OGH 2Ob720/51

OGH2Ob720/5114.11.1951

SZ 24/309

Normen

ABGB §1325
Kraftfahrrechts-Überleitungsgesetz Art1 (1)
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §7 Abs3
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §12
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §16
Einführungsverordnung zum Kraftfahrzeugverkehrsgesetz ArtIV
ABGB §1325
Kraftfahrrechts-Überleitungsgesetz Art1 (1)
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §7 Abs3
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §12
Kraftfahrzeugverkehrsgesetz §16
Einführungsverordnung zum Kraftfahrzeugverkehrsgesetz ArtIV

 

Spruch:

Der Kraftfahrzeughalter haftet bei einer Schwarzfahrt des Lenkers nicht nach Art. IV EVzKFG.

Entscheidung vom 14. November 1951, 2 Ob 720/51.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit ihrer Klage machte die Klägerin Anspruch auf Ersatz von Sachschäden geltend, die ihr vom Erstbeklagten, der als Chauffeur eines dem Zweitbeklagten gehörenden Lastkraftwagens bei diesem angestellt ist, am 7. Jänner 1950 zugefügt wurden.

Sie grundete ihr Begehren, das die im § 12 Abs. 1 Z. 3 KFG. festgesetzte Höchstgrenze eines Sachschadenersatzes übersteigt, darauf, daß der Erstbeklagte wegen dieses Unfalls vom Bezirksgericht B. rechtskräftig wegen Übertretung nach § 431 StG. verurteilt wurde, der Zweitbeklagte jedoch gemäß § 7 Abs. 3 KFG. haftbar sei, weil er durch Verschulden die Benützung des Lastkraftwagens durch den Erstbeklagten zu einer Schwarzfahrt ermöglicht habe, außerdem, weil er nach Art. IV EVzKFG. für das Verschulden des Erstbeklagten als einer Person, deren er sich beim Betriebe des Kraftfahrzeuges bediente, insoweit es sich um deren Dienstleistung bei dessen Betrieb handelte, wie für eigenes Verschulden zu haften habe und endlich, weil gemäß § 16 KFG. die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches und andere in der "Ostmark" geltende, dem Beschädigten günstigere Bestimmungen über die Schadenersatzpflicht in einem weiteren als in dem vom Kraftfahrzeugverkehrsgesetz vorgesehenen Ausmaß unberührt bleiben. Nach den Bestimmungen des Automobilhaftpflichtgesetzes 1908 in der Fassung des Gesetzes BGBl. Nr. 300/22 habe der Autohalter aber mit wenigen Ausnahmen stets für das Verschulden des bei ihm angestellten Kraftfahrzeuglenkers zu haften.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der Klägerin nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Vorinstanzen stellten unangefochten fest, daß Erstbeklagter als Kraftwagenlenker beim Zweitbeklagten angestellt ist, dessen Vertrauen genoß und den Schlüssel zur Garage hatte, die sich in dem vom Zweitbeklagten bewohnten Hause befindet und von diesem kontrolliert wird.

Weiters wurde festgestellt, daß der Erstbeklagte am 7. Jänner 1950 einen Viehtransport mit seinen Lastkraftwagen durchführte, nach dessen Beendigung er wieder nach W. zurückkehrte und zum Schlachthof fuhr, in dem sich das Büro des Zweitbeklagten befindet. Statt den Wagen zu garagieren, begab er sich jedoch in in das gegenüberliegende Gasthaus, wo er mit zwei Männern zusammentraf, die er dann auf dem Lastkraftwagen zu einem anderen Gasthaus führte. Dann kehrte er ins Gasthaus zurück. Auf Anregung des einen der Männer fuhr er dann mit diesen noch nach T., kehrte dort ein, fuhr dann weiter nach K., wo abermals bei einem Heurigen eingekehrt wurde, und im weiteren Verlauf nach B., wo sich gegen Mitternacht der eingangs erwähnte Unfall ereignete. Feststeht auch, daß der Zweitbeklagte von dieser Heurigenfahrt nichts wußte und daß zwischen den Teilnehmern der Fahrt über diesen Umstand bezw. über die eventuelle Erlaubnis des Dienstgebers zur Vornahme einer solchen Fahrt keine Erwähnung getan und daß kein Entgelt dafür geleistet wurde.

