Spruch:
Haftung des Unternehmers eines bewachten Parkplatzes für Schäden an den gegen Entgelt geparkten Fahrzeugen
OGH 29. April 1970, 5 Ob 75, 76/70 (KG Wr Neustadt R 14/70; BG Baden 3 C 1O61/68)
Begründung:
Der Kläger fuhr am 16. Juni 1968 in seinem PKW mit seiner Gattin und dem mit ihm befreundeten Ehepaar Gerhard und Gerda D nach B, um das Standbad aufzusuchen.
Gegenüber dem Strandbad in B befindet sich ein im Eigentum der Stadt B stehendes, als Parkplatz verwendetes Grundstück. Der Parkplatz ist gegen die H-Straße eingezäunt; seine in dieser Straße befindliche Einfahrt ist mit einer Kette verschließbar. Von der Seite, die an den D-Park grenzt, ist der Parkplatz nur zum Teil eingezäunt.
Auf Grund der Konzessionsurkunde der BH B v 5. Jänner 1954 ist der Beklagte gemäß § 15 Abs 1 Z 4 GewO zur Beaufsichtigung von Parkplätzen während Veranstaltungen im Verwaltungsbezirk B berechtigt.
Der Beklagte schloß am 9. April 1968 mit der Stadtgemeinde B für das Jahr 1968 nachstehende Vereinbarungen:
"Die Stadtgemeinde B gestattet August S (Beklagter) die Ausübung der Berechtigung zur Beaufsichtigung von Parkplätzen laut Konzessionsurkunde v 5. Jänner 1954 auf dem ihr gehörigen Grundstück gegenüber dem Haupteingang des Bades zu folgenden Bedingungen:
1. Das genannte Grundstück wird von August S als bewachter Parkplatz geführt, und es muß während der gesamten Betriebszeit des Bades und eine Stunde vor bzw eine Stunde nach Badeschluß mindestens eine geeignete Person zur Bewachung des Parkplatzes anwesend sein.
2. Sämtliche Unkosten, Abgaben und Steuern sowie das volle Risiko und die Haftung, die mit der Ausübung der angeführten Konzession zusammenhängen, gehen zu Lasten des August S.
3. Für das Parken werden von August S folgende Sätze, die durch Anschlag veröffentlicht sein müssen, eingehoben: a) Personenkraftwagen 6 S
Die Beträge gelten für ganztägige Parkdauer.
4. Als Entgelt für die Ausübung der Konzession bezahlt August S 25 % von den Bruttoeinnahmen der Parkgebühren an die Stadtgemeinde B."
Am 16. Juni 1968 war bei der Einfahrt zum Parkplatz in der H-Straße ein Schild "Parkplatz" aufgestellt. Unter diesem Verkehrsschild befand sich ein Zusatzschild mit den Worten: "Bewachter Parkplatz von 7-19 Uhr; Autos 6 S, Moped 4 S, Fahrräder 2 S; auf eigene Gefahr".
Der 240 PKW fassende Parkplatz war am 16. Juni 1968 - einem Sonntag, an dem Badewetter herrschte - voll. Es wurden nur fallweise Parkplätze frei. Als der Kläger um die Mittagszeit auf dem Parkplatz eintraf und die Parkgebühr von 6 S entrichtete, wurde der gegenständliche Parkplatz von Ernst C, Karl A, Günther J, Jenny J und zum Teil vom Beklagten beaufsichtigt. Sie waren so verteilt, daß jede Fahrstraße von einer Person kontrolliert wurde. Wobei Jenny J bei den Fahrrädern den Aufsichtsdienst versah und nur im Bedarfsfall bei den PKW aushalf. Der Kläger fuhr nach Anweisung des Ernst C in eine Lücke der fünften Parkreihe. Beim Abstellen wies der Kraftwagen des Klägers Kratzer an der rechten Seite nach einem Anstreifen an ein Gitter und Absplitterungen an der linken Seite unter der Tür nach Steinschlägen auf.
