OGH 4Ob20/51

OGH4Ob20/5120.2.1951

SZ 24/46

Normen

ABGB §6
Beamtenüberleitungsgesetz §12
Vertragsbedienstetengesetz 1948 §35 Abs1 litf.
ABGB §6
Beamtenüberleitungsgesetz §12
Vertragsbedienstetengesetz 1948 §35 Abs1 litf.

 

Spruch:

Nur ein Anspruch auf Ruhe- oder Versorgungsgenuß oder auf Abfertigung aus einem pragmatischen, nicht schon aus jedem öffentlichen Dienstverhältnis beseitigt den Anspruch auf Abfertigung nach § 35 Abs. 1 lit. f VertragsbedienstetenG. 1948.

Entscheidung vom 20. Feber 1951, 4 Ob 20/51.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Kläger war Vertragsbediensteter des Bundes mit einer seit 16. November 1941 anrechenbaren Dienstzeit. Das Bundesministerium für Unterricht hat dieses Dienstverhältnis aufgekundigt und ausgesprochen, daß dem Kläger gemäß § 35 Abs. 1 lit. f des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 eine Abfertigung nicht zukommt. Vor Abschluß des Dienstverhältnisses mit dem Bundesministerium für Unterricht war der Kläger Bediensteter bei den österreichischen Bundesbahnen gewesen und stand im Genuß eines Ruhezuges. Während der Dauer des Vertragsbedienstetenverhältnisses zum Bund ist ihm die Differenz zwischen dem Ruhegenuß und dem nach dem Vertragsbedienstetengesetz zukommenden Aktivbezug flüssiggemacht worden.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren auf Zahlung einer Abfertigung abgewiesen.

Infolge Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht in Abänderung des prozeßgerichtlichen Urteiles die beklagte Partei zur Zahlung einer Abfertigung verurteilt.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schicksal der Revision und damit des Rechtsstreites hängt einzig und allein von der Auslegung der Bestimmung des § 35 Abs. 1 lit. f des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86/1948, ab. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen 3 Jahre gedauert, so gebührt dem Vertragsbediensteten beim Enden des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Der Anspruch auf Abfertigung besteht nicht ......,

f) wenn dem Dienstnehmer auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ein Anspruch auf Ruhe- oder Versorgungsgenuß oder auf Abfertigung zusteht".

Die beklagte Partei vertritt die Ansicht, daß der Gesetzgeber bei Erlassung dieser Bestimmung klar erkennbar die Absicht verfolgte, den Anspruch auf Abfertigung nicht nur, wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung zu ergeben scheine, bei Bestand eines Ruhe- und Versorgungsgenußanspruches aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis entfallen zu lassen, sondern beim Bestand eines Versorgungsanspruches aus jedem öffentlichen Dienstverhältnis. Es ist der Revision zuzugeben, daß im § 6 ABGB. der sprachliche Ausdruck der Wortlaut und die klare Absicht des Gesetzgebers als Auslegungselemente einander gleichwertig gegenübergestellt werden. Aber von einer "klaren", dem Wortlaut der fraglichen Norm nicht entsprechenden Absicht des Gesetzgebers kann hier durchaus keine Rede sein. Schon die Regierungsvorlage (Nr. 544 der Beilagen, V. Ges.Periode) verlieh der fraglichen Stelle denselben Ausdruck, dessen sich das beschlossene Gesetz bedient; und aus dem Ausschußbericht geht hervor, daß im § 35 Abs. 2 eine kleine stilistische Änderung vorgenommen wurde. Es ist nicht anzunehmen, daß dabei die Berichtigung eines der Absicht des Gesetzgebers nicht entsprechenden Wortlautes des § 35 Abs. 1 lit. f unterblieben wäre, dies um so weniger, als die unmittelbar vorangehende Gesetzesstelle lit. e expressis verbis zwischen einem Vertragsverhältnis zum Bund, zu einer vom Bund verwalteten Stiftung, einem Fonds oder einer Anstalt und einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis unterscheidet. Dies zwingt geradezu zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber in lit. f nur an ein pragmatisches Dienstverhältnis gedacht hat.

Zur Dartuung der "klaren" Absicht des Gesetzgebers beruft sich die beklagte Partei auf zwei angebliche Gesetzesbestimmungen, nämlich auf § 24b der Besoldungsordnung für die Beamten der österreichischen Bundesbahnen in der Fassung BGBl. Nr. 253/1949 und auf die Dienstordnung für die Vertragsangestellten der österreichischen Bundesforste, BGBl. Nr. 256/49, übersieht aber hiebei, daß es sich bei diesen "Ordnungen" nicht um Gesetze, sondern um Verordnungen handelt. Aus Normen einer tieferen Stufe kann aber nicht auf die Absicht bei Erlassung von Normen höherer Stufe geschlossen werden; aus einer Verordnung, die nicht vom Gesetzgeber, sondern von einem Organ der Vollziehung erlassen ist, nicht auf die Absichten des Gesetzgebers.

Die beklagte Partei beruft sich ferner auf den § 12 des Beamtenüberleitungsgesetzes, BGBl. Nr. 134/1945, der die für öffentlich-rechtliche Bedienstete geltenden Vorschriften dieses Gesetzes sinngemäß auch auf das Vertragsverhältnis von Bediensteten des Staates, der Länder, der Stadt Wien, der Verwaltungsbezirke, der Gemeinden und sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie der unter deren Verwaltung oder Aufsicht stehenden Stiftungen, Fonds und Anstalten, ferner für das Dienstverhältnis zu den österreichischen Bundesbahnen und zur Oesterreichischen Nationalbank für anwendbar erklärt. Aus § 12 B-ÜG. kann aber gewiß nicht geschlossen werden, daß auch über den Rahmen dieser Vorschrift hinaus alle für öffentlichrechtliche Bedienstete geltenden Befugnisse und Rechtsbeschränkungen sinngemäß auf alle Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst Anwendung zu finden haben. Wäre dem so, dann hätte man ein Vertragsbedienstetengesetz ja überhaupt nicht gebraucht.

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