Beide Untergerichte erblickten in dieser Fahrt darum eine Schwarzfahrt des Erstbeklagten, die ohne Wissen und Willen des Zweitbeklagten unternommen wurde. Dieser habe darum nur gemäß § 7 Abs. 3 KFG. als Fahrzeughalter bis zu der im § 12 Abs. 3 des zitierten Gesetzes gesetzten Höchstgrenze zu haften und diese Haftung auch auf sich genommen. Eine weitergehende, auf die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches gegrundete Haftung lehnten beide Vorinstanzen jedoch ab.

Soweit die Klägerin diese Haftung auf die von ihr gänzlich mißverstandene Bestimmung des § 16 KFG. sowie auf die Behauptung eines Verschuldens des Zweitbeklagten in der Ermöglichung unbefugter Benützung des Lastkraftwagens zu einer Schwarzfahrt durch den Erstbeklagten grundet, haben beide Vorinstanzen, wenn auch mit verschiedener Begründung, die Haltlosigkeit dieser Begründung dargetan. Die Revision kommt auf diese beiden Haftungsgrunde, deren Unstichhältigkeit sie offenbar selbst erkennt, nicht mehr zurück.

Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die Entscheidung vom 19. Oktober 1949, SZ. XXII/159 (vgl. die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in dieser Frage: 3 Ob 361/48, 2 Ob 563/49, 2 Ob 189/50, 2 Ob 46/51 u. a. m.), die Ansicht des Erstgerichtes über die Aufhebung des Art. IV der Einführungsverordnung zum Kraftfahrzeugverkehrsgesetz vom 23. März 1940, DRGBl. I, S. 537, als unrichtig bezeichnet und den Standpunkt eingenommen, daß diese ehedem reichsrechtliche Bestimmung durch Abschnitt I Art. 1 Abschn. A lit. a) KfrUeGes. nicht betroffen ist und weiterhin in Geltung steht. Der Oberste Gerichtshof pflichtet unter Hinweis auf die bezogenen Entscheidungen dieser Rechtsansicht bei.

Es ist daher nur noch zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Haftung des Zweitbeklagten nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch unter Heranziehung des Art. IV der EVzKFG. vorliegen.

Beide Untergerichte stellen fest, daß Erstbeklagter, den nach dem rechtskräftigen Strafurteil ein Verschulden am Unfall trifft, ein Angestellter des Zweitbeklagten ist, dessen er sich zum Betrieb des Lastkraftwagens bedient, lehnen aber das Vorliegen der weiteren Haftungsvoraussetzung ab, daß es sich um dessen "Dienstleistungen beim Betriebe" handelt. Wenn ein Chauffeur bei einer ohne Wissen und Willen des Autohalters unternommenen Schwarzfahrt einen Kraftwagen führe, handle er nicht im Dienste des Autohalters und erbringe ihm keine Dienstleistungen. Diese Tätigkeit liege vielmehr außerhalb seiner Dienstobliegenheiten, ja, sie richtet sich sogar gegen die Interessen seines Dienstgebers, des Autohalters. Das Berufungsgericht ergänzt diese Begründung noch dahin, daß der Kraftwagenlenker gerade durch die Ausübung der Lenkertätigkeit die ihm beim Betriebe des Fahrzeuges zukommende Dienstleistung versehen und in Verrichtung der ihm zukommenden Dienstleistung begriffen sein müsse. Bei Fehlen dieser Voraussetzung liege eben eine Schwarzfahrt vor, und der Autohalter werde von einer über die Bestimmungen der §§ 7 Abs. 3 und 12 Z. 3 KFG. hinausgehende Haftung frei.

