Spruch:
Entspricht der im Sinne des § 65 AußStrG. errichtete Aufsatz nach seiner äußeren Form und nach den Aussagen eines Teiles der Testamentszeugen über die bei der Errichtung des Testamentes eingehaltenen Vorgänge den Formvorschriften eines mündlichen Testamentes, so sind die darauf gestützten Erbserklärungen anzunehmen
Entscheidung vom 13. Oktober 1966, 5 Ob 213/66
I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck
Text
Nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme hinterließ der am 28. Juni 1964 verstorbene Franz K. an gesetzlichen Erben seine Witwe Brigitte K. sowie drei großjährige Kinder, und zwar die Töchter Hermine N. geb. K. und Paula K. sowie den im Jahre 1924 geborenen kriegsvermißten Sohn Herbert K. Zum Nachlaß des Verstorbenen gehören zwei Liegenschaften und verschiedene Fahrnisse. In einer maschingeschriebenen, jedoch vom Erblasser eigenhändig und von drei Zeugen unterschriebenen letztwilligen Erklärung vom 24. Juni 1964 setzte der Erblasser seine Gattin Brigitte und seine Tochter Paula zu gleichen Teilen zu Erben ein und vermachte seiner Tochter Hermine N. sowie seinen Enkelkindern Franziska K. und Brigitte N. bestimmte Legate. Dieses Testament wurde vom Erstgericht ordnungsgemäß kundgemacht. Mit Eingabe vom 27. Juli 1965, ON. 25, gaben Brigitte und Paula K. ihre unbedingten Erbserklärungen auf Grund dieses Testamentes ab und beantragten, ihnen die Verwaltung des Nachlasses zu übertragen sowie der erblasserischen Tochter Hermine N. für den Fall, daß sie das Testament anfechten wolle, dazu eine Frist zu setzen. Hermine N. erklärte sich auch tatsächlich unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Todeserklärung ihres Bruders Herbert K. und das ihrer Meinung nach ungültige Testament des Vaters bedingt und auf Grund des Gesetzes zu 3/8 Anteilen des Nachlasses zur Erbin. Bei der Verlassenschaftsabhandlung vom 13. September 1965 behaupteten Brigitte und Paula K., die Rechtswirksamkeit des Testamentes ihres Vaters als mündliches Testament in Anspruch zu nehmen, sofern es als schriftliches Testament formell ungültig sein sollte. Überdies gaben sie auch unbedingte Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes ab, und zwar erklärten sich Brigitte K. zu einem Viertel und Paula K. zu drei Achteln des Nachlasses zu Erben. In der Folge vernahm das Erstgericht unter Eid die drei Testamentszeugen über die Vorgänge der Testamentserrichtung sowie über den Inhalt des mündlichen Testamentes des Erblassers.
Mit Beschluß vom 28. Jänner 1966, ON. 39, nahm das Erstgericht in Punkt 1 die von Brigitte K. zu einem Viertel des Nachlasses und von Paula K. sowie von Hermine N. zu je drei Achteln des Nachlasses auf Grund des Gesetzes abgegebenen unbedingten bzw. bedingten Erbserklärungen zu Gericht an und sprach aus, daß das Erbrecht der genannten Erben als ausgewiesen erachtet werde. In Punkt 2 dieses Beschlusses wurde das der Abhandlung zugrunde liegende Inventar angeführt. Im Punkt 3 wurde der Nachlaß ohne Erklärung, in welcher Weise dies geschehe, eingeantwortet und die Abhandlung für beendet erklärt. Mit Punkt 4 des Beschlusses wies das Erstgericht die Anträge der erblasserischen Witwe sowie der Paula K., ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zur Anfechtung des Testamentes zu setzen, ab. In der Begründung seines Beschlusses stellte das Erstgericht fest, daß der erblasserische Sohn Herbert K. ledig gewesen und rechtswirksam mit Beschluß des LG. I. vom 3. August 1965 mit Wirkung vom 20. April 1945 für tot erklärt worden sei. Auf Grund der Aussagen der vernommenen Testamentszeugen nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß sich der Erblasser während seines Aufenthaltes in der Innsbrucker Klinik mit dem Wunsch, ein Testament zu errichten, an seinen Steuerberater gewendet habe. Als dessen Vertreter sei Adolf M. beim Erblasser erschienen und habe seinen Wunsch zur Kenntnis genommen sowie sich darüber Notizen gemacht. Auf Grund dieser Notizen und nach Einholung einer rechtsfreundlichen Auskunft habe M. das Testament niedergeschrieben und sich mit dem Aufsatz wieder zum Erblasser begeben. Dort seien Adolf M. und zwei andere Personen als Testamentszeugen der Testamentserrichtung beigezogen worden. Der Aufsatz sei vor dem Erblasser in Gegenwart der genannten Zeugen vorgelesen und unterfertigt worden. Bei dem vorgelesenen Aufsatz handle es sich um das Testament vom 24. Juni 1964. Dieses sei kein außergerichtliches schriftliches Testament, weil es nicht in Gegenwart des Erblassers, und der drei Zeugen errichtet, sondern bereits fertig in das Krankenzimmer des Erblassers gebracht worden sei. Es liege aber auch kein außergerichtliches mündliches Testament vor, weil der Erblasser seinen letzten Willen nicht vor den Zeugen erklärt habe.
