Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1447
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §879
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1447
Spruch:
Die Verpflichtung des Verkäufers einer teilweise vom Dritten vertraglich benützten Liegenschaft zur Räumung und Übergabe an den Käufer begrundet keine Unmöglichkeit der Leistung.
Entscheidung vom 16. Dezember 1953, 3 Ob 774/53.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die beiden Streitteile schlossen am 25. Jänner 1952 einen schriftlichen Kaufvertrag, in welchem die Beklagte der Klägerin die ihr gehörige Hälfte des Hauses Salzburg, Ch.gasse, um den Betrag von 200.000 S verkaufte und sich verpflichtete, die von ihr benützten Wohnräume im zweiten Stock dieses Hauses einschließlich der von der Firma G. benützten Räume bis längstens 30. April 1952 der Klägerin geräumt zu übergeben; im Falle nicht termingemäßer Räumung wurde der Klägerin das Recht eingeräumt, vom Vertrag zurückzutreten. Die Klägerin stellt nun das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Kaufvertrag zuzuhalten und die von ihr benützten Wohnräume einschließlich der von der Firma G. benützten Räume der Klägerin zu übergeben.
Die Beklagte wendete ein, es sei die von ihr von allem Anfang an gestellte Bedingung, daß der Verkauf erst dann wirksam sein solle, wenn sie ein anderes geeignetes Objekt für sich und ihre Tochter gefunden habe nicht eingehalten und auch in den Kaufvertrag nicht aufgenommen worden, überdies sei sie im Zeitpunkte der Vertragserrichtung infolge Übermüdung, Schlaflosigkeit und schwerer Anfälle ihrer an Schizophrenie leidenden Tochter nicht aufnahmsfähig gewesen. Sie habe einige Tage nach Vertragsabschluß das Fehlen der oberwähnten Bedingungen im Kaufvertrage bemerkt und die Klägerin davon verständigt. Zur Freimachung der der Firma G. untervermieteten Räume habe sie kein Recht gehabt, da diese Räume auf Grund einer zwischen den Mieteigentümern getroffenen Benützungsregelung ihrem Neffen und Miteigentümer Dr. B. zustehen. Es liege daher auch Unmöglichkeit der Leistung vor, überdies verstoße die Vereinbarung gegen die guten Sitten, ohne daß hiezu seitens der Beklagten Näheres ausgeführt wurde.
Das Prozeßgericht erkannte nach dem Klagebegehren. Es stellte fest, daß der Klägerin die von der Beklagten behauptete Bedingung niemals bekanntgegeben wurde, daß vielmehr die Beklagte diese Bedingung nur gegenüber dem Realitätenbüro R. erwähnt habe, welches sie mit der Verkaufsvermittlung beauftragt hatte, und daß die Beklagte den Angestellten der Firma R. W. vor dem Vertragsabschluß erklärt habe, sie werde unter allen Umständen verkaufen, man (gemeint offenbar das Realitätenbüro R.) könne ja nach dem Vertragsabschluß noch weitere Objekte für sie suchen. Weiters stellte das Prozeßgericht fest, daß die Beklagte bei den Verhandlungen anläßlich des Vertragsabschlusses vollkommen ruhig und überlegt handelte und sich durchaus informiert zeigte, schließlich, daß ihr vom Notar Dr. H., der auch die Unterschriften der Vertragsteile auf dem schriftlichen Kaufvertrag beglaubigte, der ganze Vertragsinhalt, insbesondere die Räumungsverpflichtung eingehend langsam und deutlich vorgelesen und erläutert wurde, wobei die Beklagte erklärte, bis zum 30. April 1952 sei noch genügend Zeit, es werde schon gehen. Das Prozeßgericht gelangte zur Ansicht, daß die Beklagte den Vertragsinhalt genau und vollständig erfaßte und daß sie den Vertrag frei und überlegt in allen Einzelheiten abgeschlossen habe. Die Beklagte habe der Klägerin gegenüber mit keinem Wort erwähnt, daß sie über die an die Firma Maria G. untervermieteten Räume nicht frei verfügen könne. Es liege daher auch eine Unmöglichkeit der Leistung nicht vor, zumal die Veräußerung einer gemeinschaftlichen Sache durch einen Miteigentümer allein nicht geradezu unmöglich sei, daher auch nicht die Verpflichtung zur Räumung und Übergabe von Räumen, über die die Beklagte nur gemeinsam mit anderen Personen verfügen könne. Ein Verstoß gegen die guten Sitten sei nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Steitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision führt zunächst aus, der Kaufgegenstand sei nicht genügend bestimmt, da mit ihm in die Rechtssphäre dritter Personen eingegriffen wurde, weshalb es einer Klärung der Rechte dieser dritten Personen bedurft hätte; diese Frage sei aber beim Kaufabschluß nicht geklärt worden.
