OGH 6Ob87/64

OGH6Ob87/642.4.1964

SZ 37/48

Normen

ABGB §426
ABGB §943
Notariatszwangsgesetz §1 (1) litd
ABGB §426
ABGB §943
Notariatszwangsgesetz §1 (1) litd

 

Spruch:

Die Übergabe im Sinne des § 943 ABGB. muß nicht sofort bei Abschluß des Schenkungsvertrages stattfinden, sie kann vielmehr auch nachträglich erfolgen. Dazu bedarf es auch keiner neuen Willenseinigung der Parteien über die Schenkung selbst. Dem Gesetz ist genügt, wenn die Sache mit dem Traditionswillen des Übergebers, wenn auch in seiner Abwesenheit, aus seiner physischen Verfügungsmacht in die des vom Übernahmswillen beherrschten Übernehmers übergeht.

Entscheidung vom 2. April 1964, 6 Ob 87/64. I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin beantragt Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe einer Barockstatue, darstellend den heiligen Josef. Sie behauptet, diese Statue habe sich bis zum Jahr 1902 in der Stadtpfarrkirche A. befunden und sei dann Alois L. als dem Eigentümer der Liegenschaft EZ. 581, KG. A., geschenkt worden. Durch Rechtsnachfolge sei sie zuletzt auf Franz K. gekommen, seine Verlassenschaft sei daher Eigentümerin. Die Beklagte habe jedoch diese Statue an sich genommen.

Die Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.

Die Untergerichte stellten im wesentlichen fest: Die Beklagte schenkte um die Jahrhundertwende diese Statue dem damaligen Eigentümer der Liegenschaften EZ. 581, KG. A., der sie in einer Privatkapelle auf seinem Grundstück aufstellte. Als Zubehör dieser Kapelle kam sie in den Besitz und in das Eigentum zuletzt des Franz K. Der Stadtpfarrer Dechant Heinrich P. bemühte sich, diese Barockstatue wieder in die Kirche zu bringen. Über Vermittlung eines Beamten der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Dr. Otto M., erklärte Franz K. schließlich dem Dechanten in Schenkungsabsicht, der Beklagten die Statue und die Kapelle zu überlassen. Dechant P. nahm mit Dank diese Schenkung an. Zugleich ermächtigte ihn Franz K., die Statue in die Stadtpfarrkirche zu bringen und an ihrer Stelle in der Kapelle eine neugotische aufzustellen. Einige Zeit später ließ der Dechant die Kapelle öffnen und den Austausch der beiden Statuen durchführen.

Rechtlich beurteilen die Untergerichte diesen Sachverhalt dahin, daß es sich um eine Schenkung mit wirklicher Übergabe handle. Daß diese erst nachträglich erfolgt sei, sei unerheblich.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft die Revision die Feststellung, Dechant P. habe bei dem Gespräch mit Franz K. die Absicht gehabt, eine Schenkung anzunehmen. Er sei vielmehr, da ihm die seinerzeitige Schenkung an L. nicht bekannt war, der Meinung gewesen, die Statue sei überhaupt Eigentum der Kirche. Eine Aktenwidrigkeit liegt aber nicht vor. Sie ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage gezogen werden, wenn sie auf einem bei Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum, auf einem Formverstoß beruhen, der aus den Akten selbst erkennbar und behebbar ist. Die Untergerichte gelangten nun zu dieser Feststellung im Wege der Schlußfolgerung. Sie zogen diesen Schluß aus dem Verhalten des Dechanten bei seiner Unterhandlung mit Franz K., der unmißverständlich eine Schenkung an die Beklagte erklärte, die der Dechant, ohne irgend welche Einwendungen zu erheben, mit Dank annahm und der in der Folge auch die Statue abholen ließ. Welche Motive ihn veranlaßten, das nach seiner Meinung bestehende Eigentumsrecht der Beklagten nicht zu erwähnen, etwa um die Angelegenheit in dieser Weise durch Vergleich beizulegen, ist nicht wesentlich. Entscheidend ist, daß dieser in tatsächlicher Richtung gezogene Schluß als solcher gar nicht aktenwidrig sein kann. Die Revision wendet sich in Wahrheit auch mit diesen Ausführungen gegen die rechtliche Beurteilung. Diese ist aber auch in dieser Richtung unbedenklich, da Dechant P. seine von der Meinung des Geschenkgebers abweichende nicht äußerte, sein Verhalten vielmehr keinen anderen Schluß zuläßt, als daß er die Schenkung annehmen wollte.

Im übrigen muß die Rechtsrüge von den Feststellungen der Untergerichte ausgehen. Soweit die Revision auf die Aussage eines Zeugen verweist, die zu beachten sei, sowie vermeint, Franz K. habe dem Dechanten gar keine bestimmte Erklärung abgegeben, bringt sie die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig zur Darstellung. Nach den Feststellungen der Untergerichte einigten sich Franz K. und der Dechant P. in Schenkungsabsicht über die Überlassung der gegenständlichen Statue an die Beklagte. Der Abschluß eines Schenkungsvertrages ist damit unbedenklich.

Die Untergerichte haben aber auch mit Recht die Übergabe der geschenkten Sache an die Beklagte angenommen. Die Übergabe muß nicht sofort bei Abschluß des Schenkungsvertrages stattfinden, sie kann vielmehr auch nachträglich erfolgen. Dazu bedarf es auch keiner neuen Willenseinigung der Parteien über die Schenkung selbst (JBl. 1935 S. 16). Wesentlich ist, daß sich Dechant P. auf Grund der erklärten Schenkung, also mit offenbarer Zustimmung des Geschenkgebers, in den Besitz der geschenkten Sache setzte, indem er ihre Überstellung aus der Privatkapelle in die Kirche veranlaßte. Damit ist dem Erfordernis der körperlichen Übergabe nach § 426 ABGB. entsprochen. Diese verfolgt lediglich den Zweck, den Übernehmer in die Lage zu versetzen, über die Sache frei und ausschließlich zu verfügen. Dem Gesetz ist genügt, wenn die Sache mit dem Traditionswillen des Übergebers, wenn auch in seiner Abwesenheit, aus seiner physischen Verfügungsmacht in die des vom Übernahmswillen beherrschten Übernehmers übergeht (GlUNF. 5426). Der Hinweis auf die in der Revision bezeichneten Entscheidungen geht insofern fehl, als in den ihnen zugrundeliegenden Fällen eine solche Übergabe in die Verfügungsmacht des Geschenknehmers eben nicht stattfand. Im gegebenen Falle liegt daher eine Schenkung mit wirklicher Übergabe vor, die der Form eines Notariatsaktes nicht bedurfte.

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