Das Testament sei jedenfalls formell ungültig und daher nicht rechtswirksam. Daraus folge, daß die Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes anzunehmen gewesen seien und daß kein Grund bestehe, der Hermine N. zur Bekämpfung des Testamentes eine Frist zu setzen sowie ein Verfahren nach §§ 125 ff. AußStrG. einzuleiten. Der Antrag der erblasserischen Witwe sowie der Paula K., ihnen die Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, sei abzuweisen, weil bereits ein Nachlaßkurator bestellt sei und ihrem Antrag erst nach Enthebung des Kurators und nur mit Zustimmung der weiteren erblasserischen Tochter entsprochen werden könnte.
Gleichzeitig erließ das Erstgericht unter ON. 40 die Einantwortungsurkunde, womit der Nachlaß zu einem Viertel der erblasserischen Witwe und zu je drei Achteln den erblasserischen Töchtern Paula K. und Hermine N. eingeantwortet wurde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erblasserischen Witwe und der erblasserischen Tochter Paula K. Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes, ON. 39, in seinen Punkten 1 und 4 dahin ab, daß unter Ziffer 1 lit. a die von den genannten Rekurswerberinnen auf Grund des Testamentes abgegebenen unbedingten Erbserklärungen als Universalerben zum gesamten Nachlaß sowie unter Ziffer 1 lit. b die von Hermine N. auf Grund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbserklärung zu drei Achteln des Nachlasses angenommen wurden. In Ziffer 1 lit. c wurde Hermine N. mit ihren Erbansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen und ihr aufgetragen, gegen Brigitte und Paula K. binnen zwei Monaten die Klage einzubringen, widrigens die Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung ihrer Erbansprüche fortgesetzt werde. Mit Ziffer 1 lit. d wurde die Abweisung des Antrages der Brigitte und der Paula K., ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, wiederholt. Die Punkte 2 und 3 des erstrichterlichen Beschlusses wurden aufgehoben. Der Rekurs der Hermine N. wurde auf diese Entscheidung verwiesen (Ziffer 3 des Beschlusses des Rekursgerichtes).
