OGH 8Ob373/66

OGH8Ob373/6610.1.1967

SZ 40/1

Normen

Außerstreitgesetz §9 Abs4
Entmündigungsordnung §12 Abs3
Außerstreitgesetz §9 Abs4
Entmündigungsordnung §12 Abs3

 

Spruch:

Der Rekurs gegen die Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz gemäß § 12 (3) EntmO. ist beim Entmündigungsgericht anzubringen.

Entscheidung vom 10. Jänner 1967, 8 Ob 373/66.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Bezirksgericht Ybbs hat als Anhaltegericht am 22. Dezember 1965 die Anhaltung des Alfred L. in der Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien in Y. für zulässig erklärt, weil Alfred L. ein haltloser Psychopath mit Neigung zur Trunksucht sei. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat als Entmündigungsgericht am 13. Jänner 1966 gemäß § 12 (2) EntmO. die Verhandlung und Entscheidung dem Bezirksgericht Ybbs mit der Begründung übertragen, das Entmündigungsverfahren könne von diesem Gericht kostensparender durchgeführt werden. Das Bezirksgericht Ybbs lehnte die Übernahme des Verfahrens ab. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien stellte darauf an das Kreisgericht St. Pölten gemäß § 12 (3) EntmO. den Antrag, dem Bezirksgericht Ybbs die Durchführung des Verfahrens aufzutragen.

Das Kreisgericht Sankt Pölten entschied, daß die Ablehnung der Übernahme des Entmündigungsverfahrens durch das Bezirksgericht Ybbs gerechtfertigt sei, und begrundete diesen Beschluß damit, es könne zwar ein Aufenthalt in einer Heilanstalt einen ständigen Aufenthalt im Sinne des § 12 (2) EntmO. herstellen, doch sei die Entlassung des Alfred L. aus der Heil- und Pflegeanstalt in Y. bereits für Ende April 1966 vorgesehen, sodaß nicht gesagt werden könne, der Aufenthalt in der Heilanstalt werde so lange dauern, bis das Entmündigungsverfahren zumindest in erster Instanz abgeschlossen sei. Ein ständiger Aufenthalt in Y. als Voraussetzung für die Übertragung des Entmündigungsverfahrens an das Bezirksgericht Y. im Sinne des § 12 (2) EntmO. läge nicht vor.

Dieser Beschluß wurde dem Zustellkurator Dr. Sch. am 2. Mai 1966 zugestellt.

Ein von diesem gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Sankt Pölten an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien gerichteter, am 11. Mai 1966 zur Post gegebener und am 12. Mai 1966 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingelangter Rekurs, wurde dem Kreisgericht Sankt Pölten übermittelt, wo er am 24. Mai 1966 eingetroffen ist.

Das Kreisgericht Sankt Pölten legte den Rekurs dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor, der den Rekurs aber mit Beschluß vom 28. Juni 1966, 8 Ob 169/66, dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung abtrat, weil das Kreisgericht Sankt Pölten als erste Instanz entschieden habe und der Rechtsmittelzug gemäß § 4 JN. vom Gerichtshof erster Instanz an das Oberlandesgericht gehe.

Das Oberlandesgericht Wien hat den Rekurs mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsmittel sei beim Kreisgericht Sankt Pölten als erster Instanz erst nach Ablauf der 14tägigen Frist eingelangt und daher verspätet.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Zustellkurators Folge und änderte den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien dahin ab, daß dem Rekurs des Zustellkurators gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Sankt Pölten als erster Instanz nicht Folge gegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist zulässig, weil er nicht eine bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz, sondern einen die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung ablehnenden Zurückweisungsbeschluß derselben bekämpft (SZ. XXXIV 56 u. a.).

