Spruch:
Ist der Ausschluß der Inkassoberechtigung des Vertreters auf Bestellschein und Rechnung deutlich sichtbar vermerkt, dann kann an den Vertreter auch bei Vortäuschen einer Inkassovollmacht nicht mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt werden.
Entscheidung vom 29. November 1961, 5 Ob 378/61.
I. Instanz: Kreisgericht Steyr; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung des Betrages von 12.038 S s. A. Es stellte folgendes fest:
Der Beklagte bestellte bei der Firma P. in S. in den Jahren 1959 und 1960 Futtermittel um zusammen 30.263 S. U. a. bestellte er beim damaligen Vertreter dieser Firma Ernst A. am 30. August 1959 Waren um 18.040 S, am 20. Oktober 1959 Waren um 850 S und am 17. März 1960 Waren um 3148 S. A. war zur Entgegennahme von Anzahlungen oder Zahlungen für die Firma P. nicht berechtigt. Das kam auch auf den drei vom Beklagten unterschriebenen Bestellscheinen der Firma zum Ausdruck, wo unmittelbar oberhalb jener Stelle, die für die Unterschriften des Bestellers und des Vertreters freigehalten ist, der Vermerk angebracht ist: "Vertreter sind nicht berechtigt, Anzahlungen oder Zahlungen entgegenzunehmen". Dieser Vermerk ist zur Gänze unterstrichen. Schon vor der ersten Futtermittelbestellung verlangte A. vom Beklagten eine Vorauszahlung von 12.000 S und bemühte sich für den Beklagten um Erlangung eines Darlehens per 35.000 S, nach dessen Erhalt ihm der Beklagte am 8. Oktober 1959 12.000 S ausfolgte, während der Rest dieses Darlehens vom Beklagten zum Ankauf von Ferkeln verwendet wurde. Noch im Herbst 1959 erhielt der Beklagte auf seine Bestellung von der Firma P. eine größere Menge Kraftfutter zum Preise von 18.040 S geliefert; hierauf zahlte der Beklagte auf Anraten des A. mit Erlagschein 10.000 S an die Firma P. und schenkte im übrigen dem Vertreter A. Glauben, daß dieser den Rest von 8040 S selbst zahle. Tatsächlich leistete A. diese Zahlung aber nicht und führte auch den seinerzeit ihm vom Beklagten gegebenen Vorschuß von 12.000 S nicht an die Firma P. ab, so daß der Beklagte bei der Futtermittellieferung über 18.040 S mit einem Restbetrag von 8040 S belastet wurde. Wohl aber sandte A. dem Beklagten auf dessen Urgenz 3000 S zurück. Später verlangte dann A. vom Beklagten einen Betrag von 7000 S mit der Begründung, daß damit alles bezahlt sei, was er für ihn bestellt habe. Da A. erklärte, er werde die Angelegenheit einem Rechtsanwalt übergeben, ließ sich der Beklagte dazu bewegen, dem A. 7000 S auszuhändigen. In Berücksichtigung der dem Beklagten von A. zurückgeschickten 3000 S zahlte der Beklagte somit dem Vertreter A. den Betrag von 16.000 S und der Firma P. direkt insgesamt 18.225 S. Da jedoch A. die ihm vom Beklagten ausgehändigten Beträge nicht an seine Dienstgeberin, die Firma P., abgeliefert, sondern veruntreut hat, erscheint der Beklagte angesichts der Gesamtsumme der von ihm getätigten Bestellungen über 30.263 S und der von ihm direkt an die Firma P. geleisteten Zahlungen von 18.225 S mit 12.038 S belastet. Auf die Rechnung vom 15. März 1960 über 18.040 S haftet noch ein Betrag von 8040 S unberichtigt aus, wogegen die Rechnungen vom 30. April 1960 über 850 S und vom 30. August 1960 über 3148 S noch zur Gänze unberichtigt sind.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Beklagte an Ernst A. nicht mit schuldbefreiender Wirkung zahlen konnte, da dieser zum Inkasso nicht berechtigt war, worauf die Firma P. in den von ihren Vertretern verwendeten Auftragsscheinen ausdrücklich hingewiesen hatte, wozu noch komme, daß die Fakturen der Firma P. die Klausel enthalten: "Zediert an die Sparkassa der Stadt E. Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung nur auf unser Konto Nr. 630 bei der Sparkassa der Stadt E." Auch eine Haftung der Firma P. für das Verschulden ihres Vertreters im Sinne der §§ 1313a und 1315 ABGB. komme nicht in Frage.