OGH 3Ob69/60

OGH3Ob69/6011.3.1960

SZ 33/32

Normen

ABGB §480
ABGB §1451
ABGB §1455
ABGB §1465
ABGB §480
ABGB §1451
ABGB §1455
ABGB §1465

 

Spruch:

Eine einmalige Eigentumsausübung des Gegners während der Ersitzungszeit unterbricht die Ersitzung.

Ein Weiderecht kann durch Ersitzung nicht erworben werden.

Entscheidung vom 11. März 1960, 3 Ob 69/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Jennersdorf; II. Instanz: Landesgericht Eisenstadt.

Text

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes 3127 der EZ. 315 KG. K. Die Beklagten sind Eigentümer der Grundstücke 3126, 3128 und 3129 in der EZ. 1115 desselben Grundbuchs. Die langgestreckten und streifenförmigen Grundstücke Nr. 3127, 3128 und 3129 liegen nebeneinander auf einem von Nordwesten nach Südosten abfallenden Hang. Das Grundstück Nr. 3127 ist etwa 80 m lang und 6 m breit und grenzt mit seiner südöstlich gelegenen Schmalseite an eine Längsseite des querverlaufenden Grundstückes Nr. 3125. Die Grundstücke 3128 und 3129 sind um die Breite des Grundstückes Nr. 3126 kürzer als das Grundstück Nr. 3127, weil an ihren südöstlichen Schmalseiten die ganze Längsseite des quergestellten Grundstückes Nr. 3126 anliegt, wogegen die zweite Längsseite des Grundstückes Nr. 3126 an die an das Grundstück Nr. 3127 anliegende Längsseite des Grundstückes Nr. 3125 grenzt. Gegenstand des Rechtsstreites ist jener Grundstreifen, um den das Grundstück 3127 länger ist als die Grundstücke Nr. 3128 und 3129. Auf diesem Grundstreifen haben die Beklagten Gras abgemäht und Vieh geweidet.

Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Mähen von Gras und das Weiden von Vieh auf diesem Teil des Grundstückes Nr. 3127 zu unterlassen. Die Beklagten wenden Ersitzungsbesitz an dem strittigen Grundstreifen ein, weil sie ihn seit mehr als 30 Jahren so benützten, wie dies ein Eigentümer zu tun pflege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, daß die Beklagten zwar seit mehr als 30 Jahren fallweise von ihrem Grundstück Nr. 8126 auf den strittigen Grundstreifen des Klägers hinüberweideten, dieses Hinüberweiden aber heimlich erfolgt sei, weil nicht feststehe, daß der Kläger von dieser Tatsache Kenntnis gehabt bzw. dies stillschweigend geduldet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Unbestritten sei, daß der Kläger bücherlicher Eigentümer des strittigen Grundstreifens ist. Als unbedenklich zu übernehmen sei die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Beklagten seit mehr als 30 Jahren fallweise den strittigen Grundstreifen durch Abmähen von Gras und durch Weiden von Vieh genutzt hätten, daß aber auch der Kläger derartige Nutzungshandlungen vorgenommen habe. Es sei weiter festgestellt, daß im Jahr 1951 der Kläger, als er die Beklagten beim Viehweiden betreten habe, wegen dieser Benutzung die Intervention der Gemeindekommission angerufen habe und daß es, weil beide Streitteile schon damals ihren jetzigen Rechtsstandpunkt vertreten hätten, zu keiner Einigung gekommen sei. Nun könne Ersitzungsbesitz aber nur angenommen werden, wenn aus der Art der Besitzausübung die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck komme. Durch das Grasmähen und Viehweiden sei aber die Besitzausübung anderer Personen nicht ausgeschlossen worden. Dies ergebe sich schon aus der Art der Nutzung, aber auch aus dem Umstand, daß auch der Kläger zwischendurch die gleichen Nutzungshandlungen an dem strittigen Grundstreifen vorgenommen habe. Da diese Voraussetzung fehle, müsse auf die Redlichkeit und Echtheit des Besitzes der Beklagten während der ganzen Ersitzungszeit nicht weiter eingegangen werden. Auf die Frage eines allfälligen Weiderechts gemäß § 498 ABGB. oder sonstiger Nutzungsrechte nach § 509 ABGB. sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht einzugehen, weil die Beklagten dem Klageanspruch ausschließlich den außerbücherlichen Eigentumserwerb durch Ersitzung entgegengesetzt hätten. Sie hätten sich dagegen in keiner Weise auf ein allfälliges Weide- oder Nutzungsrecht berufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof tritt der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht vollauf bei. Die entscheidende Feststellung des Erstgerichtes, die auch vom Berufungsgericht ausdrücklich übernommen wurde, ist, daß während der Ersitzungszeit auch der Kläger selbst den Grundstreifen benützte. Darauf kommt es aber entscheidend an. Jeder Ersitzung muß eine entsprechende Verjährung des Rechts seitens des bisherigen Berechtigten entsprechen, die nur dann eintritt, wenn er von seinem Recht während der Verjährungszeit keinen Gebrauch gemacht hat. Hat aber, wie festgestellt, der Kläger von seinem Eigentumsrecht auf dem Grundstück Gebrauch gemacht, dann ist eine Verjährung seiner Rechte nicht eingetreten, und es konnte gleichzeitig auch eine Ersitzung durch Dritte nicht stattfinden. So wurde bereits in GlU. 8800 ausgesprochen, daß auch eine bloß einmalige Ausübung des Eigentumsrechts die Ersitzung ausschließe. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht weitere Feststellungen über die Echtheit und Redlichkeit des Besitzes, für überflüssig erachtet.

Das Berufungsgericht ist aber auch richtigerweise auf die Frage eines allfälligen Weiderechts oder Fruchtnießungsrechts deshalb nicht eingegangen, weil die Beklagten sich im Verfahren erster Instanz auf ein solches Recht nicht berufen haben. Es kann den Beklagten nicht gefolgt werden, wenn sie meinen, daß es sich dabei nur um die rechtliche Beurteilung handle und ein solches festzustellendes Recht nur ein Minus gegenüber, dem Ersitzungseigentum wäre. Es handelt sich dabei vielmehr um einen anderen Rechtsgrund, auf den sich die Beklagten bereits in erster Instanz hätten berufen müssen. Im übrigen können solche Rechte durch Ersitzung nicht erworben werden (Anl. 3 Art. I § 2 des Gesetzes BGBl. Nr. 103/1951).

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