Normen
ABGB §1325
ABGB §1327
Dienstarbeitsunfallsgesetz. (Gesetz vom 7) 12. 1948. DRGBl. I S. 674, §1
Reichsversicherungsordnung §898
ABGB §1325
ABGB §1327
Dienstarbeitsunfallsgesetz. (Gesetz vom 7) 12. 1948. DRGBl. I S. 674, §1
Reichsversicherungsordnung §898
Spruch:
Ist eine Rente nach § 1327 ABGB. rechtskräftig zuerkannt, so können doch Berechtigter und Verpflichteter eine spätere Änderung der Urteilsgrundlagen, insbesondere der Lohn- und Wirtschaftsverhältnisse, geltend machen. Gegenüber einem Erhöhungsbegehren können hinsichtlich der Höhe und der Dauer des Anspruches Einwendungen erhoben werden, die im früheren Verfahren nicht erhoben oder nicht berücksichtigt worden sind.
Entscheidung vom 3. Oktober 1951, 1 Ob 654/51.
I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht hat mit Urteil vom 26. März 1948 festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin im Sinne des § 1327 ABGB. das zu ersetzen hat, was ihr durch den Tod ihres Ehegatten entgangen ist. Es hat den Beklagten gleichzeitig zur Zahlung einer monatlichen Rente von 100 S verurteilt, u. zw. auf Grund der Feststellung, daß der Gatte der Klägerin im Zeitpunkte des Unfalles einschließlich der Deputate monatlich 547.78 RM als Einkommen bezog, daß er tatsächlich fast seinen ganzen Gehalt seiner Gattin zur Verfügung stellte und daß der gemeinsame Unterhalt ausschließlich mit seinem Gelde bestritten wurde, während der Verdienst der Klägerin als Lehrerin dieser zur anderweitigen Verwendung verblieb. Unter diesen Umständen erscheine die Monatsrente von 100 S unter Berücksichtigung der Leistungen der Versicherungsgesellschaften (175 RM) und des eigenen Verdienstes der Klägerin als ein billiger Ausgleich für die ihr durch den Tod des Gatten verlorengegangenen monatlichen Geldzuschüsse.
Die Untergerichte haben der Klägerin nun auf Grund einer neuen Klage, angefangen vom 5. Jänner 1951, statt der früher zuerkannten Rente von 100 S eine solche von 200 S zugesprochen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte haben sich mit Recht schon im Hinblick auf die Rechtskraft des im Urteil vom 26. März 1948 enthaltenen reinen Feststellungsausspruches auf die Prüfung der Frage nicht eingelassen, ob nicht die Haftungsbefreiung nach § 898 ff. RVO. einzutreten habe, eine Einwendung, die übrigens schon gemäß § 1 DRGBl. 1943 I, S. 674, erfolglos bleiben müßte, weil der Anspruch aus einem Verkehrsunfall abgeleitet wird. Die Untergerichte haben anderseits auch mit Recht angenommen, daß die Rechtskraft des Ausspruches über die Höhe der Rente eine Berücksichtigung der Änderung in den Verhältnissen, die für die Bemessung der Rente maßgebend waren, nicht ausschließt. Auch aus der Fassung des Gesetzes ist eine Einschränkung der Ansprüche dahin, daß nur ein Unterhalt in der ziffernmäßigen Höhe des vom Getöteten bisher Geleisteten zugesprochen werden könnte, nicht abzuleiten. Denn was den anspruchsberechtigten Personen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen entgeht, liegt naturgemäß in der Zukunft und kann immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus dem früheren Verhalten des Getöteten und der Entwicklung der sonstigen maßgebenden Verhältnisse, insbesondere der Lohn- und Wirtschaftsverhältnisse, erschlossen werden. Soweit der Anspruch gemäß § 406 ZPO. für die Zukunft erhoben wird, kann auch die Entwicklung der letzteren Verhältnisse nur durch einen Schluß aus der bisherigen Entwicklung abgeleitet werden. Der Zuspruch von Renten an die Angehörigen Getöteter erfolgt also auf Grund von Hypothesen, deren Richtigkeit wohl nicht, soweit das persönliche Verhalten des Getöteten in Betracht kommt, wohl aber, soweit auch eine Prognose hinsichtlich anderer Verhältnisse notwendig war, durch den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse widerlegt werden kann. Ist dies der Fall, dann steht es aber beiden Teilen zu, die später eingetretene Änderung der Urteilsgrundlage geltend zu machen. So wäre der Beklagte durch die Rechtskraft des Urteils nicht behindert, die Einstellung der Rente zu verlangen, wenn die Klägerin zu einer zweiten Ehe schreitet. Die Klägerin kann aber ihrerseits die Umstände geltend machen, aus denen sich ergibt, daß der Entgang, den sie derzeit erleidet, infolge einer Änderung in den Lohn- und Wirtschaftsverhältnissen höher ist, als er seinerzeit vom Gerichte angenommen wurde. Die Korrektur der seinerzeit erwarteten Ereignisse an der Hand der tatsächlichen Entwicklungen, wie sie hier von den Untergerichten vorgenommen wurde, hat mit dem in der Entscheidung SZ. XVI/74 ausgesprochenen Grundsatz nichts zu tun, daß bei der Feststellung, ob es zu einer Alimentationsleistung des Getöteten gekommen wäre, allzuferne Möglichkeiten nicht Berücksichtigung finden sollen.
