Spruch:
Die Ehefrau, die vor dem Unfall im Gewerbebetrieb ihres Gatten mitgearbeitet hat, ist berechtigt, im eigenen Namen den unfallsbedingten Aufwand für eine Hilfskraft geltend zu machen.
Entscheidung vom 26. Juni 1969, 2 Ob 157/69.
I. Instanz: Kreisgericht Steyr; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Klägerin wurde am 11. September 1967 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Der Beklagte als Lenker eines LKW hatte diesen Unfall verschuldet. Dabei wurde auch der Gatte der Klägerin verletzt. Beide machten Ersatzansprüche geltend. Während das Ersturteil in bezug auf den Gatten der Klägerin rechtskräftig geworden war, hat der Beklagte das Ersturteil hinsichtlich der Klägerin mit Berufung angefochten.
Das Erstgericht sprach der Klägerin den Betrag von 17.849.20 S zu und wies das Mehrbegehren von 8500 S ab.
Auf Berufung des Beklagten hob das Berufungsgericht das Ersturteil in Ansehung des Zuspruches eines Betrages von 7849.20 S s. A. auf und verwies die Rechtssache im Umfange dieser Aufhebung an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Urteilsfällung zurück, während das Ersturteil, soweit es der Klägerin einen Betrag von 10.000 S s. A. zusprach und ihr Begehren nach weiteren 8500 S abwies, teils, weil nicht bekämpft, teils, weil bestätigt, als Teilurteil bestehen blieb.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten gegen das Teilurteil nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit dem Betrag von 10.000 S wurde der Klägerin ein noch bestrittener restlicher Schmerzengeldbetrag von 4000 S (die Untergerichte erachteten einen Gesamtbetrag von 12.000 S für angemessen), ein Betrag von 1000 S für ein beim Unfall beschädigtes Kostüm und schließlich ein Betrag von 5000 S - als an den Sohn der Klägerin geleistetes Entgelt für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit im Betrieb - zugesprochen.
a) zum Schmerzengeld:
Der Beklagte erachtet ein solches von 8000 S für angemessen, während die Untergerichte aus diesem Titel der Klägerin 12.000 S zugesprochen haben. Die Klägerin hat durch den Unfall eine schwere Brustkorb- und eine Brustbeinprellung sowie einen offenen Bruch des Grundgelenkes des rechten Kleinfingers erlitten. Die nahezu völlig durchtrennte Strecksehne mußte in Lokalanästhesie genäht werden. Zur Behebung des Bruches wurde eine Unterarm- und eine Fingerschiene angelegt. Der Brustkorb mußte bandagiert werden. Die stationäre Krankenhausbehandlung dauerte zwanzig Tage. Weitere acht Wochen hindurch erfolgte dann die ambulante Behandlung der Brustkorbschmerzen durch Heißluft und Massage. Die Klägerin hatte durch vier bis sechs Tage starke, durch zwei Wochen mittlere und durch drei bis vier Wochen leichte und abklingende Schmerzen zu ertragen. Während die Körperprellungen Dauerfolgen nicht hinterließen, blieb eine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des rechten Kleinfingers bestehen.
Für die Bemessung des Schmerzengeldes sind die Dauer und Intensität der Schmerzen nach deren Gesamtbild, die Schwere der Verletzung sowie der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes maßgebend, wobei auch seelische Schmerzen zu berücksichtigen sind. Nach dem Sachverständigengutachten, dem die Vorinstanzen gefolgt sind, ist nämlich das Erlebnis eines schwerwiegenden Unfalles und einer schmerzhaften Verletzung imstande, auch einen gesunden Menschen zu beeinträchtigen und über längere Zeit zu irritieren. Wird schließlich die oben bezeichnete Dauerfolge berücksichtigt, dann ist ein Rechtsirrtum der Vorinstanzen in der Bemessung des Schmerzengeldes mit 12.000 S nicht zu erkennen.
b) Ersatz für das beim Unfall beschädigte Kostüm:
Hiezu haben die Untergerichte festgestellt, daß es sich um ein maßgeschneidertes Kostüm handelte, das ungefähr ein Jahr vor dem Unfall um den Betrag von 1560 S erworben und bis zum Unfall nur etwa zehn- bis fünfzehnmal getragen worden war. Durch den Unfall wurde ein Knopf mit einer großen Stoffbahn ausgerissen, die nicht mehr gestopft werden konnte. Das Kostüm ist somit für die Klägerin als solches nicht mehr verwendbar. Das Erstgericht ermittelte den Zeitwert des Kostüms nach § 273 ZPO. mit 1000 S, welchen Vorgang die Berufungsinstanz billigte.
