OGH 1Ob206/71

OGH1Ob206/7125.11.1971

SZ 44/177

Normen

ABGB §880a
ABGB §1400
HGB §1 Abs2 Z4
HGB §§363 ff
HGB §365
KWG §1
ScheckG Art1
WechselG Art13
WechselG Art14
WechselG Art16
WechselG Art40
ABGB §880a
ABGB §1400
HGB §1 Abs2 Z4
HGB §§363 ff
HGB §365
KWG §1
ScheckG Art1
WechselG Art13
WechselG Art14
WechselG Art16
WechselG Art40

 

Spruch:

Zur Rechtsnatur des Geldwechslergeschäftes und des Reiseschecks

OGH 25. 11. 1971, 1 Ob 206/71 (OLG Wien 3 R 71/71; HG Wien 26 Cg 166/70)

Text

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei Zahlung des Schilling-Gegenwertes von 6000 US-Dollar, berechnet nach dem amtlichen Mittelkurs der Oesterreichischen Nationalbank am Zahlungstag, samt 5% Zinsen seit 8. 1. 1970, Zug um Zug gegen Ausfolgung von 24 Reiseschecks der beklagten Partei zum Nennwert von je 250 US-Dollar. Sie brachte dazu vor, daß sie in K ein von zahlreichen, gutsituierten Ausländern frequentiertes Spielkasino betreibe. Besonders während der Wintersaison würden an der Jetonkasse des Spielkasinos in K namhafte Beträge in ausländischen Banknoten oder Reiseschecks entgegengenommen. In den Abendstunden des 5. 1. 1970 sei ein gutgekleideter Herr im Spielkasino erschienen, habe sich mit dem deutschen Personalausweis E 87 112 89, lautend auf den Namen Ben Amie D, ausgewiesen und beim Jetonkassier Josef W Jetons erworben und hiefür 6000 US-Dollar in Reiseschecks zu je 250 US-Dollar gezahlt. Dieser Mann habe vor dem Kassier vorschriftsmäßig die vorgesehene Zweitunterschrift auf den Reiseschecks geleistet, die an Hand des Personalausweises in der üblichen Weise überprüft worden sei; Auffälligkeiten hätten sich hiebei nicht ergeben. Die klagende Partei habe die solcherart erworbenen Reiseschecks am 8. 1. 1970 dem Bankhaus Schelhammer & Schattera zur Einziehung übergeben. Das genannte Bankinstitut habe bei der Prüfung der Reiseschecks festgestellt, daß diese in einem über Veranlassung der Wiener Zweigniederlassung der beklagten Partei ergangenen Rundschreiben des Bankenverbandes als verloren bzw als gestohlen kurrendiert waren. Daraufhin habe die klagende Partei die Reiseschecks der Tochtergesellschaft der beklagten Partei in London - allerdings vergeblich - zur Einlösung vorgelegt. Das Rundschreiben des Bankenverbandes habe die klagende Partei als Nichtmitglied dieses Verbandes nicht erhalten. Das Bankhaus Schelhammer & Schattera unterhalte zwar in zwei von der klagenden Partei betriebenen Kasinos Wechselstuben, nämlich in Bad G und B b W, nicht jedoch in K. Die genannte Bank habe ihre beiden Wechselstuben, nicht aber die klagende Partei von der Kurrende unterrichtet. Die klagende Partei führe in ihrem Kasino in K mit Genehmigung der Oesterreichischen Nationalbank Geldwechslergeschäfte durch und sei berechtigt, ausländische Zahlungsmittel jeglicher Art gegen österreichische Zahlungsmittel zu wechseln. Während der Saison seien Jetonkäufe von Besuchern im Gegenwert von 6000 US-Dollar keine Seltenheit. Bei dem angeblichen Ben Amie D habe es sich - wie später hervorgekommen sei - in Wahrheit um den vorbestraften, in der Bundesrepublik Deutschland zur Verhaftung ausgeschriebenen Laszlo P gehandelt. Die gegenständlichen Reiseschecks seien einem gewissen Tariq M aus B abhanden gekommen, der sie am 9. und 11. 7. 1969 in der Wiener Zweigniederlassung der beklagten Partei gekauft, aber am 20. 7. 1969 in W verloren habe. Laszlo P habe die Reiseschecks und den - gefälschten - Personalausweis angeblich in M erstanden und die Unterschriften auf den Reiseschecks nachgemacht; er sei im Zusammenhang mit dem klagsgegenständlichen Vorfall vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Betruges verurteilt worden. Von der klagende Partei bzw deren Angestellten seien alle einschlägigen Vorschriften beachtet, also der Jetonkäufer zur Ausweisleistung angehalten, Name sowie Nummer des Ausweises notiert und die vor dem Jetonkassier geleisteten Unterschriften geprüft worden.

