt anzusehen, wenn der Abänderungsantrag den Inhalt des Urteiles, das an Stelle des bekämpften Urteiles zu fällen wäre, anführt (Fasching IV, 351). Verweisungen der Revision auf den Inhalt der Berufungsschrift entsprechen hingegen nicht der Vorschrift des § 506 ZPO und sind daher für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich (SZ 23/89 uva); dies muß besonders für den Revisionsantrag gelten, für den ein bloßer Hinweis auf den Berufungsantrag nicht genügen kann. Ein Revisionsantrag ohne nähere Angabe, welche sachliche Entscheidung des Revisionsgerichtes begehrt wird, ist aber nicht genügend bestimmt, so daß eine solche Revision grundsätzlich gemäß §§ 513, 471 Z 3 ZPO zu verwerfen ist (JBl 1952, 184 ua). Herrschende Auffassung ist es aber auch, es genüge, wenn dem obigen Inhalt der Revisionsschrift entnommen werden kann, welche Entscheidung der Revisionswerber anstrebt (5 Ob 36/69 ua); eine Revision ist also nicht zu verwerfen, wenn nach ihrem Inhalt darüber, welche Abänderung begehrt wird, kein Zweifel bestehen kann (1 Ob 78/70; 2 Ob 240/ 69; vgl zum Berufungsantrag in diesem Sinne SZ 39/156; JBl 1958, 474; SZ 20/209 ua). Nach dem Inhalt der Revisionsausführungen kann nun aber kein Zweifel bestehen, daß der Beklagte die gänzliche Aufhebung des erlassenen Wechselzahlungsauftrages anstrebt, so daß die Revision sachlich behandelt werden kann.
Der Beklagte bestreitet nicht mehr, daß er mit seiner einzigen gegen den Wechselzahlungsauftrag erhobenen Einwendung, Spasoje M habe dem Kläger die Wechselsumme bereits bezahlt, nicht durchdringen kann, weil dem Kläger der im Wechsel genannte Betrag tatsächlich nicht zugekommen ist. Die Revision meint vielmehr, die Untergerichte hätten die später erhobene Einwendung, der Kläger könne gegen den Beklagten als Aussteller nicht Regreß nehmen, weil er nicht rechtzeitig Wechselprotest erhoben habe, beachten müssen.
Hiemit rügt der Beklagte, die Untergerichte hätten zu Unrecht angenommen, die nach ständiger Rechtsprechung im Wechselverfahren geltende Eventualmaxime schließe auch diese Einwendung aus. Die Auffassungen, ob die unrichtige Anwendung der Eventualmaxime den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (so zB SZ 23/189) oder der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (so zB in jüngster Zeit 3 Ob 64, 65/71) bilde, gehen auseinander. Träte man ersterer Auffassung bei, wäre nach herrschender Rechtsprechung die Geltendmachung der Verletzung der Vorschriften über die Eventualmaxime, wenn sie beide Untergerichte übereinstimmend verneint hätten, im Revisionsverfahren nicht mehr möglich (vgl EvBl 1969/263; SZ 41/8 uva). Der erkennende Senat schließt sich jedoch, zumal auch die Entscheidung SZ 23/189 diese zuletzt erwähnte Konsequenz nicht zog, der Auffassung der Entscheidung 1 Ob 184/64 an, daß auch ein Verfahrensfehler des Berufungsgerichtes unter Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angegriffen werden kann, wenn das Berufungsgericht unter seinem Einfluß eine materiell-rechtliche Überprüfung des Urteiles erster Instanz nicht vorgenommen bzw geglaubt hat, sie nicht vornehmen zu dürfen (vgl hiezu auch ZBl 1927/158).
Tatsächlich haben die Untergerichte allerdings die erst späterhin vorgebrachte Einwendung des Beklagten mit Recht nicht beachtet. Der Beklagte ist nämlich verpflichtet, bei sonstigem Ausschluß alle seine Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag, seien sie materiellrechtlicher oder prozessualer Art, in den "Einwendungen" vorzubringen (EvBl 1971/236; JBl 1966, 471; SZ 23/189 uva; Fasching IV, 583, 611). Er muß dabei im einzelnen anführen, welche Einwendungen er erhebt; es genügt also entgegen der Auffassung der Revision nicht, nur allgemein Einwendungen zu erheben und damit darzutun, mit der Erlassung des Wechselzahlungsauftrages nicht einverstanden zu sein; in den Einwendungen sind vielmehr die Gründe, die die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages unzulässig machten oder materiellrechtlich nicht rechtfertigen, im einzelnen anzuführen. Der sonst geltende Grundsatz, daß das Gericht den zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten dahin zu untersuchen hat, ob der geltend gemachte Anspruch daraus abgeleitet werden kann (RZ 1969, 52; RZ 1968, 194 ua), ist also nicht anzuwenden. Das gilt auch für die Einwendung, der Kläger habe gemäß Art 53 Abs 1 WG mit der Versäumung der Frist für die Erhebung des Protestes mangels Zahlung sein Recht gegen den Beklagten als Aussteller verloren. Das Erstgericht hätte allerdings, da auf dem Wechsel kein Protesterlaß beurkundet und kein Protest in Urschrift vorgelegt worden war (§ 557 Abs 1 ZPO), den Wechselzahlungsauftrag nicht erlassen dürfen (Fasching IV, 604). Hatte es aber den Zahlungsauftrag erlassen, war es, wie die Untergerichte bereits richtig ausführten, daran gebunden, wenn der Beklagte diesen Mangel in seinen Einwendungen nicht geltend machte; ohne Rüge war der Mangel saniert (EvBl 1959/210 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung; 1 Ob 56/57; Fasching IV, 610). Eine amtswegige Wahrnehmung des Mangels, wie sie die Revision anstrebt, ist also ausgeschlossen. Später erhobene Einwendungen sind aber nur insoweit zulässig, als sie nach Ablauf der Einwendungsfrist eingetretene Ereignisse betreffen (EvBl 1969/395; JBl 1962, 96 ua); das kann für den vorliegenden Fall, in dem der Mangel schon vor Erlassung des Wechselzahlungsauftrages vorhanden war, nicht gelten. Die Folgen mögen, wie zugegeben sei, manchmal für den Beklagten hart sein, er muß sie aber nach der Gesetzeslage und bei Beachtung des Zweckes der Eventualmaxime, das Verfahren zu beschleunigen, in Kauf nehmen; sie gehören mit zu den Risken, die jeder Wechselaussteller auf sich nehmen muß. Ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung, wie es die Revision anstrebt, wäre nicht gerechtfertigt.
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