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Gewaltgeber die zivilrechtlichen Wirkungen einer Deliktshandlung (Irreführung, Drohung, Zwang) seines Vertreters, welche dieser beim Abschluß eines Vertrages für ihn setze, zu verantworten habe, wobei es gleichgültig sei, ob der Agent Abschlußvollmacht hatte oder nicht. Habe der Vertreter Ernst A., der unbestrittenermaßen nur Vermittlungs- und nicht Abschlußagent war, den Beklagten über seine Inkassoberechtigung in Irrtum geführt, dann müßte die Firma P. einen solchen Irrtum gegen sich gelten lassen, sei es daß der Vertreter dabei arglistig vorgegangen sei oder den Irrtum auch nur im Sinne des § 871 ABGB. veranlaßt habe. Das Erstgericht habe sich nun nicht mit der Frage befaßt, ob Ernst A. den Beklagten, wie dieser behaupte, durch bestimmte Erklärungen und Handlungen bei Aufnahme der Bestellungen derart in Irrtum geführt habe, daß der Beklagte eine Inkassovollmacht des A. annehmen konnte. Bei der Frage der Arglist und der Irreführung werde nicht nur zu prüfen sein, durch welche Handlungen des Vertreters eine solche Irreführung veranlaßt bzw. listigerweise herbeigeführt wurde, sondern auch, ob der Beklagte die Erklärungen und das Verhalten des Ernst A. unter den gegebenen Umständen als eigenmächtig und unbefugt erkennen konnte. Dabei müsse nicht nur das irreführende Verhalten des Ernst A., sondern auch das ganze Wesen des Beklagten mitberücksichtigt werden, um beurteilen zu können, ob ein Mann von der Art des Beklagten unter den gegebenen besonderen Verhältnissen dem Ernst A. wohl so weit vertrauen konnte, daß er dessen Inkassoberechtigung annahm. Die Anwendbarkeit des § 1313a ABGB. nahm das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht nicht als gegeben an. Auch eine Haftung nach § 1315 ABGB. wegen Untüchtigkeit des Besorgungsgehilfen komme nicht in Frage, weil aus dem Umstand, daß Ernst A. vorbestraft ist und in vielen Fällen Betrügereien begangen hat, nicht der Schluß gezogen werden könne, daß er für die ihm von der Firma P. aufgetragenen Geschäfte untüchtig war. Es müsse aber, wenn die Behauptungen des Beklagten zuträfen, eine Neigung des Ernst A. zu betrügerischen Handlungen angenommen werden, die ihn zwar nicht untüchtig, wohl aber für die Kunden gefährlich mache. Eine Haftung der Firma P. für solche gefährliche Eigenschaften ihres Vertreters könnte nach § 1315 ABGB. nur angenommen werden, wenn sie von diesen gefährlichen Eigenschaften gewußt habe. Derartiges habe der Beklagte nicht behauptet, sondern nur vorgebracht, daß die Firma P. bei der Einstellung des Ernst A. als Provisionsvertreter es unterlassen habe, sich über seinen Leumund näher zu erkundigen. Durch die Unterlassung dieser Sorgfalt hätte sie die Einstellung eines schlecht beleumundeten und bereits vorbestraften Vertreters verschuldet und müßte daher aus diesem Verschulden für den entstandenen Schaden haften. Damit behaupte der Beklagte einen Verschuldensgrund nach § 1295 ABGB., aus dem die Firma P. jedenfalls für die Irreführung durch Ernst A. einstehen müßte. Nun habe das Erstgericht wohl festgestellt, daß die Firma P. bei Neuaufnahme von Vertretern regelmäßig Erkündigungen über deren Leumund einzuholen pflege und daß ihr zur Zeit des Abschlusses der gegenständlichen Aufträge durch Ernst A. über diesen nichts Nachteiliges bekannt gewesen sei. Sie hätte vielmehr erst in letzter Zeit von seinen Unregelmäßigkeiten erfahren und ihn daraufhin sofort entlassen. Das Erstgericht habe damit aber noch nicht festgestellt, daß die Firma P. sich auch bei Ernst A. vor dessen Aufnahme als Vertreter entsprechend über seinen Leumund erkundigt und damit alles getan habe, was von ihr bei der Auswahl eines Vertreters erwartet werden konnte. Das Erstgericht werde daher zu überprüfen haben ob es sich bei Ernst A. um einen so übel beleumundeten und vorbestraften Mann handelte, daß bei dessen Einstellung als Provisionsvertreter in Kenntnis seines Vorlebens schon von einem Verschulden der Firma P. gesprochen werden müßte, aus dem sie für alle nachteiligen Folgen des Beklagten einstehen müßte, und ob es die Firma P. unterlassen habe, sich in entsprechender Weise über den Leumund des Ernst A. zu