Außer Streit steht, daß der in englischer Sprache gehaltene Text der Reiseschecks lautet: "Thos. Cook & Son (Bankers) Aktiengesellschaft Agentur New York. Gegen Vorlage dieses Schecks, gegengezeichnet von der Person, deren Unterschrift unten ersichtlich ist, zahlen wir an die Order von ...... in den Vereinigten Staaten zweihundert und fünfzig Dollar $ 250.-, in anderen Staaten den Gegenwert zum Bankeinkaufskurs für Sichtwechsel gezogen auf New York. Für Thos. Cook & Son (Bankers) AG." und daß die Reiseschecks jeweils die faksimilierte Unterschrift "Reginald Wilson, Präsident" tragen. Überdies steht außer Streit, daß sich auf den gegenständlichen Reiseschecks die Erstunterschrift des Scheckkäufers links unten, uzw auf der Höhe der faksimilierten Unterschrift des Ausstellers befindet, während die vor dem Auszahlungsorgan zu leistende Zweitunterschrift links oben aufscheint.

Das Erstgericht, das in die Ablichtungen der Reiseschecks, in den Stampiglienaufdruck der klagenden Partei sowie in das vorgelegte Merkblatt von "Cook Reiseschecks" Einsicht genommen hat, gab dem Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahmen statt. Es ging davon aus, daß österreichisches Recht anzuwenden sei. Bei den Papieren handle es sich um Inhaber-, wahrscheinlicher aber um Rektapapiere. Eine Indossierung sei nicht erfolgt. Die beklagte Partei habe anläßlich des Verkaufes der Reiseschecks vom Käufer keine Ausweisleistung verlangt. Die in arabischen Schriftzeichen gehaltene Unterschrift sei in Europa für einen Durchschnittsmenschen nicht unterscheidbar. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich von einer bankinternen Kurrende Kenntnis zu verschaffen, zumal die beklagte Partei auch eine Kraftloserklärung der gegenständlichen Reiseschecks hätte veranlassen können.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung Folge und wies - ausgehend von den Urteilsannahmen des Erstgerichtes - in Abänderung des Ersturteiles das Klagebegehren ab. Dem Erstgericht, so führte das Berufungsgericht aus, sei darin beizupflichten, daß es sich bei den gegenständlichen Reiseschecks um kaufmännische Verpflichtungsscheine handle. Diese könnten an Order lauten (§ 363 Abs 1 HGB) und gehörten zur Gruppe der handelsrechtlichen Traditionspapiere. Nach der Vorschrift des § 364 HGB komme hier einem Indossament eine Transport- und Legitimationswirkung, nicht jedoch auch die Garantiewirkung eines wechselrechtlichen Indossamentes zu. § 365 Abs 1 HGB bestimme unter anderem, daß hinsichtlich der Legitimation des Besitzers und der Prüfung der Legitimation die Vorschriften der Art 16 und 40 WG entsprechend anzuwenden seien. Nach Art 40 Abs 3 WG werde derjenige, der bei Verfall zahlt, von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn ihm nicht Arglist oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Es handle sich hiebei um eine Rechtsscheinwirkung zugunsten des Schuldners, die eng im Zusammenhang mit jener zugunsten des Gläubigers (Art 16 Abs 1 WG) stehe, derzufolge der förmlich ausgewiesene Gläubiger sein Recht bei Geltendmachung nicht weiter zu beweisen brauche. Dem Gläubiger fehle die Berechtigung, wenn er beim Erwerb schlechtgläubig gewesen sei, der Schuldner wiederum handle arglistig oder grob fahrlässig, wenn er wisse oder mühelos habe feststellen können, daß die mangelnde sachliche Berechtigung des Gläubigers leicht beweisbar sei. Bei der Prüfung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliege, komme es auf die Liquidität der Beweismittel an. Der Schuldner müsse übersehen haben, daß ihm liquide Beweismittel zur Verfügung standen, mit denen er den Mangel der Berechtigung des Gläubigers leicht beweisen konnte und dieses Versehen müsse aus der Gesamtheit der Umstände als besonders schwere Verletzung im geschäftlichen Verkehr erscheinen. Dabei seien allerdings keine strengen Maßstäbe anzulegen und die Beurteilung müsse von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verkehrs erfolgen. Dies habe auch für die Prüfung der Legitimation zu gelten (Baumbach - Hefermehl, Beck'scher Kurzkommentar zum Wechsel- und Scheckgesetz, Anm 6 a und 6 c zu Art 40 WG).