Als der Kläger um 17 Uhr zum Wagen zurückkehrte, nahm er an der linken Tür und an der linken hinteren Seitenwand einen neuen, zirka 0.8-1 m langen, wellenförmigen Kratzer in einer Höhe von etwa 80 cm über dem Erdboden wahr. Die Kratzspur stammt von einem harten kantigen Gegenstand, der dort im Vorbeitragen angestreift hatte. Der Schaden kann nur durch eine Neulackierung der linken Tür und der linken hinteren Seitenwand behoben werden; der dafür erforderliche Kostenaufwand beträgt 1200 S.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm 2200 S sA zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß der Beklagte als Unternehmer eines bewachten Parkplatzes für Schäden an den Fahrzeugen hafte. Der Beklagte sei auch bei dem herrschenden Andrang an Fahrzeugen dadurch seiner Obsorgepflicht nicht nachgekommen, daß er zu wenig Parkwächter verwendet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß nach § 970 ABGB ua Unternehmer, die Stallungen oder Aufbewahrungsräume betreiben, als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen hafteten, sofern sie nicht beweisen, daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch fremde Personen verursacht sei. Ein bewachter Parkplatz, der weder überdacht noch hinten völlig abgeschlossen sei, könne weder einem Stall noch einem Aufbewahrungsraum gleichgestellt werden. Das wesentliche Merkmal einer Garage, die einem Aufbewahrungsraum gleichzustellen sei, bilde, daß sie das eingestellte Fahrzeug vor jeglichem Einfluß, somit auch vor Witterungseinflüssen schütze. Das Abstellen eines Fahrzeuges im Freien auf einem bewachten und umzäunten Platz stelle immer nur ein Parken dar, das keine Haftung nach § 970 ABGB begründe. Dem Beklagten könne aber auch kein Verschulden beim Betrieb des Parkplatzes zur Last gelegt werden. Auch mehr Aufsichtsorgane wären nicht in der Lage gewesen, zu verhindern, daß bei 240 abgestellten Wagen Insassen von Fahrzeugen mit Badeutensilien oder Campingmöbeln an den Kraftwagen des Klägers anstreiften. Eine merkantile Wertminderung sei überdies deshalb nicht gegeben, weil der Wagen des Klägers schon vor dem 16. Juni 1968 beschädigt gewesen sei.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Prozeßgerichts teilweise, und zwar dahin ab, daß der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger 1200 S (Reparaturkosten) sA zu zahlen. Im Ausspruch über die Abweisung eines Betrages von 1000 S (Ersatz des merkatilen Minderwerts) sA hob das Berufungsgericht das Urteil des Prozeßgerichts unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz, das die erstgerichtlichen Feststellungen übernahm, vertrat die Auffassung, daß die für Aufbewahrungsräume geltenden Bestimmungen des § 970 ABGB auch auf bewachte Parkplätze Anwendung fänden. Dem Benützer eines solchen Parkplatzes sei nicht bloß ein Raum überlassen, sondern der Verwahrer übernehme durch die Bezeichnung "Bewachter Parkplatz" die Obsorge über das Fahrzeug. Die Ablehnung einer Haftung durch die den Parkgebühren folgenden Worte "Auf eigene Gefahr" sei rechtlich wirkungslos. Der Begriff "Aufbewahrungsraum" in § 970 ABGB umfasse nicht nur Garagen, sondern auch die ihnen gleichzustellenden bewachten Parkplätze. Die Haftung des Beklagten erstrecke sich daher auf die Auslagen, die dem Kläger für die Behebung des Schadens erwachsen, so daß das Klagebegehren bezüglich eines Betrages von 1200 S sA gerechtfertigt sei.
