OGH 3Ob12/55

OGH3Ob12/552.2.1955

SZ 28/28

Normen

ABGB §1325
Bundesangestellten-Krankenversicherungsgesetz §15a
ABGB §1325
Bundesangestellten-Krankenversicherungsgesetz §15a

 

Spruch:

Bei Ersatzansprüchen nach § 15a BKVG. muß sich die Krankenversicherungsanstalt die infolge des Spitalsaufenthaltes ersparten Kosten des Beschädigten in seiner Haushaltsführung anrechnen lassen.

Entscheidung vom 2. Februar 1955, 3 Ob 12/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin macht einen Betrag von 300 S geltend mit der Behauptung, die bei ihr versicherte Emilie W. habe am 20. Juni 1950 einen Autounfall erlitten, der vom Beklagten verschuldet worden sei. Infolge dieses Unfalles seien der Klägerin Heilbehandlungskosten in der Höhe von 495 S erwachsen. Die Versicherungsgesellschaft, bei der der Beklagte haftpflichtversichert sei, habe die Regreßforderung der Klägerin grundsätzlich anerkannt, habe aber an Eigenverpflegskosten einen Pauschalbetrag von 300 S in Abzug gebracht.

Das Erstgericht sprach der Klägerin 110 S zu und wies das Mehrbegehren ab. Der Beklagte habe den Anspruch dem Gründe nach anerkannt. Die Verletzte habe sich durch 19 Tage in Spitalspflege befunden, und die Klägerin habe 495 S an Heilungskosten aufgewendet, wovon 195 S von der Versicherungsgesellschaft des Beklagten gedeckt worden seien. Die Verletzte habe zu dieser Zeit 10 S täglich für ihre Verpflegung ausgegeben. Gemäß § 15a BKVG. gehen Schadenersatzansprüche nur in der Höhe über, wie sie der verletzten Person Dritten gegenüber zustehen. Da die Verletzte 190 S erspart habe, sei dieser Betrag von der Klagssumme abzuziehen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß dem gesamten Klagebegehren stattgegeben wurde. Die Bestimmung des § 15a BKVG. - im wesentlichen gleichlautend mit § 1542 RVO. - stelle eine bewußte Abweichung von dem allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, daß bei abgeleitetem Rechtserwerb nicht mehr Rechte auf den neuen Rechtsträger übergehen, als dem ursprünglichen zustanden. Die Krankenversicherungsanstalt könne daher ohne Rücksicht auf den Schaden des Verletzten und ohne Rücksicht auf einen allfälligen zwischen diesem und dem haftpflichtigen Beschädiger geschlossenen Vergleich den Ersatz jenes Aufwandes vom Beschädiger verlangen, den sie gemäß §§ 9, 10 BKVG., 1937 für den Verletzten machen mußte. Damit seien dem Schadenersatzpflichtigen der Krankenversicherungsanstalt gegenüber jene Einwendungen abgeschnitten, die er dem Verletzten unter Hinweis auf das, was dieser sich durch die Leistungen der Krankenversicherungsanstalt erspart hat, entgegensetzen könnte.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 15a BKVG. gehen die dem Versicherten zustehenden Schadenersatzansprüche gegen einen Dritten bis zur Höhe des der Versicherungsanstalt erwachsenden Aufwandes auf diese über. Diese Bestimmung stimmt mit § 1542 RVO. überein, sie weicht von § 1542 Abs. 2 RVO. nur insoweit ab, als der Ersatzanspruch für Krankenpflege, Krankenhauspflege und Krankenbehandlung in der RVO., nicht aber im BKVG., pauschaliert ist, sofern der Versicherungsträger nicht höhere Aufwendungen nachweist. Das gilt im BKVG. nicht; hier muß immer eine konkrete Berechnung, ähnlich wie im Falle des § 67 VersVG., vorgelegt werden. Der Sozialversicherungsträger kann daher so wie der Versicherer nach § 67 VersVG. vom Beschädiger diejenigen Beträge ersetzt verlangen, die der Beschädigte vom Beschädiger verlangen könnte, wenn er nicht versichert wäre.

Ein Verletzter, der infolge des Verschuldens eines Dritten einen Unfall erleidet und ein Spital aufsuchen muß, kann vom Beschädiger die Kosten eines erforderlichen Spitalaufenthaltes ersetzt begehren. Hat er infolge des Spitalaufenthaltes Kosten in seiner Haushaltsführung erspart, so muß er sich diesen ersparten Aufwand anrechnen lassen (vgl. neuestens die Entscheidung des Landgerichtes Essen vom 3. Mai 1954, VersR. 1954 S. 374).

Ist der Verletzte versichert, so geht der Schadenersatzanspruch, der durch die Spitalkosten erwachsen ist, in der gleichen Höhe, also nach Abzug der Haushaltsersparnis, auf seinen Versicherer über, wenn dieser den Schaden gedeckt hat. Das muß aber auch folgerichtig dann gelten, wenn er nicht vertragsversichert ist, sondern bei einem Versicherungsträger sozialversichert ist, der keinen Pauschalbetrag für die Spitalskosten usw. verlangen kann, wie dies nach § 1542 RVO. vorgesehen ist, sondern eine konkrete Schadensberechnung vorzunehmen hat.

Demgegenüber kann auch nicht eingewendet werden, daß die Haushaltsersparnis mit den Spitalsauslagen nicht artgleiche Leistungen seien, die von der Praxis des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 859/52, 2 Ob 674/53, 2 Ob 439/53, 2 Ob 188/54 u. a. m.) verlangt werden, wenn eine Vorteilsausgleichung zugelassen werden soll. Denn in den Kosten der Krankenhauspflege sind auch die Verpflegskosten für die im Spital gewährte Kost inbegriffen. Die ersparten Auslagen für die Kosten im Haushalt sind demnach mit den Kosten für den Krankenhausaufenthalt artgleich. Eine Vorteilsausgleichung im Sinne der Praxis des Obersten Gerichtshofes ist daher zulässig.

Mit dem Verdienstentgang hängt die Ersparnis der Verpflegskosten im Haushalt während der Zeit der Krankenhauspflege überhaupt nicht zusammen, weil es vollkommen bedeutungslos ist, aus welcher Quelle die Verletzte die Verpflegskosten zu decken pflegt, ob sie sie aus ihrem Verdienst zahlt, aus ihrem Vermögen, oder ob ein Dritter sie zu verpflegen pflegt. Es ist deshalb irrelevant, ob ihr während ihres Krankenhausaufenthaltes ihr Gehalt oder Lohn gekürzt worden ist. Eine Kürzung ihres Verdienstes könnte nur die Bedeutung haben, daß, wofern der Ersatzanspruch wegen Verdienstentganges nicht auf die Klägerin übergegangen ist - was in diesem Prozeß nicht zu untersuchen ist - oder nicht zur Gänze von der Klägerin in Anspruch genommen wird, die Verletzte einen weiteren Anspruch gegen den Beklagten hätte, was diesmal freilich nicht in Frage kommt, weil sich die Verletzte mit dem Beschädiger ausgeglichen hat.

Aus den dargelegten Gründen war das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

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