Würden diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, dann könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die klagende Partei beim Erwerb der gegenständlichen Reiseschecks grob fahrlässig gehandelt habe. Nach ihren eigenen Angaben betreibe sie im Kasino K Geldwechsler-, also Bankgeschäfte und arbeite in zwei anderen Kasinos zumindest insofern mit dem Bankhaus Schelhammer & Schattera zusammen, als dieses dort Wechselstuben unterhalte. Die klagende Partei müsse sich in Ansehung des umstrittenen Geschäftsfalles wie ein Bankier behandeln lassen. Anders wäre es bei einem Kaufmann, der nicht Bankgeschäfte betreibe. In diesem Fall wäre der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht zu erheben. Der Bankgeschäfte betreibenden klagenden Partei wäre es jedoch oblegen, für eine unverzügliche Verständigung von allen einschlägigen Kurrenden zu sorgen. Falls sie nicht ohnehin berechtigt gewesen sei, vom Bankenverband solche Verständigungen zu verlangen, habe jedenfalls die Möglichkeit bestanden, vom Bankhaus Schelhammer & Schattera die entsprechenden Mitteilungen zu erlangen. Hätte sie diese Möglichkeit genutzt, dann wäre es zu dem Geschehen vom 5. 1. 1970 nicht gekommen, weil die Kurrendierung der gegenständlichen Reiseschecks bereits am 20. 12. 1969 erfolgt sei. Es hätte aber auch ein kurzer Telefonanruf in den von dem genannten Bankhaus in den Kasinos der klagenden Partei in Bad G oder B b W unterhaltenen Wechselstuben genügt, um Klarheit über die mangelnde Legitimation des Reisescheckinhabers zu gewinnen. Eine solche Anfrage wäre umsomehr am Platze gewesen, als die in arabischen Schriftzeichen geleisteten Unterschriften für den Kassier (Jetonverkäufer) kaum überprüfbar gewesen seien und es sich immerhin um eine bedeutende Summe gehandelt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den Ausführungen der klagenden Partei zum Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO ist zunächst grundsätzlich zu erwidern, daß dieser Anfechtungsgrund nur in der Verletzung einer Verfahrensvorschrift gelegen sein kann. Er ist zudem nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und grundliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, IV 304 f).

Die im Rahmen der Mängelrüge erhobenen Angriffe der Rechtsmittelwerberin vermögen keinen derart qualifizierten Verfahrensverstoß des Berufungsgerichtes aufzuzeigen. Mit dem Hinweis, daß es das Berufungsgericht unterlassen habe, zu prüfen, wie es zu dem Stampiglienaufdruck "Bankhaus Schelhammer & Schattera, Wien" auf der Rückseite der Reiseschecks gekommen sei, wird jedenfalls kein Verfahrensmangel behauptet, sondern ein Feststellungsmangel (§ 503 Z 4 ZPO) geltend gemacht (SZ 23/175 uva), der jedoch deshalb nicht gegeben ist, weil die vorliegenden Verfahrensergebnisse auch dann eine abschließende Beurteilung erlauben, wenn davon ausgegangen wird, daß es sich hierbei um ein "Giro" (Indossament) handelt, das in der Anbringung der banküblichen Stampiglie zum Ausdruck gebracht wurde.