Diesen Ausführungen ist zuzustimmen, und die Revision vermag nichts vorzubringen, was geeignet wäre, sie zu entkräften.

Liegt eine Schwarzfahrt des angestellten Führers vor, so kann zwar der Autohalter nach § 7 Abs. 3 KFG. in der jetzt geltenden Fassung die Haftung für den gelegentlich der Schwarzfahrt vom Lenker verursachten Schaden nicht ablehnen. Allein, seine Haftung ist auf die durch das Kraftfahrzeugverkehrsgesetz geregelten Voraussetzungen gegrundet und beschränkt sich auf die im § 12 KFG. normierten Höchstleistungen. Auf die weitergehende Schadenshaftung nach §§ 1325 ff. ABGB. kann sich der Beschädigte in einem solchen Falle nicht berufen, weil die im Art. IV EVzKFG. normierten Voraussetzungen für die Heranziehung der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 16 KFG.) (vgl. Müller, S. 342) mangeln. Nur unter besonderen Voraussetzungen, wie z. B. Auswahlverschulden des Autohalters oder Bestellung eines untüchtigen Fahrers, könnte die weitergehende Haftung nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch hier in Anspruch genommen werden.

Zum gleichen Ergebnis führt aber auch die Erwägung, daß die Vorschrift des § 7 Abs. 3 zweiter Satz KFG. selbst schon eine Ausnahmebestimmung von der im § 7 Abs. 3 erster Satz aufgestellten Regel bedeutet, daß die Verantwortlichkeit des Halters auf den Benutzer übergeht, wenn dieser das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Halters benutzt hat. Die Novelle zum Kraftfahrzeugverkehrsgesetz vom 7. November 1939, DRGBl. I, S. 2223, durch welche Satz 2 des § 7 Abs. 3 geschaffen wurde, wollte die bis dahin geltende Rechtslage, wonach der Halter nicht haftete, wenn ein Dritter eigenmächtig und ohne sein Verschulden eine Fahrt unternommen und dabei Schaden verursacht hatte, einschränken auf den Fall solcher Schwarzfahrten, bei denen sich ein Dritter eigenmächtig und ohne Verschulden des Halters in den Besitz des Wagens gesetzt und Schaden verursacht hatte, ohne daß der Halter bereits durch die Inbenützungsnahme des Wagens, z. B. durch Diebstahl oder Raub, aufgehört hätte, Halter zu sein. Für Schwarzfahrten solcher Personen, denen er die Führung des Wagens dadurch ermöglichte, daß er sie für den Betrieb des Fahrzeuges anstellte oder ihnen dasselbe überließ, bleibt er haftbar. Der Grund dieser Ausnahme von der Ausnahme liegt nicht so sehr, wie die Begründung des Gesetzes meint, im Rechtsempfinden des Volkes, sondern wohl darin, daß die Fälle von Schwarzfahrten des angestellten Fahrers ungleich häufiger sind als solche von Dritten, die sich etwa vorübergehend des Wagens bemächtigen, daß es dem Autohalter in der Regel eher möglich sein wird, Schwarzfahrten eines Angestellten zu verhindern als solche Dritter, und weil er den Vertrauensmißbrauch des Angestellten dem Geschädigten gegenüber vertreten muß. Zu einer weiteren Ausdehnung dieser Ausnahmebestimmung in der Richtung einer umfassenderen Haftung des Autohalters für Schäden, welche der Lenker bei Schwarzfahrten verursacht, nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches besteht kein gesetzespolitischer Anlaß. Bei Unanwendbarkeit des Art. IV des EVzKFG. auf diesen Fall könnte sich eine Haftung des Autohalters nach bürgerlichem Recht nur in einem der früher angedeuteten besonderen Fälle ergeben. Die Revision behauptet aber selbst nicht mehr das Vorliegen einer solchen Voraussetzung.

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