Normen
KO §119
KO §119
Spruch:
Wenn eine Forderung rechtskräftig aus der Konkursmasse ausgeschieden und dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen wurde, kann sie bei erfolgreicher Prozeßführung des Gemeinschuldners nicht wieder in die Konkursmasse einbezogen werden.
Entscheidung vom 8. Juli 1959, 5 Ob 260/59.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Mit den Beschlüssen vom 18. Mai 1957, 8 20/57-12 und 14, hat der Konkurskommissär auf Antrag des Masseverwalters eine Forderung des Gemeinschuldners gegen Rudolf G. im Betrag von 9377 S 12 g und eine Forderung gegen Franz L. im Betrag von 11.480 S 31 g gemäß § 119 Abs. 5 KO. aus der Konkursmasse ausgeschieden und dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen, weil der Masseverwalter berichtet hatte, daß die Eintreibung dieser Forderungen keinen ausreichenden Erfolg verspreche.
Der Gemeinschuldner setzte daraufhin die Prozesse gegen diese Schuldner mit dem Erfolg fort, daß in der Rechtssache gegen Rudolf G., 2 Cg 381/57 des Landesgerichtes Linz, nach Schluß der Verhandlung als sicher angenommen werden kann, daß dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von ungefähr 4000 S stattgegeben werden wird, während in der Rechtssache gegen Franz L., 2 Cg 382/57 des Landesgerichtes Linz, am 9. Jänner 1959 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wurde, mit dem sich L. verpflichtete, dem Gemeinschuldner in Monatsraten den Betrag von 8064 S 31 g samt stufenweisen Zinsen und Prozeßkosten zu zahlen.
Mit Berufung auf diesen geänderten Sachverhalt beantragte der Masseverwalter, die früheren Beschlüsse zu widerrufen und die Forderungen wiederum in die Konkursmasse einzubeziehen.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
Das Rekursgericht wies ihn mit der Begründung ab, daß die Freigabeerklärung nachträglich nicht mehr widerrufen werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Masseverwalters nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rechtsfall betrifft die materielle Rechtskraft der im Konkursverfahren ergehenden Beschlüsse. Gemäß § 172 KO. sind auf das Konkursverfahren - soweit in der Konkursordnung nichts anderes angeordnet ist - die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung und der Jurisdiktionsnorm und ihrer Einführungsgesetze sinngemäß anzuwenden. Nach § 425 Abs. 2 ZPO. ist das Gericht an seine Beschlüsse insoweit gebunden, als sie nicht bloß prozeßleitender Natur sind. Die Beschlüsse des Erstgerichtes vom 18. Mai 1957 betrafen nicht nur das Verfahren, sondern sie regeln das Rechtsverhältnis zwischen dem Masseverwalter und dem Gemeinschuldner in Ansehung der dort bezeichneten Forderungen. Derartigen Beschlüssen kommt die Wirkung materieller Rechtskraft zu.
Voraussetzung dieser Wirkung ist neben der Identität der Personen die Identität der Sache. Es ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß diese Voraussetzungen gegeben sind. Gemäß § 119 Abs. 5 KO. kann der Gläubigerausschuß mit Genehmigung des Konkurskommissärs und, solange ein Gläubigerausschuß nicht bestellt ist, der Konkurskommissär (§ 90 KO.) beschließen, daß von der Veräußerung von Forderungen, deren Eintreibung keinen ausreichenden Erfolg verspricht, und von der Veräußerung von Sachen unbedeutenden Wertes abzusehen sei und diese Forderungen und Sachen dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen werden. Die Forderungen wurden dem Gemeinschuldner überlassen, weil ihre Eintreibung keinen ausreichenden Erfolg versprach. Dadurch, daß es dem Gemeinschuldner in der Folge gelingt, die Forderungen teilweise hereinzubringen, hat sich an der Identität der Sache nichts geändert. Diese Möglichkeit bestand bereits zur Zeit der Beschlußfassung. Sie wurde aber in Kauf genommen. Dem Antrag des Masseverwalters steht daher die Rechtskraft der früheren Entscheidungen entgegen.
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