Was aber das Bemühen der Rechtsmittelwerberin anlangt, die Urteilsannahme zu bekämpfen, daß sie in ihrem Spielkasino in K mit Genehmigung der Oesterreichischen Nationalbank Geldwechselgeschäfte durchführt, so ist dieses deshalb unverständlich, weil das Berufungsgericht dabei lediglich von den Klagsbehauptungen ausgegangen ist. Selbst in der Revisionsschrift weist die klagende Partei noch auf die ihr von der Oesterreichischen Nationalbank erteilte Berechtigung hin, ausländische Zahlungsmittel jeglicher Art entgegenzunehmen und umzuwechseln, also Geldwechslergeschäfte zu tätigen. Wenn das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von diesem eigenen Vorbringen der klagenden Partei ausgegangen ist und weitere Beweisaufnahmen zu dieser für die rechtliche Beurteilung bedeutsamen Frage unterlassen hat, dann kann sich die klagende Partei dadurch umsoweniger beschwert erachten, als ihre Prozeßgegnerin im Berufungsverfahren das Vorliegen einer Genehmigung für den Betrieb einer Wechselstube im Spielkasino K ausdrücklich zugestanden hat.

Der OGH ist bei einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge gehalten, die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes nach allen Richtungen und nicht bloß im Rahmen der Revisionsausführungen zu prüfen (Fasching, aaO IV 322 f). Zu den von Amts wegen zu prüfenden Fragen gehört - falls sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Sache allenfalls nach ausländischem Recht zu beurteilen ist - auch die des anzuwendenden Rechtes (SZ 25/17, EvBl 1965/22 ua). Ungeachtet der den gegenständlichen US-Dollar-Reiseschecks zu entnehmenden Tatsache, daß diese von Thos Cook & Son (Bankers) Ltd, New York Agency, stammen, kommt die Anwendung ausländischen Rechtes nicht in Betracht, weil die Reiseschecks, die übrigens von einer inländischen Verkaufsstelle des genannten Emissionsinstitutes veräußert worden waren, von der klagenden Partei in Österreich in Zahlung genommen wurden. Das im Inland abgeschlossene wechselseitig verbindliche Geschäft zwischen einem Ausländer und einem Inländer, aus dem die klagende Partei diesfalls ihren Anspruch herleitet, ist aber grundsätzlich nach inländischem Recht zu beurteilen (§ 36 ABGB).

