Normen
Genossenschaftsgesetz §5 Z4
Genossenschaftsgesetz §27
JN §1
Genossenschaftsgesetz §5 Z4
Genossenschaftsgesetz §27
JN §1
Spruch:
Vor der Ausschöpfung des im Statut vorgesehenen Instanzenzuges ist die Überprüfung des Ausschlusses eines Genossenschaftsmitglieds durch das Gericht in der Regel nicht möglich.
Entscheidung vom 30. Oktober 1969, 1 Ob 176/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Die Klägerin ist grundbücherliche Eigentümerin des Hauses Salzburg, S.-Gasse 53 Katastralgemeinde S., EZ. 537. Mit Vorvertrag (Anwartschaftsvertrag für Eigentumswohnung) vom 1. Dezember 1962 hat sie der Beklagten als Mitglied ihrer Genossenschaft und Wohnungsanwärterin die Anwartschaft auf die Wohnung Nr. 18 im vierten Obergeschoß des Hauses eingeräumt und sich verpflichtet, seinerzeit einen Vertrag zur Benützung und späteren Erwerbung der Wohnung ins Wohnungseigentum abzuschließen.
Im Punkt VI. des Vorvertrages ist vereinbart, daß durch das Ausscheiden der Beklagten aus der Genossenschaft, gleichgültig aus welchem Anlaß, der Vertrag automatisch erlischt. Nach Baufertigung hat die Beklagte die Wohnung, bestehend aus Kochnische, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Balkon, Vorzimmer und Bad mit WC bezogen und sich polizeilich angemeldet.
Die Klägerin behauptet, daß die Beklagte gemäß § 10 der Satzungen wegen Nichterfüllung von Verpflichtungen und Verstoßes gegen die Satzungen und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz mit in gemeinsamer Sitzung des Vorstandes und Aufsichtsrates vom 13. November 1967 gefaßten einstimmigen Beschluß aus der Genossenschaft ausgeschlossen worden sei. Die Beklagte sei mit eingeschriebenem Brief vom 27. November 1967 von diesem Ausschluß verständigt und ihr dieser Brief laut Rückschein am 30. November 1967 zugestellt worden. Vom Recht, gegen den Ausschließungsbeschluß innerhalb eines Monates nach Empfang der schriftlichen Mitteilung an die Generalversammlung Berufung zu erheben, habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht, so daß der Ausschließungsbeschluß rechtskräftig und die Mitgliedschaft der Beklagten bei der Genossenschaft mit 30. November 1967 erloschen sei. Gemäß § 10 (4) der Satzung seien mit dem Tage der Beendigung der Mitgliedschaft auch die Rechte der Ausgeschlossenen an einer Genossenschaftswohnung erloschen und die Beklagte verpflichtet, die Wohnung zu räumen.
Die Klägerin beantragte, die Beklagte zur Räumung dieser Wohnung zu verurteilen.
Die Beklagte stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß ihr Ausschluß aus der Genossenschaft vom 13. November 1967 rechtswidrig sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es wies den Zwischenantrag auf Feststellung zurück. Seine Entscheidung beruht auf folgenden Feststellungen:
Die Beklagte hat im Jahr 1967 die gegenständliche Wohnung ohne Zustimmung der Klägerin untervermietet, wobei die Untermieter den Hausfrieden derart gestört haben, daß sogar die Polizei einschreiten mußte. In der gemeinsamen Vorstand- und Aufsichtsratsitzung vom 13. November 1967 wurde von der Klägerin unter Bezugnahme auf § 10 (1) lit. b der Satzung der Genossenschaft einstimmig der Ausschluß der Beklagten aus der Genossenschaft beschlossen. Die Beklagte wurde davon mit Schreiben vom 27. November 1967 verständigt und erhielt dieses Schreiben am 30. November 1967. Sie erhob gegen diesen Ausschließungsbeschluß keine Berufung an die Generalversammlung.