Das Rekursgericht billigte die Auffassung des Erstrichters, daß ein formell gültiges schriftliches Testament nicht vorliege. Dies schon deshalb, weil die Testamentszeugen ihre Unterschrift nicht mit dem nach dem Gesetz erforderlichen, auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz beigesetzt haben. Im übrigen war das Rekursgericht jedoch der Meinung, daß ein formell gültiges mündliches Testament des Erblassers vorliege, dessen Inhalt sich aus dem von Adolf M. nach den Anweisungen des Erblassers verfaßten Aufsatz ergebe. Es sei festgestellt, daß M. den Aufsatz in Gegenwart des Verstorbenen und der beiden weiteren Zeugen zum Zwecke der Testamentserrichtung vorgelesen habe und daß der Erblasser sowie die Zeugen sodann den Aufsatz unterschrieben haben. Es sei allerdings nicht festgestellt, daß der Erblasser mündlich erklärt habe, der vorgelesene Aufsatz enthalte seinen letzten Willen. Dies sei aber nicht notwendig, es genüge, daß der Erblasser, dem bekannt gewesen sei, daß es sich bei dem Aufsatz um seine letzte Willenserklärung gehandelt habe, das Schriftstück unterschrieben und damit seinen letzten Willen deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Der Außerstreitrichter habe nur die Frage des formell gültigen Zustandekommens eines Testamentes zu beantworten. Diese Frage sei zu bejahen und es hätte dazu nicht der beeideten Vernehmung der Zeugen bedurft, zumal diese von keiner Partei beantragt worden sei. Die auf Grund des Testamentes abgegebenen Erbserklärungen müßten deshalb angenommen werden. Ebenso sei die Erbserklärung der Hermine N. auf Grund des Gesetzes anzunehmen; da somit einander widersprechende Erbserklärungen vorlägen, sei nach § 125 AußStrG. vorzugehen. Die Erbserklärungen auf Grund des Testamentes stellen den stärkeren Titel dar, weshalb Hermine N. auf den Rechtsweg zu verweisen sei. Ihr Rekurs müsse auf diese Entscheidung verwiesen werden.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes in Ziffer 1 lit. a und c sowie in Ziffer 2 und 3 richtete sich der Revisionsrekurs der Hermine N., die beantragte, bei Wiederherstellung des Punktes 2 des erstrichterlichen Beschlusses auf ihren Rekurs dagegen Bedacht zu nehmen. Ziffer 1 lit. b und d des Beschlusses des Rekursgerichtes blieben unangefochten.
Der Oberste Gerichtshof gab diesem Revisionsrekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Entscheidend ist, ob ein den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechendes Testament vorliegt und daher die darauf gestützten Erbserklärungen angenommen werden konnten. Nur mit dieser Frage hat sich der Außerstreitrichter zu beschäftigen, er hat sich jedoch nicht in eine Würdigung der Aussage der Zeugen über den Inhalt und die Gültigkeit des behaupteten Testamentes einzulassen (Weiß in Klang[2] III 327, RiZ. 1937 S. 333). Die Vernehmung der Zeugen und Auskunftspersonen hat sich deshalb auch zunächst nur darauf zu erstrecken, ob die erforderliche Form bei der Testamentserrichtung eingehalten wurde. Es kann nun nicht von vornherein gesagt werden, daß der als Testament des Erblassers kundgemachte Aufsatz vom 24. Juni 1964 nach seiner äußeren Form und nach den Aussagen eines Teiles der Testamentszeugen über die bei der Errichtung des Testamentes eingehaltenen Vorgänge einem schriftlich bezeugten mündlichen Testament nicht entspräche. Zumindest liegen hinsichtlich dieser Vorgänge einander widersprechende Zeugenaussagen vor, sodaß der Sachverhalt mit den im Außerstreitverfahren verfügbaren Mitteln nicht endgültig geklärt werden kann. In einem solchen Fall spricht der Grundsatz des favor testamenti aber dafür, zunächst und bis zum Beweis des Gegenteils die Einhaltung der Formvorschriften anzunehmen.
Das Rekursgericht hat deshalb ohne Rechtsirrtum das kundgemachte Testament zunächst als Grundlage der Erbserklärung der erblasserischen Witwe sowie der Paula K. angenommen. Damit ist aber weder über die Formgültigkeit des schriftlich bezeugten mündlichen Testamentes noch über seinen Inhalt endgültig abgesprochen. Vielmehr wird es Sache des Prozeßgerichtes sein, auf Grund seiner Beweiswürdigung Feststellungen über das Zustandekommen der Niederschrift und über die Vorgänge bei deren Verlesung und Unterfertigung zu treffen, wobei es auch zum Ergebnis kommen könnte, daß mangels Einhaltung der für ein mündliches Testament erforderlichen Formvorschriften im vorliegenden Fall die letzte Willenserklärung des Erblassers gemäß § 601 ABGB. ungültig sei.
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