Was die Rechtsnatur eines Reiseschecks angeht, bei dem die Ausgabestelle Zahlung verspricht, so fehlt zur Gültigkeit als Scheck die unbedingte Zahlungsanweisung. Auch wenn eine Zahlungsanweisung vorliegt, enthält das Papier häufig - so auch im vorliegenden Fall, in dem es sich um ein Zahlungsversprechen handelt - keine ausreichende Ausstellerunterschrift, weil nur faksimilierte Unterschriften mit eingedruckt sind (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 156). Beim Reisescheck sagt die Emissionsstelle dem Käufer die Auszahlung des aus dem Text des Schecks ersichtlichen Nennbetrages gegen Vorlage der mit der erforderlichen Ergänzung (Gegenzeichnung) versehenen Urkunde (Reisescheck) zu. Die der Auszahlung zugrunde liegende Urkunde ist also nicht schon der Reisescheck mit seinem Anweisungstext, sondern erst der unter Einhaltung bestimmter Bestimmungen gegengezeichnete Reisescheck. Diese Vorstellung von der rechtlichen Bedeutung des Reiseschecks entspricht nicht nur den Vorstellungen der Emissionsstelle, sondern auch dem Willen des Käufers, jederzeit und überall bei jedem Geldinstitut gegen Übergabe des Reiseschecks nach Durchführung der Gegenzeichnung den aus dem Scheck ersichtlichen Geldbetrag ausbezahlt zu erhalten. Die Zusage der Emissionsstelle, dem Käufer gegen Übergabe eines derart ausgestellten Reiseschecks einen bestimmten Geldbetrag auszuzahlen, stellt ein Leistungsversprechen dar, auf das - soweit die Einlösung nicht durch die Emissionsstelle erfolgt - die Bestimmungen des § 880a ABGB anzuwenden sind. Soweit die Emissionsstelle selbst die Einlösung vornimmt, realisiert sie ihr Leistungsversprechen selbst. Der bei der Geltendmachung vorgelegte Reisescheck muß - wie bereits dargelegt - notwendig durch Gegenzeichnung ergänzt sein, er stellte ein Wertpapier dar, ist aber kein Scheck im Sinne des Scheckgesetzes, sondern am besten wohl als qualifiziertes Legitimationspapier zu bezeichnen, bei dem der Einlösestelle die Verpflichtung obliegt, die Legitimation desjenigen zu prüfen, der die Honorierung dieses Wertpapiers verlangt (vgl Kastner, Zur Rechtsnatur des Einlagebuches nach österreichischem Recht, JBl 1966, 57 und die unter Anm 4 zitierte Literatur; Schinnerer, Der Reisescheck, Österreichische Landesreferate zum VII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, 1966, 106 f).

Für den Umfang dieser Prüfungspflicht ist es nun von wesentlicher Bedeutung, ob die Einlösung der gegenständlichen Reiseschecks durch die klagende Partei im Rahmen eines Bankgeschäftes erfolgte. Die klagende Partei wehrt sich gegen eine derartige Annahme und meint aus der im § 1 Z. 4 HGB getroffenen Unterscheidung zwischen Bankier- und Geldwechslergeschäften ableiten zu können, daß sich eine Gleichsetzung dieser Geschäfte verbiete. Dieser Argumentation ist nur darin zu folgen, daß im § 1 Z 4 HGB das Bankiergeschäft dem Geldwechslergeschäft zur Seite gestellt wird. In der Lehre (Hämmerle, Handelsrecht[2], I 70; Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch[4], I 28, Anm 48; Brüggemann - Würdinger, Handelsgesetzbuch, Großkommentar[3], 136, Anm 43) wird vorherrschend die Ansicht vertreten, daß diese Unterscheidung inzwischen praktisch ihren Sinn verloren habe, weil auch das Geldwechslergeschäft unter die Bestimmung des § 1 Abs 1 lit a des Gesetzes über das Kreditwesen vom 25. 9. 1939. DRGBl I 1955 (GBlÖ Nr 1390/1939) in der geltenden Fassung falle und nach der jetzigen Auffassung des Gesetzgebers stets als Bankiergeschäft gelte. Immerhin verdient erwähnt zu werden, daß Düringer - Hachenburg - Geiler[3] 174 seinerzeit eine abweichende Meinung vertraten und in dem von Heller kommentierten Abschnitt in "Das österreichische Recht" Bd VI 1 13, Anm 3 und 4 zu § 1 Kreditwesengesetz das Geldwechslergeschäft nicht genannt wird. Wesentlich erscheint, daß § 1 des Kreditwesengesetzes selbst keine taxative Aufzählung der Bank- und Sparkassengeschäfte enthält, vielmehr nur eine demonstrative Aufzählung ("insbesondere") dieser Geschäfte vornimmt. Bei der Lösung der Frage, ob ein bestimmtes, im Kreditwesengesetz nicht ausdrücklich genanntes Geschäft als Bankgeschäft zu beurteilen ist, kommt es daher primär wohl auf die Verkehrsanschauung an (vgl Hämmerle aaO). Wird dies beachtet, dann handelt es sich bei den im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsbetriebes zur Abwicklung gelangenden Geldwechslergeschäften zweifellos um "bankübliche Diestleistungsgeschäfte" (Kloss, in "Das Kreditwesen in Österreich", Festschrift für Krasensky, 439). Der Umstand, daß die klagende Partei im Rahmen ihres Spielbankbetriebes in K mit Genehmigung der Oesterreichischen Nationalbank Geldwechslergeschäfte, also bankübliche Dienstleistungsgeschäfte, vornimmt, rechtfertigt und erheischt es daher, bei der Beurteilung des vorliegenden Falles nach bankmäßigen Sorgfaltskriterien vorzugehen.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Anspruchsberechtigung der klagenden Partei von der Lösung der Frage abhängt, ob ihr beim Erwerb der gegenständlichen Reiseschecks zumindest grobe Fahrlässigkeit anzulasten ist (§ 365 Abs 1 HGB und Art 16 Abs 2 sowie Art 40 Abs 2 WG).

