Spruch:
Der Arzt muß die Schadensfolgen auch eines kunstgerechten Eingriffes vertreten, wenn er die Zustimmung des Kranken zwar eingeholt hat, diese aber auf Grund einer unzutreffenden Zusage erteilt wurde.
Entscheidung vom 25. März 1955, 7 Ob 111/55.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Beklagte hat der Klägerin eine Krampfader unterhalb der linken Kniekehle operiert. Die Klägerin hat sich aus kosmetischen Gründen zu der Operation entschlossen, weil ihr der Beklagte versichert hatte, der Eingriff sei völlig harmlos und die Klägerin werde keinen Arbeitstag verlieren, vielmehr ihren Beruf ohne Unterbrechung ausüben können. Die Operation ist erfolglos geblieben, hat aber zur Bildung eines schmerzhaften Abszesses und zu längerer Krankheit der Klägerin geführt.
Ein ärztlicher Kunstfehler wurde nicht erwiesen. Das Erstgericht sprach der Klägerin, die insgesamt 29.710 S samt Anhang begehrte, 4650 S Heilungskosten und 8000 S Schmerzengeld, zusammen 12.650 S, samt 5% Zinsen seit 20. April 1953 zu. Es führte aus, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin auf das mit dem Eingriffe verbundene Risiko aufmerksam zu machen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nur der Höhe nach teilweise Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der rechtlichen Beurteilung des Klagebegehrens war davon auszugehen, daß auch der ärztliche Eingriff eine Körperverletzung im Sinne des § 1325 ABGB. darstellt, wenn er den Zustand des Kranken verschlechtert. Der Arzt muß in einem solchen Falle auch die Folgen eines kunstgerechten Eingriffes vertreten, wenn er die Zustimmung des Kranken nicht eingeholt hat, es wäre denn, daß dies wegen der Dinglichkeit des Eingriffes nicht möglich war (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 § 392 S. 627).
Im vorliegenden Falle wurde nicht erwiesen, daß die Operation dinglich gewesen ist. Die Klägerin hat sich aus vorwiegend kosmetischen Gründen dazu entschlossen und nur im Hinblicke auf die Zusage des Beklagten. Diese stand aber, wie aus dem Gutachten des Sachverständigen erhellt, im Widerspruch zu der Erfahrung der medizinischen Wissenschaft, daß auch bei eingriffen wie dem in Rede stehenden Komplikationen nicht auszuschließen sind. Da die Zustimmung der Klägerin demnach auf eine fehlerhafte Weise zustande gekommen ist, haftet der Beklagte nach § 1325 ABGB.
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