Dem Rekurswerber ist zuzugeben, daß sein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Sankt Pölten rechtzeitig erhoben worden ist, weil es innerhalb der 14tägigen Rekursfrist an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zur Post gegeben worden ist. Für die Rechtzeitigkeit des Rekurses war - unter Nichteinrechnung der Tage des Postlaufes - dessen Einlangen beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien und nicht beim Kreisgericht Sankt Pölten maßgebend. Es ist zwar ebenso wie im streitigen Verfahren auch im Außerstreitverfahren ein Rechtsmittel regelmäßig beim Gericht erster Instanz einzubringen (§ 9 (4) AußStrG.), doch handelt es sich im vorliegenden Fall - ähnlich wie bei dem Verfahren nach § 109 (2) JN., in welchem der Rekurs gegen die Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz beim Bezirksgericht einzubringen ist, bei welchem die Pflegschaft bzw. Vormundschaftssache anhängig ist (Fasching-komm. zu den ZP.-Gesetzen, I. Band, S. 529, Anm. 14, Neumann-komm. zu den ZP.-Gesetzen, I, Band, S. 275) - um ein beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien anhängiges (Entmündigungs-)Verfahren, in welchem dieses Gericht nach § 12 (3) EntmO. den zur Entscheidung zuständigen Gerichtshof angerufen hat, gegen dessen Beschluß der Rekurs zutreffend bei dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, dem Gericht des erstinstanzlichen Verfahrens, eingebracht worden ist. Da der bekämpfte Beschluß dem Kurator am 2. Mai 1966 zugestellt und von diesem der Rekurs am 11. Mai 1965 zur Post gegeben worden ist, war das Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben anzusehen. Die Zurückweisung des Rekurses durch die zweite Instanz war sohin nicht berechtigt.

Dies führt aber nicht zur Aufhebung der Entscheidung zweiter Instanz und Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht. Im Sinne seiner Rechtsprechung (SZ. XXXIV 56, SZ. XXIII 87, 390) kann der Oberste Gerichtshof selbst über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß entscheiden.

Der Beschluß der ersten Instanz, in dem die Ablehnung der Übernahme des Entmündigungsverfahrens durch das Bezirksgericht Ybbs gebilligt worden ist, ist begrundet. Wenn der Kurator dem entgegenhält, der im Anhaltungsbeschluß mit sechs Monaten befristete Aufenthalt in der Heilanstalt reiche für die Annahme eines ständigen Aufenthaltes im Sinne des § 12 EntmO. aus, wobei auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit der Anhaltung abzustellen sei, so ist demgegenüber darauf hinzuweisen, daß für die Zulässigkeit der Anhaltung des Alfred L. im gegenständlichen Fall eine kürzere Frist als die zulässige Jahresfrist des § 23 EntmO. festgesetzt worden ist, sodaß von einem ständigen Aufenthalt in der Anstalt schon auf Grund des Anhaltungsbeschlusses nicht die Rede sein kann. Es ist für die Zuständigkeit nach § 12 EntmO. im allgemeinen der ständige Aufenthaltsort des zu Entmundigenden vor der Aufnahme in die Anstalt maßgebend (ZBl. 1920 Nr. 121 S. 381). Es hat deshalb das Bezirksgericht Innere Stadt Wien das Entmündigungsverfahren durchzuführen. Nur wenn mit der Entlassung des Angehaltenen in absehbarer Zeit nicht hätte gerechnet werden können, würde die Anhaltung in der Anstalt einen ständigen Aufenthalt und damit die Zuständigkeit nach § 12 (1) EntmO. begrunden (SZ. XXX 24). Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil nach den Feststellungen der erstgerichtlichen Entscheidung Ende April 1966 mit der Entlassung zu rechnen war.

Da sohin dem rechtzeitig erhobenen Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß keine Berechtigung zukam, war dem Rekurs gegen die Entscheidung der zweiten Instanz zwar Folge zu geben, diese Entscheidung aber dahin abzuändern, daß dem Rekurs gegen den Beschluß der ersten Instanz keine Folge gegeben wird.

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