Was hingegen das Begehren des Klägers auf den Ersatz der merkantilen Wertminderung anlange, so hätte an der Lackierung des PKW des Klägers bereits vor dem 16. Juni 1968 ein Schaden bestanden. Seien die Vorschäden unbedeutend gewesen und hätten sie auf den Zustand des Kraftwagens keinen Einfluß gehabt, dann sei durch die am 16. Juni 1968 entstandene Beschädigung des Kraftwagens eine merkantile Wertminderung eingetreten. Sei hingegen durch die schon bestandenen Lackschäden der Zustand des Kraftwagens erheblich beeinträchtigt gewesen, dann sei eine merkantile Wertminderung durch die Beschädigung am 16. Juni 1968 zu verneinen. Da darüber hinreichende Feststellungen fehlten, sei das Verfahren des Prozeßgerichts mangelhaft und die Sache noch nicht spruchreif.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes nicht Folge; seinen Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz wies er zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
A. Zur Revision des Beklagten:
Nicht beigetreten werden kann der Auffassung, daß gemäß § 970 ABGB zu den Unternehmern, die Aufbewahrungsräume halten - andere Unternehmer im Sinn der angeführten Gesetzesstelle kommen hier nicht in Betracht - auch der Beklagte zählt. Unter einem Aufbewahrungsraum kann nicht schlechthin jeder bewachte Parkplatz (so Gschnitzer, Schuldrecht besonderer Teil und Schadenersatz 10) verstanden werden. Der Begriff "Aufbewahrungsraum" setzt so weit abgeschlossene räumliche Verhältnisse voraus, daß sie einen Schutz außer Betrieb befindlicher Kraftfahrzeuge gegen Außeneinwirkungen bieten. Der Schutz muß zwar nicht so weit gehen, daß die Fahrzeuge auch gegen Witterungseinwirkungen gesichert sind (so Koritschan, der Garagierungsvertrag, JBl 1934, 247), doch muß der Parkplatz auf Grund seiner Lage oder getroffener baulicher Maßnahmen (wie etwa einer Umzäunung) nach seiner Beschaffenheit einem Raum gleichgestellt werden können soll die Haftung nach § 970 ABGB in Betracht kommen.
Für den vom Beklagten betriebenen Parkplatz treffen die Erfordernisse eines Aufbewahrungsraums aber nicht zu. Der Parkplatz ist zwar gegen die H-Straße zu eingezäunt und besitzt von dieser Straße aus eine mit einer Kette verschließbare Einfahrt. Die Rückseite des Parkplatzes ist aber nur teilweise umzäunt; eine Zufahrt vom D-Park ist möglich. Diese Zufahrt ist nur durch ein Fahrverbotsschild gesichert. Auf Grund seiner Beschaffenheit, die ein Eindringen Dritter nicht ausschließt, kann der Parkplatz nicht als Aufbewahrungsraum angesehen werden.
Allein der Beklagte ist Parkplatzunternehmer, der auf Grund seiner Konzession zur Beaufsichtigung von Parkplätzen befugt ist. Durch die Bezeichnung des von ihm betriebenen Parkplatzes als "bewachter Parkplatz" und die Einhebung einer Parkgebühr bringt er zum Ausdruck, daß er die Benützung des Parkplatzes gegen Entgelt unter Übernahme einer Obsorge für das Kraftfahrzeug anbietet. Der Beklagte hat aber auch das Fahrzeug in seine Obsorge übernommen und damit die für den Verwahrungsvertrag als Realvertrag notwendige Gewahrsame begründet (§ 957 ABGB), denn der Kläger wurde angewiesen, sein Fahrzeug auf einen bestimmten Platz abzustellen, somit dorthin zu bringen, wo es nach Weisung des Verwahrenden sein sollte. Vom Parkplatzunternehmer wurden Parkzettel mit Nummern ausgegeben, und es wurde beim Abholen der Wagen darauf geachtet, daß das Fahrzeug vom Berechtigten übernommen wird. Damit ist ein der Auffassung des Verkehrs entsprechendes örtliches Naheverhältnis mit der äußeren Erscheinung einer Rechtslage, welche die Erlangung der Gewahrsame durch den Parkplatzunternehmer voraussetzt, entstanden (Schey-Klang in Klang 2 II 59 letzter Abs und FN 13; RZ 1961, 198).