Nach den Urteilsannahmen führt die klagende Partei bankübliche Dienstleistungsgeschäfte durch, und auch der Erwerb der gegenständlichen Reiseschecks erfolgte in Ausübung dieser geschäftlichen Tätigkeit. Den sich aus dieser Betätigung für das Spielkasino ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen stehen naturgemäß auch Verpflichtungen gegenüber. Insbesondere ist die klagende Partei gehalten, die üblichen, dem Schutz der Bankinstitute und dem ihrer Kunden dienenden Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen. Dazu gehört es, sich Zugang zu den einschlägigen Kurrenden zu verschaffen. Die Beobachtung dieser natürlichen Obsorge hätte im vorliegenden Fall die sofortige Aufdeckung der Manipulationen Laszlo P's gewährleistet. Die in der Revision geäußerten Zweifel über die Möglichkeit der Beschaffung dieser Kurrenden sind nicht nur deshalb abwegig, weil die klagende Partei befugterweise Geldwechslergeschäfte betreibt, sondern auch deshalb, weil es im eigensten Interesse der im Bankenverband vereinigten Geldinstitute gelegen ist, Mitteilungen über den Verlust von Reiseschecks einem möglichst großen Publikumskreis zur Kenntnis zu bringen.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits die einzelnen - keineswegs deckungsgleichen und daher nicht unbedenklichen - Unterschriften auf den Reiseschecks in arabischen, dem Kassier der klagenden Partei nicht bekannten Schriftzeichen geleistet wurden, anderseits die dem Kassier zur Umwechslung in Jetons präsentierten Reiseschecks einen verhältnismäßig hohen Wert darstellten. Diese ungewöhnlichen Umstände in Verbindung mit der allgemein und selbstverständlich auch den Organen und Angestellten der klagenden Partei bekannten, durch die ständige erkennungsdienstliche Überwachung erhärtete Erfahrungstatsache, daß sich das in den einzelnen Spielkasinos verkehrende Publikum nicht ausschließlich aus Ehrenmännern zusammensetzt, hätten die klagende Partei bzw die für sie tätig gewordenen Organe bei Beobachtung der im Geschäftsverkehr üblichen, vor allem aber von den mit Bankgeschäften befaßten Personen zu beobachtenden Sorgfalt veranlassen müssen, die Legitimation des Reisescheckinhabers und die Gültigkeit der von ihm vorgelegten Reiseschecks mit besonderer Gewissenhaftigkeit zu überprüfen. Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß die klagende Partei liquide Beweismittel zur Verfügung hatte, um die mangelnde sachliche Berechtigung des Inhabers der Reiseschecks unverzüglich klarzustellen. Eine kurze telefonische Rückfrage bei den in den Spielkasinos der klagenden Partei in B und B bei W etablierten Wechselstuben des Bankhauses Schelhammer & Schattera hätte genügt, um das betrügerische Vorgehen Laszlo P's aufzudecken.

Der OGH verkennt keineswegs die Bedeutung und den wirtschaftlichen Zweck des Reiseschecks, der durch überspannte Anforderungen hinsichtlich des Maßes der Prüfungspflicht der einlösenden Stelle diskriminiert würde. Die beschriebenen außergewöhnlichen Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen aber den Vorwurf des Berufungsgerichtes, daß die klagende Partei bzw deren Organe und Angestellten beim Erwerb der Reiseschecks grob fahrlässig vorgegangen sind.

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