Spruch:
Verlängerung des Bühnendienstvertrages nach § 32 SchauspielerG. und § 32 (2) des Kollektivvertrages zwischen dem Theaterhalterverband österreichischer Bundesländer und Städte und der Gewerkschaft Kunst und freie Berufe, Sektion Bühnenangehörige.
Entscheidung vom 27. Oktober 1964, 4 Ob 89/64. I. Instanz:
Arbeitsgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Die Kläger wurden auf Grund von Bühnendienstverträgen als Mitglieder des Landestheaters L. engagiert und zwar die Klägerin Irmhild K. mit Bühnendienstvertrag vom 14. Februar 1962, der Kläger Franz Michael W. mit Vertrag vom 3. Jänner 1961, der Kläger Otto J., alias Andrei J. mit Vertrag vom 10. Jänner 1962 und die Klägerin Isolde St. mit Vertrag vom 3. Jänner 1962. Alle diese Bühnendienstverträge wurden für die Zeit vom 16. August 1962 bis 15. August 1963 geschlossen, doch waren Franz Michael W. bereits seit der Spielzeit 1952/1953, Otto J. seit der Spielzeit 1955/1956 und Isolde St. seit der Spielzeit 1953/1954 jeweils auf Grund eines Jahresdienstvertrages beim Landestheater L. engagiert, welche Jahresverträge sich im Sinne des § 32 (2) des auf die Dienstverhältnisse anzuwendenden Kollektivvertrages vom 1. März 1952 (in der Fassung vom 21. Juni 1955), abgeschlossen zwischen dem Theatererhalterverband österreichischer Bundesländer und Städte und der Gewerkschaft Kunst und Freie Berufe, Sektion Bühnenangehörige, jeweils um ein Jahr verlängerten.
Mit den Schreiben vom 7. Jänner bzw. 25. Jänner 1963, den Klägern zugegangen am 10. bzw. 30. Jänner 1963, wurde diesen durch den Intendanten des Landestheaters L. ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, daß ihr Dienstverhältnis gemäß § 32 des Kollektivvertrages nicht verlängert werde und daher mit 15. August 1963 ende. Der Betriebsrat wurde vor Absendung dieser Schreiben von der Absicht der Nichtverlängerung nicht verständigt.
Die Kläger brachten daraufhin am 21. Februar 1963 bei dem im § 5 des Kollektivvertrages vorgesehenen Schiedsgericht eine Klage auf Feststellung ein, daß ihre Bühnendienstverträge ungelöst bis zum Ende der Spielzeit 1963/1964, das ist bis zum 15. August 1964, zu Recht bestehen. Das Schiedsgericht hat mit seinem Spruch vom 29. März 1963 diesem Begehren entsprochen und die Berufung an das im Kollektivvertrag vorgesehene Oberschiedsgericht zugelassen. Dieses hat mit Schiedsspruch vom 27. September 1963 der Berufung der beklagten Partei Folge gegeben und das Begehren der Kläger abgewiesen.
Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger, diesen Schiedsspruch des Oberschiedsgerichtes für nichtig zu erklären und festzustellen, daß die Bühnendienstverträge der Kläger zur beklagten Partei ungelöst bis zum Ende der Spielzeit 1965, das ist bis 15. August 1965 zu Recht bestehen.
Sie vertreten die Auffassung, daß der angefochtene Schiedsspruch gemäß § 595 Z. 6 ZPO. unwirksam sei, weil er gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoße. Die Mitteilung der Nichtverlängerung der Dienstverträge sei rechtlich als Kündigung zu werten, weshalb gemäß § 25 BetriebsräteG. bei sonstiger Unwirksamkeit der Kündigung der Betriebsrat hievon zu verständigen gewesen wäre. Dies sei nicht geschehen, weshalb die Dienstverhältnisse noch aufrecht seien. In der mündlichen Streitverhandlung vom 2. März 1964 haben die Kläger vorgebracht, daß ihnen vom Land Oberösterreich bis zum 31. Jänner 1964 keine Mitteilung über die Nichtverlängerung der Bühnendienstverträge zugegangen sei, so daß ihre Bühnendienstverhältnisse bis 15. August 1965 unaufgelöst zu Recht bestehen. Das Feststellungsbegehren wurde daher dementsprechend abgeändert.