Soweit die Klägerin eine Erhöhung der ihr zugesprochenen Rente begehrt, könnte die Beklagte zwar nicht gegen den Grund des Anspruches, aber hinsichtlich der Höhe und der Dauer des Anspruches auch Einwendungen erheben oder neuerlich erheben, die sie in dem früheren Verfahren nicht erhoben hat oder die damals nicht berücksichtigt wurden, weil die Rechtskraft des Ausspruches über die Höhe eben nur den damals geltend gemachten und der Klägerin zugesprochenen Betrag von monatlich 100 S ergreift. Die Rechtskraft würde den Beklagten also nicht daran hindern, nunmehr einzuwenden, daß die Ehe der Klägerin, wenn ihr Gatte nicht gestorben wäre, wahrscheinlich keinen langen Bestand gehabt hätte. Diese Einwendung wurde jedoch erst in der Revisionsinstanz, also verspätet, erhoben. Sie ist auch durch den bloßen Hinweis auf den Altersunterschied der Ehegatten und dem herrschenden allgemeinen Scheidungstaumel keinesfalls genügend fundiert.
Der Verdienst der Klägerin als Lehrerin könnte bei der Bemessung der Rente auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn feststunde, daß sie, wie der Beklagte vermutet, diesen Posten als verheiratete Frau nicht ausüben würde, weil sie sich dann bereits wieder in den Ruhestand hätte versetzen lassen oder versetzt worden wäre. Denn dieser Verdienst beruht nicht nur auf dem Tode des Gatten der Klägerin, sondern auch auf ihrer eigene Tätigkeit. Es könnte also im Sinne der Entscheidung DREvBl. 1943, Nr. 172, nur von dem Betrage, von dem angenommen wird, daß der Verstorbene ihn der Klägerin regelmäßig zugewendet hätte, ein dem durch den Tod des Gatten eingetretenen Entfall an Arbeitsleistung für den Gatten entsprechender verhältnismäßiger Anteil abgezogen werden. Die Klägerin hatte jedoch schon vor dem Tode ihres Gatten während des Krieges ihre aktive Dienstleistung als Lehrerin wieder aufgenommen. Sie konnte also schon damals trotz der Wirtschaftsführung für ihren Gatten den Beruf einer Lehrerin ausüben, so daß der Arbeitsentfall durch den Tod ihres Gatten für die Berufsausübung der Klägerin bedeutungslos war.
Beide Untergerichte haben angenommen, daß der Gatte der Klägerin ihr etwa ein Drittel seines Nettoverdienstes trotz ihres eigenen Verdienstes als Lehrerin zugewendet hat. Diese Feststellung ist von dem Beklagten nicht angefochten. Da es darauf ankommt, was der Klägerin entgangen ist und nicht darauf, worauf sie Anspruch erheben konnte, können alle Erörterungen darüber, wie weit der § 91 ABGB. durch das Ehegesetz und neuere Anschauungen eine Beeinträchtigung erfahren hat, dahingestellt bleiben. Die Einwendung, daß der Gatte der Klägerin ihr nur so lange ein Drittel seiner Einkünfte gewidmet hätte, als sie eine von ihren Eltern übernommene Schuld abzahlen mußte, hat das Berufungsgericht mit Recht als verspätet zurückgewiesen, weil diese Einwendung in erster Instanz nicht erhoben wurde. Der Beklagte meint zwar, diese Behauptung des Berufungsgerichtes sei aktenwidrig, weil der gesamte Inhalt des früheren Aktes in der mündlichen Streitverhandlung zur Darstellung gelangte und sich diese Einwendung aus gewissen Zeugen- und Parteienaussagen im früheren Rechtsstreit ableiten lasse. Doch ist die Behauptung der Revision, daß der gesamte Inhalt des früheren Aktes bei der Streitverhandlung erörtert wurde, durch das Protokoll nicht gedeckt und daher selbst aktenwidrig, ganz abgesehen davon, daß es nicht Sache des Gerichtes ist, von der beklagten Partei nicht behauptete Umstände zu berücksichtigen, auch wenn sich die Möglichkeit, solche Behauptungen aufzustellen, aus einem beigeschafften Akte ergibt. Die Untergerichte hatten also keinen Anlaß, die Höhe des Einkommens der Klägerin als Lehrerin und den Zeitpunkt der vollen Abzahlung der erwähnten Schuld festzustellen, und das Urteil leidet wegen dieser Unterlassung ebensowenig an einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens als es an einer Aktenwidrigkeit oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung leidet. Die Untergerichte haben also, davon ausgehend, daß der verstorbene Gatte der Klägerin ihr derzeit ein Drittel seines Nettoeinkommens im Betrage von 2050.51 S monatlich, d. s. 683 S, zu gewendet hätte, daß sie aber an Renten aus der Sozialversicherung nur ungefähr 455 S bezieht, die Rente der Klägerin mit 200 S sicher nicht zu hoch bemessen.
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