In rechtlicher Beziehung vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß der Ausschließungsbeschluß mangels Erhebung einer Berufung an die Generalversammlung der Genossenschaft rechtskräftig und durch das Ausscheiden der Beklagten aus der Genossenschaft der Vorvertrag gemäß Punkt VI. automatisch erloschen sei, daher seien auch gemäß § 10 (4) der Satzungen mit 13. November 1967 die Mitgliedschaft und damit auch die Rechte der Beklagten an der Genossenschaftswohnung erloschen, weshalb sie dieselbe nunmehr ohne Rechtstitel bewohne. Die Beklagte habe sich durch Unterlassung der Erhebung der Berufung gegen den Ausschließungsbeschluß an die Generalversammlung die Möglichkeit genommen, diesen bei Gericht anzufechten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, daß der Zwischenantrag auf Feststellung nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen wurde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte meint, daß eine Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Ausschließung eines Genossenschafters vom Gericht sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht nicht von der Erhebung einer Berufung an die Generalversammlung abhängig gemacht werden könne, dies sei auch in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. April 1961, 6 Ob 69/61, zum Ausdruck gekommen
Der Beklagten ist wohl einzuräumen, daß nach ständiger Rechtssprechung das Genossenschaftsmitglied gegen eine willkürliche Entziehung seiner durch die Aufnahme erworbenen Rechte zu schützen ist und im Streitfall das Gericht darüber zu entscheiden hat, ob der Ausschluß eines Mitglieds unter Einhaltung der Verfahrensbestimmungen des Statuts und materiell richtig vor sich gegangen ist. In der Entscheidung 6 Ob 69/61 = SZ. XXXIV 55 wird aber nicht die Auffassung vertreten, daß das Gericht vor Erschöpfung des im Statut vorgesehenen Instanzenzugs angerufen werden kann, wenn das Genossenschaftsmitglied vermeint, sein Ausschluß sei zu Unrecht erfolgt. Die angeführte Entscheidung behandelt vielmehr den Fall, daß vom ausgeschlossenen Genossenschaftsmitglied Berufung erhoben wurde, über die nicht entschieden wurde. Der Oberste Gerichtshof sprach dem ausgeschlossenen Genossenschaftsmitglied das Recht zu, von der Genossenschaft die satzungsgemäße Entscheidung über seine Berufung gegen den Ausschluß zu verlangen. Im vorliegenden Fall hat die aus der Genossenschaft ausgeschlossene Beklagte die ihr nach § 10 (3) der Satzung offenstehende Berufung, über die die Generalversammlung zu entscheiden hat, nicht erhoben. Die Beklagte behauptet, sie sei auf Grund der Vorsprache ihres Gatten der Meinung gewesen, es müsse sich bei der Klägerin um ein Mißverständnis handeln. Das Erstgericht hat aber dieses Motiv der Beklagten für die Unterlassung der Berufung nicht festgestellt, eine Rüge wegen Feststellungsmangels in dieser Richtung ist unterblieben, es kann daher auch im Revisionsverfahren nicht mehr darauf eingegangen werden. Daß der Vorstandsbeschluß über den Ausschluß der Beklagten ohne Belehrung über die mit dem Ausschluß verbundenen Folgen und über die der Ausgeschlossenen zustehende Möglichkeit, innerhalb eines Monats die Berufung zu erheben, zugestellt wurde, ist belanglos. Der Ausschließungsbeschluß nahm ausdrücklich Bezug auf § 10 (1) lit. b der Satzung. Im selben Paragraphen der Satzung, die der Beklagten bekannt sein muß, ist aber auch von der Berufung der Ausgeschlossenen (Absatz 3) und den Wirkungen des Ausschlusses (Absatz 4) die Rede. Davon abgesehen fehlt aber auch eine Behauptung der Beklagten in erster Instanz, welchen Einfluß das Unterbleiben der angeführten Benachrichtigungen der Beklagten seitens der Klägerin auf die Unterlassung der Berufung gehabt haben soll. Die Beklagte hat vor dem Erstgericht die Unterlassung der Berufung nur damit begrundet, daß ihr eine Berufung zwecklos erschien, weil die klagende Partei offensichtlich bestrebt sei, ihr durch den Ausschluß aus der Genossenschaft das Recht auf die Wohnung zu nehmen. Dieser Einwand wird aber in der Revision nicht mehr erhoben.
Die Frage, ob es dem ausgeschlossenen Genossenschaftsmitglied offensteht, ohne den statutarischen Instanzenzug ausgeschöpft zu haben, im Wege der Einrede die Überprüfung des Ausschlusses in formeller und materieller Hinsicht zu erwirken, ist, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen, im verneinenden Sinn zu beantworten. Dagegen spricht nämlich, daß grundsätzlich für jedes Mitglied die Satzung bindend ist (Klang[2] I/1 S. 203) und daß eine unnötige Anrufung der ordentlichen Gerichte vermieden werden, aber auch nicht voreilig in die genossenschaftliche Selbstverwaltung eingegriffen werden soll (vgl. Lang - Weidmüller, Genossenschaftsgesetz[28] S. 185, E. des Bundesgerichtshofes vom 22. September 1960 NJW. 1960 S. 2143). Die Beklagte ist also infolge Versäumung der im Statut vorgesehenen Berufung nicht mehr berechtigt, eine Überprüfung ihres Ausschlusses durch das ordentliche Gericht zu verlangen.
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