Durch die Übernahme der Obsorge gegen Entrichtung der Parkplatzgebühr durch den Kraftfahrzeugabsteller und durch die Herstellung eines den Verhältnissen entsprechenden Naheverhältnisses (Gewahrsame des Parkplatzunternehmers) ist also ein Verwahrungsvertrag mit den daraus resultierenden Pflichten des Parkplatzunternehmens als Verwahrer zustande gekommen (§§ 958, 964 ABGB). Die zur Anwendung gelangenden Grundsätze des Verwahrungsvertrages haben aber zur Folge, daß der Unternehmer die ihm anvertraute Sache nach § 961 ABGB sorgfältig zu verwahren hat und gemäß § 964 ABGB für den aus der Unterlassung der pflichtgemäßen Obsorge entstandenen Schaden haftet. Nach § 961 ABGB ist er insb verbunden, die verwahrte Sache in dem Zustand, in dem er sie übernommen hat, somit in unverändertem und unversehrtem Zustand, zurückzustellen (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 645; Krasnopolski, Österr Privatrecht, Obligationenrecht 335; Ehrenzweig 2 II/1, 378).
Es hat also der Beklagte als Verwahrer nach § 1298 ABGB (vgl SZ 10/87; RZ 1954, 14) den Nachweis zu erbringen, daß er an der Erfüllung seiner Obsorgepflicht ohne sein Verschulden verhindert wurde. Es oblag also nicht dem Kläger nachzuweisen, daß der Beklagte seine Obsorgepflicht schuldhaft verletzt habe und dadurch ihm der Schaden verursacht worden sei.
Dafür, daß den Beklagten als Verwahrer an der Beschädigung des rückgestellten PKW des Klägers kein Verschulden treffe, hat der Beklagte weder hinreichende Behauptungen aufgestellt, noch den Nachweis dafür erbracht. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, den Eintritt des Schadens zu bestreiten. Nach § 964 ABGB haftet der Verwahrer aber für jedes Verschulden (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 647 letzter Abs).
Was den Ausschluß der Haftung seitens des Beklagten durch die auf einer Tafel angebrachten Worte "Parkstandgebühr ohne Haftung" anlangt, so ist eine einseitige, allgemeine Ablehnung der Haftung, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 648) ausgesprochen hat (RZ 1937, 522), wirkungslos. Der Beklagte ist daher verbunden, dem Kläger den ihm entstandenen Schaden von 1200 S zu ersetzen.
B. Zum Rekurs des Beklagten:
Wohl hat das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluß im Sinn des § 519 Z 3 ZPO ausgesprochen, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft seines Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. Das Gericht zweiter Instanz hat aber in seinem Aufhebungsbeschluß über einen Beschwerdegegenstand entschieden, der 1000 S nicht übersteigt. Nach § 528 ZPO sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über einen Beschwerdegegenstand, der oder dessen Wert 1000 S nicht übersteigt, unzulässig. Die zuletzt angeführte Gesetzesstelle erstreckt sich auf alle Beschlüsse der Gerichte zweiter Instanz also nicht bloß auf jene der Rekursgerichte, sondern auch auf die der Berufungsgerichte, gleichgültig, ob sie die erstgerichtliche Entscheidung bestätigen, abändern oder aufheben. An der Geltung und Anwendung der Anordnung des § 528 ZPO kann auch die Aufnahme eines Rechtskraftvorbehalts im Sinn des § 519 Z 3 ZPO nichts ändern (SZ 23/94; 2 Ob 13/70; 2 Ob 24/70 ua). Der Rekurs war somit als unzulässig zurückzuweisen.
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