OGH 8Ob302/64

OGH8Ob302/6413.10.1964

SZ 37/142

Normen

ABGB §1222
ABGB §1222

 

Spruch:

Die Unterlassung der Verständigung der Eltern von der Eheschließung bewirkt nicht den Verlust des Dotationsanspruches, doch kann der Dotationspflichtige nachweisen, er hätte zureichende Gründe gehabt, die Ehe zu mißbilligen.

Entscheidung vom 13. Oktober 1964, 8 Ob 302/64. I. Instanz:

Bezirkgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die Antragstellerin hat sich am 7. Mai 1958 mit Erich Hjalmar L. verehelicht. Sie stellte am 31. Juli 1962 den Antrag, ihren ehelichen Vater Felix P. zur Zahlung eines Heiratsgutes von 30.000 DM zu verhalten.

Der Antragsgegner wendete ein, die Antragstellerin habe die Ehe ohne sein Wissen geschlossen, der beantragte Betrag übersteige überdies erheblich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Er begehrte daher, der Antrag der Antragstellerin abzuweisen.

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin mit der Begründung ab, es werde nicht daran gezweifelt, daß die Antragstellerin den Antragsgegner von ihrer bevorstehenden Heirat brieflich verständigt habe, doch könne nicht als sicher angenommen werden, daß ihr Vater diesen gewöhnlichen Brief noch vor der Hochzeit erhalten habe. Die Antragstellerin habe ihren Versuch, sich dem Vater unsittlich zu nähern, dahin verfälscht, daß sie bei ihrer Vernehmung am 17. Mai 1963 behauptet habe, nicht sie, sondern ihr Vater habe eine solche intime Annäherung bei einem Zusammentreffen in S. versucht. Der Anspruch auf Bestimmung eines Heiratsgutes setze voraus, daß wenigstens ein Minimum normaler menschlicher Beziehungen zwischen der fordernden Tochter und dem belangten Vater bestehe. Im vorliegenden Falle habe die Antragstellerin, ohne dazu genötigt gewesen zu sein, im Zuge dieses Verfahrens die ungeheuerlichsten Vorwürfe gegen den Vater erhoben, womit dem Begehren auf Bestimmung des Heiratsgutes jegliche moralische und menschliche Berechtigung genommen sei.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und eine neuerliche Entscheidung auf. Die bisherigen Verfahrensergebnisse reichten nicht aus, um feststellen zu können, ob der Antragsgegner gegrundete Ursache für eine Mißbilligung der Ehe der Antragstellerin mit Erich Hjalmar L. habe. Auch wenn man annehme, daß der Antragsgegner von der Eheschließung erst nachträglich durch seine Schwester Anna F. Kenntnis erlangt hätte, stehe doch nicht fest, daß der Vater, unmittelbar nachdem ihm die Eheschließung seiner Tochter bekanntgeworden sei, diese Eheschließung erkennbar mißbilligt habe. Die beiderseitigen Vorwürfe über Vorfälle anläßlich des Zusammentreffens in S. im Jahre 1953 gingen doch nicht so weit, daß man den Tatbestand eines Enterbungsgrundes oder einer Erbunwürdigkeit annehmen könne. Darauf, ob zwischen Vater und Tochter ein näherer Kontakt bestehe, komme es nicht an. Das Verfahren sei daher dahin zu ergänzen, ob der Antragsgegner nach Kenntnis von der Eheschließung seiner Tochter die Heirat mißbilligt habe und ob sich aus der Person und dem Verhalten des Ehegatten der Antragstellerin eine gegrundete Ursache der Mißbilligung der Eheschließung ableiten lasse. Werde die Mißbilligung als nicht gerechtfertigt erkannt, seien auch die Vermögensverhältnisse sowohl der Antragstellerin als auch des Antragsgegners noch zu überprüfen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof teilt nicht die von Weiss im Klang-Kommentar[2] (V., S. 743) vertretene Auffassung, daß bei Schließung der Ehe ohne Wissen der Eltern nicht zu prüfen sei, ob die Eltern gegrundete Ursache zu einer Mißbilligung der Ehe gehabt hätten. Diese Rechtsansicht findet überdies schon in der älteren Literatur keine einhellige Billigung. Mit Recht weist Lenhoff im Klang-Kommentar[1] (III., S. 595) darauf hin, daß der Grund für die Versagung des Dotationsanspruches darin liege, leichtfertige Ehen zu verhindern. Der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Fall des § 1222 ABGB. liegt darin, daß die Mißbilligung der Eheschließung, wenn diese gegen den Willen der Eltern vorgenommen wird, noch vor dem Eheabschluß zum Ausdruck gebracht werden muß, während bei einer Eheschließung ohne Wissen der Eltern nur zu untersuchen ist, ob die Eltern, hätten sie Kenntnis von der beabsichtigten Heirat erlangt, zureichende Gründe für eine Ablehnung der Eheschließung gehabt hätten. Es geht aber nicht an, wie das Rekursgericht zu verlangen, daß auch bei Eheabschluß ohne Wissen der Eltern diese nach Kenntnis der Heirat sofort bekanntgeben müssen, daß sie die erfolgte Eheschließung mißbilligen. Die Mißbilligung einer Ehe, nachdem diese bereits geschlossen ist, ist wenig sinnvoll. Es werden sich in einem solchen Falle Eltern, die dem Eheabschluß mit Grund ihre Zustimmung versagt hätten, vielfach dazu bereit finden, die Tatsache der Eheschließung zur Kenntnis zu nehmen und, um das Verhältnis zu ihrem Kinde und dessen Ehepartner nicht unnötig zu trüben, von einer Mißbilligung Abstand zu nehmen. Der Oberste Gerichtshof ist daher der Ansicht, daß im Falle einer Eheschließung ohne Wissen der Eltern es genügt, wenn der Dotationspflichtige nachweist, er hätte zureichende Gründe gehabt, die Ehe zu mißbilligen, es sei denn, er hätte in der Zwischenzeit den Eheabschluß ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt.

Der der Entscheidung EvBl. 1962 Nr. 437 zugrunde liegende Fall ist anders gelagert. Der in dieser Entscheidung ausgesprochene Rechtssatz, eine Tochter verliere den Anspruch auf Bestellung eines Heiratsgutes, wenn sie sich ohne Wissen oder gegen den vom Gericht für begrundet erachteten Willen des Dotationspflichtigen vereheliche, kann aus den oben angestellten Erwägungen in dieser Strenge nicht aufrecht erhalten werden.

Hat sich die Antragstellerin ohne Wissen der Eltern vermählt, wird ohne Rücksicht darauf, ob der Antragsgegner seine ablehnende Einstellung zur Heirat seiner Tochter unmittelbar nach Kenntniserlangung vom Eheabschluß zum Ausdruck gebracht hat oder nicht, festzustellen sein, ob zureichende Gründe für die Mißbilligung der Ehe vorgelegen wären. Die Tatsache allein, daß der Schwiegersohn ein geschiedener Mann ist, rechtfertigt dessen Ablehnung nicht. Es kommt, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, auf die Gründe der Ehescheidung und die gesamten näheren Umstände, insbesondere auf das Vorleben des Ehemannes der Tochter und darauf an, wie er sich im Berufsleben zurechtgefunden hat. Liegt auch kein Erbunwürdigkeitsgrund oder Enterbungsgrund vor, dann sind die Vermögensverhältnisse der Tochter im Zeitpunkt der Eheschließung sowie des dotationspflichtigen Vaters zur Zeit der Eheschließung und zur Zeit der Antragstellung ohne strenge Erforschung (§ 1221 ABGB.) zu erheben.

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