Das Erstgericht hat das Begehren der Kläger abgewiesen.
Nach seiner Meinung liege ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis vor. Die Erklärung des Dienstgebers, diese Dienstverhältnisse nicht zu verlängern, stelle rechtlich keine Kündigung dar, weshalb § 25 BetriebsräteG. hier nicht eingreife und der Spruch des Oberschiedsgerichtes daher auch nicht gegen zwingendes Recht verstoße.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, sondern bestätigte das Ersturteil, allerdings mit der Maßgabe, daß das Teilbegehren, es werde festgestellt, daß die Bühnendienstverträge zwischen den Streitteilen für die Zeit vom 16. August 1964 bis zum 15. August 1965 ungelöst zu Recht bestehen, nicht abgewiesen, sondern wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen wird. Auch das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß im vorliegenden Fall ein Dienstverhältnis für bestimmte Dauer vorliege, das keiner Kündigung bedürfe, um es in einem bestimmten Zeitpunkt zur Lösung zu bringen. Zu einer Fortsetzung des Dienstvertrages für ein weiteres Spieljahr komme es nach § 32 (2) des Kollektivvertrages nur dann, wenn der Theaterunternehmer nicht spätestens am 31. Jänner erkläre, daß er die Verlängerung des Dienstvertrages ablehne und das Mitglied nicht bis zum 15. Februar erkläre, daß es mit der Verlängerung des Bühnendienstvertrages nicht einverstanden sei.
Nur durch den übereinstimmenden Willen der Vertragspartner komme es zum Abschluß eines neuerlichen, wiederum befristeten Dienstvertrages. Bei der Erklärung des Theaterunternehmers, den Bühnendienstvertrag nicht zu verlängern, handle es sich daher um keine Kündigung, weshalb der in § 25 Betriebsrätegesetz vorgesehene Kündigungsschutz nicht zur Anwendung komme.
Der Berufung der Kläger sei daher keine Folge zu geben, doch sei von Amts wegen darauf Bedacht zu nehmen, daß über die Frage, ob der Bühnendienstvertrag der Kläger bis zum 31. August 1965 verlängert sei, kein Schiedsspruch und keine Anfechtung eines Schiedsspruches vorliege, weshalb das ergänzte Begehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges abzuweisen sei, weil diesbezüglich das zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsgericht zu entscheiden habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 25 BetriebsräteG. hat der Betriebsinhaber in Betrieben, in denen Betriebsräte (Vertrauensmänner) bestellt sind, vor jeder Kündigung eines Dienstnehmers bei sonstiger Unwirksamkeit der Kündigung den Betriebsrat zu verständigen. Streitentscheidend ist daher, ob in den Mitteilungen der beklagten Partei an die Kläger vom 7. Jänner bzw. 25. Jänner 1963 eine Kündigung der Bühnendienstverhältnisse zu erblicken ist. Hiebei ist, wie die Kläger richtig ausführen, keineswegs an dem Wortlaut der Erklärung oder des Kollektivvertrages zu haften. Den Klägern ist auch zuzustimmen, wie sie schon ausführlich in der Berufungsschrift dargelegt haben, daß Wesensmerkmal einer Kündigung ist, durch eine einseitige Willenserklärung ein unbefristetes Dauerverhältnis zu beenden.
Die Kläger sind nun der Meinung, daß ihre Dienstverträge zwar für eine bestimmte Zeit abgeschlossen worden sind, daß sie aber kraft der normativen Bestimmung des § 32 (2) des Kollektivvertrages als Dienstverträge für unbestimmte Zeit anzusehen seien.
Um feststellen zu können, ob ein unbefristetes oder ein befristetes Dienstverhältnis vorliege, habe man die strittige Bestimmung des Kollektivvertrages unter Außerachtlassung der dort vorgesehenen Mitteilung der Nichtverlängerung zu betrachten. Warum aber gerade das auffälligste Tatbestandsmerkmal der Bestimmung des § 32 (2) des Kollektivvertrages außer acht gelassen werden muß, führen die Kläger allerdings nicht aus.