erkundigen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ausführungen im angefochtenen Beschluß über die Verantwortlichkeit des Gewaltgebers für die zivilrechtlichen Wirkungen einer Deliktshandlung, wie Irreführung, Drohung oder Zwang, seines Vertreters entsprechen der nun ständigen Rechtsprechung. Wenn also der Besteller durch ein deliktisches Handeln des Vertreters der Verkaufsfirma zur Erteilung eines Auftrages veranlaßt wird, dann ist er, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anfechtung des Vertrages wegen Willensmängeln gegeben sind, an den Auftrag nicht gebunden. Darum handelt es sich hier aber gar nicht, sondern um die von dieser Rechtsfrage ganz verschiedene Frage, an wen der Besteller die auf Grund eines rechtsgültig erteilten Auftrages zu leistenden Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung zahlen kann. Dies kann nur an die Firma, der der Auftrag gegeben wurde, oder deren mit Inkassovollmacht ausgestatteten Vertreter geschehen. Eine solche Vollmacht kann schriftlich erteilt werden, oder sie kann sich aus der Natur des Geschäftes ergeben (§ 1029 ABGB.). Eine schriftliche Vollmacht hatte der Vertreter A. nicht. Das einzige Dokument der Firma P., welches A. dem Beklagten übergeben hatte, war das Auftragsformular. Solche Auftragsformulare dienen u. a. auch dazu, den anderen Teil über den Umfang der Vollmacht des Vertreters zu unterrichten (SZ. XXIX 4, 1 Ob 230/58, 5 Ob 260/59). Das vom Vertreter A. verwendete Auftragsformular enthielt aber nicht nur keine Inkassovollmacht für ihn, sondern es ist darauf ausdrücklich die Berechtigung des Vertreters, Anzahlungen oder Zahlungen entgegenzunehmen, ausgeschlossen, und zwar an einer Stelle des Formulars und in einer Weise, daß jedem des Lesens und Schreibens kundigen Auftraggeber sofort der Mangel der Inkassovollmacht des Vertreters auffallen muß. Eine Inkassovollmacht des A. ließ sich aber auch aus der Natur des Geschäftes nicht entnehmen. Der Umstand, daß A. als Vermittlungsagent der Firma P. auftrat, berechtigt den Beklagten noch nicht zur Annahme, daß er auch eine Inkassovollmacht dieser Firma habe. Der Prozeßstandpunkt des Beklagten gipfelt in der Behauptung, er habe auf Grund des ganzen Verhaltens des A. annehmen müssen, daß dieser inkassoberechtigt sei. Damit beruft sich der Beklagte auf sein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand. Das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand muß aber seine Grundlagen in einer ausdrücklichen oder konkludenten Willensäußerung des Vollmachtgebers haben, die diesen äußeren Tatbestand schafft und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein dieser Vertretungsmacht begrundet (Swoboda in Klang 1. Aufl. II/2 S. 830 und ständige Rechtsprechung in diesem Sinne). Die Firma P. aber hat nichts dazu getan, den Anschein zu erwecken, daß A. zum Inkasso berechtigt sei, sondern im Gegenteil den Ausschluß der Inkassoberechtigung der Vertreter nicht nur auf den Auftragsformularen, sondern auch auf den Rechnungen in einer in die Augen springenden Art zum Ausdruck gebracht. Welche Handlungen A. selbst gesetzt hat, um im Beklagten das Vertrauen in seine Inkassoberechtigung zu erwecken, ist ohne Belang. Die Aufhebung des Ersturteils zur Prüfung dieser Frage war daher nicht gerechtfertigt.
Sie war aber auch nicht gerechtfertigt zur Prüfung der Frage, ob sich die Firma P. vor Einstellung des A. als Vertreter über seinen Leumund erkundigt hat. Die Stellung eines Vermittlungsagenten, der in einer für jeden Besteller erkennbaren Weise vom Inkasso ausgeschlossen ist, ist nicht so verantwortungsvoll, daß gefordert werden müßte, mit einer solchen Funktion nur unbescholtene Personen zu betrauen. Es hieße den Bogen überspannen und den Wirtschaftstreibenden eine Verantwortung aufbürden, die sie nicht tragen können, wollte man von ihnen bei sonstiger Haftung nach § 1295 ABGB. fordern, daß sie vor Anstellung eines Vermittlungsagenten jedesmal erst Leumundserhebungen über dessen Person anstellen müßten.
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