Normen
ABGB §1425
Geschäftsordnung für die Gerichte §307 (2)
ABGB §1425
Geschäftsordnung für die Gerichte §307 (2)
Spruch:
Der Erlag einer vom Erben und Legatar in Anspruch genommenen Sache beim Verlassenschaftsgericht ist nach § 1425 ABGB. zu beurteilen
Entscheidung vom 5. Juli 1966, 8 Ob 194/66
I. Instanz: Bezirksgericht Mattersburg; II. Instanz: Landesgericht Eisenstadt
Text
Dipl.-Ing. Herbert P. ist am 10. Oktober 1962 gestorben. Er hat seinem Sohn Konrad P. zum Alleinerben eingesetzt und seine Witwe Maria P. mit verschiedenen Vermächtnissen, u. a. mit den Aktien der Ö. Z. AG., bedacht.
Am 18. Februar 1964 erlegte die Ö. Z. AG. zugunsten der potentiellen Gläubiger 1. Verlassenschaft nach Dipl.-Ing. Herbert P. und 2. Maria P. bei der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien ein Geldeinlagebuch des Bankhauses Sch. & Co. über 186.001.20 S. Als Erlagsgrund führte die Erlegerin an, daß sowohl die Verlassenschaft, vertreten durch den Alleinerben Konrad P., als auch die erblasserische Witwe und Legatarin Maria P. auf den erlegten Betrag Anspruch erheben. Sie sei nicht in der Lage zu entscheiden, welche der anspruchserhebenden Personen tatsächlich anspruchsberechtigt sei, daher erlege sie das erwähnte Einlagebuch.
Die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien benachrichtigte von diesem Erlag das Erstgericht. Dieses nahm den Bericht der Verwahrungsabteilung zur Kenntnis und wies die Verwahrungsabteilung an, den Erlagsgegenstand als neue Masse in Verwahrung zu nehmen (Beschluß vom 21. Februar 1964). Diesen Beschluß stellte es der Erlegerin und beiden Erlagsgegnern zu.
Am 23. März 1966 stellte der Alleinerbe den Antrag, seinen Machthaber zur Behebung des Einlagebuches zu ermächtigen und die Verwahrungsabteilung anzuweisen, den Erlagsgegenstand an den Erbenmachthaber auszufolgen.
Das Erstgericht erließ am 29. April 1966 die Einantwortungsurkunde. Mit Beschluß vom gleichen Tage ordnete es die Ausfolgung des erlegten Einlagebuches an den Erbenmachthaber an und fügte bei, daß die Rechtskraft des Beschlusses nicht abzuwarten sei. Am 5. Mai 1966 wurde der Beschluß von der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien vollzogen.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Ausfolgungsbeschluß dahin ab, daß es den Antrag des Alleinerben Konrad P. auf Ausfolgung des Erlagsgegenstandes abwies.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Alleinerben Konrad P. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Erlagsgesuch der Ö. Z. AG., das ein bestimmtes Erlagsgericht nicht ausdrücklich bezeichnet, sondern an die Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Wien gerichtet ist, läßt eindeutig erkennen, daß die Erlegerin das Einlagebuch über 186.001.20 S gemäß § 1425 ABGB. zugunsten der Verlassenschaft nach Dipl.-Ing. Herbert P. und der Legatarin Maria P. erlegt. Sie führt auch, wie bereits eingangs dargestellt, einen Erlagsgrund an. Das Erlagsgericht hat die Frage der Rechtsmäßigkeit des Erlages nicht zu prüfen. Das Erstgericht hat daher richtig den Erlag entgegengenommen und auch die Erlagsgegner, d. i. die Verlassenschaft und die Legatarin, von dem gerichtlichen Erlag verständigt. Daß das Erstgericht in seinem gemäß § 307 (2) Geo. gefaßten Beschluß, der Sachlage nicht entsprechend, anführt, daß nach dem Bericht der Verwahrungsabteilung die Ö. Z. AG. das Einlagebuch über den genannten Betrag für die Verlassenschaft nach Dipl.-Ing. Herbert P. erlegt habe, obwohl sich aus dem dem Gericht übermittelten Erlagsgesuch eindeutig ergibt, daß Erlagsgegnerin auch die Legatarin Maria P. ist, ändert nichts daran, daß es sich um einen zu Gericht angenommenen Erlag nach § 1425 ABGB. handelt. Ein gemäß § 1425 ABGB. erlegtes Einlagebuch darf nur ausgefolgt werden, wenn der Erleger und die Personen, zu deren Gunsten erlegt wurde, zustimmen oder wenn die Bedingungen, die beim Erlag für die Ausfolgung gesetzt wurden, erfüllt sind. Bei einer Mehrheit von Begünstigungen müssen daher alle Begünstigten zustimmen oder es muß gegen diejenigen, die ihre Zustimmung versagen, ein Urteil erwirkt werden (7 Ob 33/65 u. a.). Da weder ein gerichtliches Urteil vorgelegen war noch die Legatarin zur Ausfolgung des Einlagebuches ihre Zustimmung gegeben hatte, durfte das Erstgericht die Ausfolgung des Einlagebuches nicht anordnen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluß des Erstgerichtes vom 21. Februar 1964 einer materiellen Rechtskraft überhaupt fähig ist, was das Rekursgericht unter Hinweis auf Fasching (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, III. Band S. 699) verneinen zu können findet. Daß das Einlagebuch bereits behoben wurde, ändert nichts daran, daß der Oberste Gerichtshof die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach dem Zeitpunkte der Fällung des Beschlusses erster Instanz zu beurteilen hat. Es ist daher unentscheidend, daß das Einlagebuch nach diesem Zeitpunkte dem Erben ausgefolgt worden ist. Es wurde bereits erwähnt, daß der Verlassenschaftsrichter, was den gerichtlichen Erlag betrifft, als Erlagsgericht die Bestimmung über die gerichtlichen Erläge zu beachten hatte. In dieser Hinsicht war er aber nicht befugt, darüber zu entscheiden, ob dem Erben oder der Legatarin ein Anspruch auf den Erlagsgegenstand zusteht. Er hat daher nicht im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung, wie der Rechtsmittelwerber irrig meint, die Frage klären können.
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