Am 7. Jänner bzw. am 25. Jänner 1963, das ist vor Abgabe der Erklärung der beklagten Partei, die Dienstverträge nicht zu verlängern, lag zweifellos ein Dienstvertrag von bestimmter Dauer vor, weil ja die Dienstverträge dahin lauteten, daß das Dienstverhältnis nur bis zum 15. August 1963 abgeschlossen werde.
Vor Abgabe der Erklärung des Dienstgebers, die Verlängerung der Dienstverträge abzulehnen, war also noch völlig offen, ob es zu einer Verlängerung der Dienstverhältnisse kommen würde. Ja selbst nach dem 7. Jänner bzw. 25. Jänner 1963 war diese Frage noch offen, weil die Kläger ja noch das Recht hatten, bis zum 28. Februar 1963 zu erklären, mit der Verlängerung des Dienstverhältnisses nicht einverstanden zu sein. Da also im Zeitpunkt der Erklärung, die Verlängerung des Dienstverhältnisses abzulehnen, sicherlich noch ein befristetes Dienstverhältnis vorlag und die allfällige Möglichkeit der Verlängerung des Dienstverhältnisses noch offen war, kann schon rein begrifflich nicht von einer Erklärung gesprochen werden, mit der einseitig der Wille zur Beendigung eines Dienstvertrages von unbestimmter Dauer zum Ausdruck kommen sollte. Die Erklärung der beklagten Partei vom 7. Jänner bzw. 25. Jänner 1963 ist daher schon wegen des Nichtvorliegens eines unbefristeten Dienstverhältnisses und mangels des Zweckes dieser Erklärung, dadurch ein unbefristetes Dienstverhältnis zu beendigen, keine Kündigung und unterliegt daher auch nicht den allerdings (wenn eine Kündigung vorliegen würde) zwingenden Schutzbestimmungen des § 25 BetriebsräteG.
Zu demselben Ergebnis kommt man, wenn man die Bestimmung des § 32
(2) des genannten Kollektivvertrages im Sinne des § 6 ABGB. "nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und nach der klaren Absicht des Gesetzgebers" beurteilt.
§ 32 SchauspielerG. bestimmt für den Fall, daß das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit und mindestens für ein Jahr eingegangen ist (was bei den Klägern zutrifft), und daß das Mitglied dem Unternehmer spätestens am 15. Jänner des Jahres, in dem das Dienstverhältnis endigt, schriftlich den Antrag gestellt hat, das Dienstverhältnis fortzusetzen, das Dienstverhältnis für ein weiteres Jahr verlängert gilt, wenn das Mitglied nicht spätestens am 15. Februar eine schriftliche ablehnende Antwort erhalten hat. Nach dem Schauspielergesetz hat also das Mitglied einen Antrag auf Fortsetzung des Dienstvertrages zu stellen, der Unternehmer hat diesen Antrag abzulehnen, wenn er das Dienstverhältnis nicht fortsetzen will, sein Schweigen über den 15. Februar hinaus gilt als stillschweigende Annahme des Anbotes.
Folgerichtig spricht das Gesetz auch von der Ablehnung des Fortsetzungsantrages durch den Unternehmer. Die Ablehnung, einen Vertrag abzuschließen oder zu verlängern, ist aber rechtlich keineswegs einer Kündigung, nämlich der Erklärung, ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis zu einem in der Erklärung angegebenen Zeitpunkt aufzulösen, gleichzuhalten.
Hingegen bestimmt § 32 (2) des Kollektivvertrages, daß Bühnendienstverträge, die vor dem 1. Februar einer Spielzeit begrundet wurden und mit deren Ende ablaufen (was gleichfalls auf die Kläger zutrifft), sich zu den gleichen Vertragsbedingungen und für die gleiche Vertragsdauer, mindestens aber um eine weitere Spielzeit verlängern, wenn das Mitglied nicht spätestens am 31. Jänner eine schriftliche Mitteilung seitens des Theaterunternehmers erhält, daß er eine Verlängerung des Dienstverhältnisses ablehnt. Ist das Mitglied mit einer Verlängerung des Dienstverhältnisses nicht einverstanden, so muß es dies dem Theaterunternehmer spätestens bis zum 15. Februar mitgeteilt haben.