Die Revision vermeint, ein ortsansässiger Schätzmeister wäre in der Lage gewesen, den Verkehrswert festzustellen und anzugeben, ob das Kostüm reparabel sei oder nicht.
Die zu diesem Punkte erhobene Rüge des Revisionswerbers ist nicht begrundet. Da die Beiziehung eines Sachverständigen mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden gewesen wäre, haben die Untergerichte mit Recht von der Bestimmung des § 273 ZPO. Gebrauch gemacht. Gegen die Festsetzung eines Ersatzbetrages von 1000 S bestehen keine Bedenken, selbst wenn man annimmt, daß die Schoß des Kostüms noch beschränkt verwertbar sei.
c) 5000 S für Ersatzarbeitskräfte:
Nach den Feststellungen der Untergerichte betreiben Franz L., der Gatte der Klägerin, und die Klägerin in St. eine Taschnerwerkstätte sowie eine Lederwarenhandlung als Familienbetrieb, in der vor dem Unfall sowohl beide Ehegatten als auch ihr Sohn Erich, der wie sein Vater Taschnermeister ist, und dessen Ehegattin ganztägig tätig waren. Die Klägerin besorgte vorwiegend die Buchhaltung, die Übernahme der einlangenden Ware, prüfte und verbuchte diese und kaufte gelegentlich auch Ware ein. Gewerbeinhaber ist Franz L. Durch den Unfall ist die Klägerin sechs bis acht Wochen verhindert gewesen, im Betrieb tätig zu sein. Während dieser Zeit leistete ihr Sohn Erich zusätzlich ihre Arbeit, wofür ihm die Klägerin 5000 S bezahlte.
Die Revision vertritt den Standpunkt, dieser Vermögensschade sei nicht im Vermögen der Klägerin, sondern in dem ihres Gatten eingetreten. Da nur der Gatte der Klägerin über Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb verfüge, könne auch die Zahlung der gegenständlichen 5000 S nur aus dem Vermögen des Gatten der Klägerin erfolgt sein. Es mangle der Klägerin an der aktiven Klagslegitimation, weil sie selbst in ihrem eigenen Vermögen mit diesen 5000 S nicht belastet sei, sondern lediglich ihr Gatte. Dieser könne aber den Anspruch deswegen nicht geltend machen, weil es sich dabei um einen mittelbaren Schaden handle.
Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten.
Die Untergerichte stellten fest, daß zwar der Gatte der Klägerin Gewerbeinhaber sei, die Klägerin aber in diesem Betrieb ganztägig mitgearbeitet habe. Da die Klägerin vor dem Unfall im Familienbetrieb mitarbeitete, dies aber wegen des Unfalles durch sechs bis acht Wochen nicht konnte, ist sie als geschädigt anzusehen. In der Entscheidung ZVR. 1963 Nr. 173 wurde ausgesprochen, daß der Sohn eines Landwirtes, der im Rahmen eines Familienbetriebes arbeitete, einen Verdienstentgang geltend machen könne, wenn ihm diese Mitarbeit wegen der Folgen eines Unfalles nicht mehr möglich war; es komme darauf, ob er für die Arbeit ein Entgelt bezog, nicht an. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß die Arbeitsleistungen einen bestimmten Wert hätten, über den er nach Belieben verfügen könne. Wenn er diesen Wert auch ohne Verpflichtung hiezu den Eltern zur Verfügung stellte, ihm dies aber wegen des Unfalles eine Zeitlang nicht möglich war, so könne nicht gesagt werden, daß ihm nichts entgangen sei. Er habe nämlich infolge der unfallsbedingten Arbeitsunfähigkeit über diesen Wert nicht verfügen können. Dieselben Überlegungen müssen auch bei der Mitarbeit der Ehegattin im Betrieb des anderen Ehegatten gelten (SZ. XXXIX 141). Wesentlich ist, daß sie vor dem Unfall tatsächlich mitarbeitete, wegen der Unfallsfolgen dies aber zeitweise nicht konnte. Es muß ihr wegen der vielfachen Wechselwirkung zwischen einer solchen Mitarbeit und dem eigenen Nutzen zugebilligt werden, diese Verhinderung an der Mitarbeit dadurch auszugleichen, daß sie eine Ersatzkraft bezahlt. Die Auslagen hiefür sind demnach ein als Verdienstentgang zu wertender Schade der verletzten Ehegattin selbst. Sie kann sohin den Ersatz nach § 1325 ABGB. verlangen.
Die Höhe des Entschädigungsbetrages erscheint für eine Zeit von sechs bis acht Wochen, während der der Sohn der Klägerin zusätzlich auch deren Arbeiten verrichtete, angemessen. Es ist also der Beurteilung der Vorinstanzen auch in diesem Punkte beizupflichten.
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