Abgesehen davon, daß die Beklagte eine derartige Einwendung in erster Instanz gar nicht erhoben hat und das bezügliche Vorbringen der Revision daher eine unzuläßige Neuerung darstellt, ist der Kaufgegenstand im Vertrage durch die Bezeichnung desselben als Hälfteanteil des Hauses Salzburg, Ch.gasse 6, hinlänglich bestimmt worden. Einer Klärung der Benützungs- oder Verfügungsrechte dritter Personen an in dem verkauften Hause befindlichen Räumen bedurfte es schon deshalb nicht, weil, wie noch auszuführen sein wird, sich auch ein Miteigentümer allein wirksam zum Verkauf der gemeinsamen Sache verpflichten kann, somit auch zur Überlassung von gemeinsam benützten oder verwalteten Räumen.
Die Revision macht weiters geltend, es liege Unmöglichkeit der Leistung vor, weil die Mietrechte der Firma Maria G. unter Mieterschutz stehen. Nun ergibt sich aber aus der Aussage des Zeugen Dr. B., daß die Firma Maria G. ihren Mietvertrag mit März 1952, somit nach Abschluß des Kaufvertrages und vor Ablauf der im Kaufvertrag vereinbarten Übergabe- und Räumungsfrist, aufgelöst hat und daß die Räume sodann an eine Firma V. untervermietet wurden, woraus folgt, daß die behauptete Unmöglichkeit von der Beklagten selbst verschuldet wurde, weshalb sie sich schon aus diesem Gründe nicht auf § 1447 ABGB. berufen könnte. Abgesehen davon liegt die behauptete Unmöglichkeit der Leistung nicht vor, weil es Sache der Beklagten sein wird, die Firma V. zur Aufgabe desUntermietvertrages und den Dr. B. zu einer Änderung der Benützungsregelung hinsichtlich der untervermieteten Räume zu veranlassen. Ob ihr dies möglich sein wird, wird sich im Exekutionsverfahren ergeben. Eine Unmöglichkeit der Leistung im Sinne des § 1447 ABGB. stellen diese Umstände nicht dar.
Die Bestimmungen des § 833 ABGB. stellen fest, unter welchen Umständen ein Mehrheitsbeschluß für die Minderheit der Teilhaber der gemeinsamen Sache bindend ist, sie sagen jedoch nichts darüber aus, ob ein Miteigentümer sich wirksam für seine Person zum Verkauf der gesamten Sache verpflichten könne. Der Verkauf einer ganz oder teilweisen fremden Sache ist nicht ungültig. Dies geht aus der ausdrücklichen Anordnung des § 366 ABGB. hervor. Der Miteigentümer kann sich wirksam zum Verkauf der gemeinsamen Sache verpflichten (GlU. Nr. 15.247, 1 Ob 1055/52, 2 Ob 263/53). Die Beklagte konnte sich daher mit Rechtswirksamkeit gegenüber der Klägerin nicht nur zum Verkauf der ihr allein gehörigen Hälfte des Hauses, sondern auch zur Räumung und Übergabe von Wohnräumen dieses Hauses verpflichten, hinsichtlich deren das Verwaltungs- oder Benützungsrecht mehreren Miteigentümern zusteht, und sie kann sich nicht auf Unmöglichkeit der Leistung berufen, wenn sie die Tatsache, daß dieses Verwaltungs- oder Benützungsrecht nicht ihr allein zustehe, der Klägerin verschwiegen hat. Daß die Klägerin wußte, die Miteigentümer seien mit der Überlassung dieser Räume an die Klägerin nicht einverstanden, haben die Untergerichte nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat es lediglich dahingestellt sein lassen, ob der Schluß der Berufung, daß Dr. B. auf die beiden Räume Anspruch erhebe, gerechtfertigt sei.
Was schließlich die Behauptung der Revision anlangt, das Erfüllungsbegehren der Klägerin verstoße gegen die guten Sitten, so vermögen die bezüglichen Ausführungen der Revision in keiner Weise darzutun, daß die Voraussetzungen des § 879 Abs. 1 ABGB. gegeben sind. Nach den Feststellungen der Untergerichte war die Absicht der Klägerin bei Vertragsabschluß darauf gerichtet, die ihr zu übergebenden Räume zur Unterbringung ihrer Salzburger Geschäftsstelle zu verwenden, was auch der Beklagten vor Vertragsabschluß bekanntgegeben wurde. Da sie den Vertrag in dieser Absicht geschlossen und dies auch der Beklagten vor Vertragsabschluß bekanntgegeben hat, kann ihr Bestehen auf Erfüllung des Vertrages zum Zwecke der Unterbringung der Salzburger Geschäftsstelle in keiner Weise als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden.
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