Vergleicht man § 32 SchauspielerG. mit § 32 (2) des Kollektivvertrages, so ergibt sich zunächst, daß der Kollektivvertrag günstiger ist als die gesetzliche Regelung, weil es den Dienstnehmer von der ihm sicher oft unangenehmen Last befreit, um die Verlängerung des Dienstverhältnisses ansuchen zu müssen. Dies erklärt aber gleichzeitig, warum der Kollektivvertrag von einer "Ablehnung der Verlängerung des Dienstverhältnisses" spricht, weil § 32 (2) des Kollektivvertrages eben nur eine dem Dienstnehmer günstiger Fortbildung der gesetzlichen Regelung ist.
Offenbar geht der Kollektivvertrag davon aus, daß das vom Gesetz Vorgeschriebene Ansuchen des Dienstnehmers ohnehin die Regel sein wird und daher entfallen kann, daß vielmehr bei einem Stillschweigen des Dienstnehmers davon ausgegangen werden kann, daß er eine Verlängerung des Vertrages wünscht. Dem Unternehmer wird es auferlegt, sich bis zum 31. Jänner zu äußern, wenn er eine Verlängerung des Vertrages ablehnt. Dem Dienstnehmer bleibt es schließlich überlassen, bis zum 15. Februar schriftlich zu erklären, daß er mit einer Verlängerung des Dienstvertrages nicht einverstanden ist. Auch § 32 (2) des Kollektivvertrages geht daher von einem (stillschweigenden) Antrag des Dienstnehmers auf Vertragsverlängerung aus, welchen Antrag der Unternehmer schriftlich bis zum 31. Jänner ablehnen kann. Daher kann der Auffassung des Klägers nicht gefolgt werden, es handle sich bei dieser "Ablehnung der Fortsetzung des Vertrages" um eine "Kündigung", die Kollektivvertragspartner hätten nur einen unrichtigen Ausdruck im § 32 (2) des Kollektivvertrages gebraucht.
Ist aber in der "Ablehnung der Verlängerung des Dienstverhältnisses" durch den Dienstgeber keine auf Beendigung eines für unbestimmte Zeit geschlossenen Dienstvertrages gerichtete einseitige Erklärung zu erblicken, sondern die Ablehnung eines vom Kollektivvertrag stillschweigend vorausgesetzten Antrages des Dienstnehmers, den durch die Fristsetzung am Ende der Spielzeit ablaufenden Vertrag zu verlängern, so bedarf eine solche Erklärung des Dienstgebers keiner Verständigung des Betriebsrates, weil es sich diesbezüglich um keine Kündigung und auch um keine einer Kündigung analoge Erklärung handelt. Der gegenteiligen Meinung von Floretta - Strasser, Kommentar zum Betriebsrätegesetz (S. 371), kann der Oberste Gerichtshof nicht folgen. Das Urteil des Oberschiedsgerichtes verstößt daher nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen.
Die Urteile der Untergerichte waren daher zu bestätigen.
Soweit in Punkt 2 des Klagebegehrens beantragt wird festzustellen, daß die Bühnendienstverträge der Kläger bis zum 15. August 1964 ungelöst zu Recht bestehen, liegt allerdings Rechtskraft zufolge des wirksamen Schiedsspruches des Oberschiedsgerichtes vor, weshalb das diesbezügliche Begehren richtig zurückzuweisen und nicht abzuweisen war. Hingegen ist das vom Berufungsgericht genannte Teilbegehren nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen, weil die Einrede des Schiedsvertrages nach nunmehr einhelliger Rechtssprechung nur sachliche Unzuständigkeit begrundet (vgl. die zahlreichen, in Stagel - Michelmayr, ZPO. 12 unter Nr. 5 bei § 240 angeführten Entscheidungen.
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