Spruch:
Die Einverleibung des Eigentumsrechtes ohne Rechtstitel schafft kein Eigentum.
Wurde dem Käufer einer Liegenschaft beim Vertragsabschluß mitgeteilt, daß an einem Trennstück bereits ein Dritter außerbücherlich Eigentum erworben habe und daß daher nur der um das Trennstück verminderte Grundbuchskörper den Gegenstand des Kaufvertrages bilde, so kann der Dritte nach grundbücherlicher Durchführung des Kaufvertrages vom Käufer die Ausstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde zwecks Abschreibung des Trennstückes und Einverleibung des Eigentumsrechtes des Dritten begehren.
Entscheidung vom 22. November 1950, 3 Ob 515/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Poysdorf; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.
Text
Die Kläger erwarben im Jahre 1922 von Heinrich G., dem damaligen Eigentümer der Liegenschaft Parzelle 401/27 des Grundbuches R., im Kaufwege ein Trennstück dieser Parzelle in der Länge von zirka 12.5
m. Ein schriftlicher Kaufvertrag wurde nicht errichtet und es unterblieb auch in der Folge die grundbücherliche Übertragung dieses Teilgrundstückes an die Käufer. Der Kaufpreis wurde durch Tischlerarbeiten seitens des Erstklägers an Zahlungs Statt entrichtet. Nach dem Ableben des Heinrich G. gelangte die Parzelle 401/27 im Erbwege auf dessen Sohn Friedrich G., von dem die Beklagte am 19. November 1938 diese Liegenschaft käuflich erwarb. In der Folge wurde das Eigentum der Beklagten an der Parzelle 401/27 grundbücherlich einverleibt. Das Trennstück, das von Heinrich G. seinerzeit an die Kläger verkauft worden war, war zur Zeit des Kaufes der Parzelle 401/27 durch die Beklagte mit einem schadhaften Zaun, durch Bäume, die von den Klägern gepflanzt worden waren, und durch einen Rasenstreifen gegen die übrige Parzelle abgegrenzt. Die Beklagte wurde vom Verkäufer davon in Kenntnis gesetzt, daß die Kläger Eigentümer des Trennstückes sind. Am 24. April 1940 brachte die Beklagte beim Bezirksgericht Poysdorf eine Klage gegen die jetzigen Kläger wegen Herausgabe dieses Liegenschaftsteiles ein, zog jedoch diese Klage am 17. September 1940 unter Verzicht auf den Anspruch zurück. Im Anschluß daran erfolgte die Vermessung und die der außerbücherlichen Lage entsprechende Unterteilung der Parzelle Nr. 401/27 und deren grundbücherliche Durchführung, wobei die Teilfläche die Parzellennummer 401/43 erhielt. Die Herstellung des den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen entsprechenden Grundbuchsstandes unterblieb wegen der Kriegsverhältnisse. Der Aufforderung zur Unterfertigung einer einverleibungsfähigen Urkunde hinsichtlich des Eigentums der Kläger widersetzte sich die Beklagte.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen bei Exekution eine Erklärung des Inhaltes auszustellen, daß sie die Abschreibung der Parzelle Nr. 401/43 von der ihr gehörigen Einlagezahl 843 des Grundbuches R. und deren Zuschreibung zu der im gleichteiligen Eigentum der Kläger stehenden EZ. 153 h des Grundbuches R. bewilligt.
Das Berufungsgericht, das die Feststellungen des Erstgerichtes übernahm, teilte die Rechtsansicht des erstinstanzlichen Urteiles.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision bekämpft die Rechtsansicht der untergerichtlichen Urteile, daß die Beklagte, obwohl zur Zeit des Vertragsabschlusses die streitgegenständliche Parzelle abgetrennt gewesen ist und obwohl die Beklagte die Tatsache des vom Erblasser des Verkäufers getätigten Verkaufes an die Kläger kannte, verpflichtet sei, die begehrte Erklärung abzugeben. Die ganze Liegenschaft sei ohne Beschränkung dem Erben eingeantwortet worden, der sie wieder an die Beklagte weiterverkauft hat. Das starre Eintragungsprinzip des § 431 ABGB. möge beim direkten Verkehr durchbrochen sein, im vorliegenden Fall habe aber die Beklagte nicht vom seinerzeitigen Verkäufer des Trennstückes an die Kläger, sondern von einem Dritten, nämlich dem Erben, die Liegenschaft käuflich erworben. Die Beklagte habe daher im Vertrauen auf den Grundbuchsstand das Eigentum im verkauften Umfange erworben, das auch nicht durch die Kenntnis einer obligatorischen Verpflichtung des Verkäufers erschüttert werden könne. Es könne deshalb nur ein Schadenersatzanspruch des außerbücherlichen Erwerbers gegenüber dem Verkäufer gegeben sein.
Die Revision ist nicht begrundet.
Die Ausführungen der Revision gehen deshalb ins Leere, weil sie von der unrichtigen Voraussetzung ausgehen, die Beklagte hätte die Parzelle Nr. 401/27 von Friedrich G. zur Gänze und in ihrem ursprünglichen Umfang, wie sie damals noch im Grundbuch ersichtlich war, erworben. Nach den Feststellungen der Untergerichte wußte der Verkäufer Friedrich G. von dem seinerzeitigen Verkauf des Trennstückes an die Kläger und er machte auf diesen Umstand die Beklagte beim Vertragsabschluß auch ausdrücklich aufmerksam. Gegenstand des Kaufes durch die Beklagte war also nur jener Teil der Parzelle 401/27, der noch im Eigentum des Heinrich G. verblieben war. Zu jedem mittelbaren Erwerb des Eigentums ist gemäß § 424 ABGB. ein tauglicher Titel erforderlich. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurde die Beklagte vom Verkäufer davon in Kenntnis gesetzt, daß die Kläger bereits außerbücherlich Eigentümer des Trennstückes sind. Der zwischen ihr und dem Gründeigentümer abgeschlossene Kaufvertrag konnte sich daher nur auf den restlichen Teil der Parzelle 401/27 beziehen. Die Beklagte ist daher mangels Titels überhaupt nicht Eigentümerin des Trennstückes geworden, trotz der nachfolgenden grundbücherlichen Eintragung ihres Eigentumsrechtes an der ganzen Parzelle. So wie der bloße Titel noch kein Eigentum gibt, sondern zur Erwerbung des Eigentums noch die rechtliche Übergabe und Übernahme erforderlich ist (§ 425 ABGB.), so verschafft auch die Eintragung im Grundbuch als Übertragungsart von unbeweglichen Sachen bei Fehlen eines Erwerbstitels kein Eigentum. Die Beklagte ist daher als Nichteigentümerin der in der Folge vermessenen Parzelle 401/43 verpflichtet, den Klägern die begehrte einverleibungsfähige Urkunde hinsichtlich des Eigentums der Kläger an dieser Parzelle auszustellen.
Auch die Bestimmung des § 440 ABGB. und der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Oktober 1873 (SpR. 59 alt) niedergelegte Rechtssatz, § 440 ABGB. setze nicht voraus, daß der die Intabulation erwirkende Erwerber von der früheren Überlassung derselben Sache an einen anderen keine Kenntnis hat, stehen dem Klagebegehren der Kläger nicht entgegen, weil im vorliegenden Fall der Eigentümer und dessen Rechtsnachfolger nicht "eben dieselbe unbewegliche Sache zwei verschiedenen Personen überlassen hat", sondern sich die beiden Kaufverträge auf verschiedene Grundstückteile bezogen haben, die lediglich im Grundbuch noch als eine einheitliche Parzelle eingetragen waren.
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