Spruch:
Eine Erhöhung einer in einem Vergleich festgesetzten Rente kann weder auf Grund neu aufgetretener Unfallsfolgen noch wegen Sinkens der Kaufkraft der Rente gefordert werden, wenn im Vergleich vereinbart wurde, daß damit sämtliche wie immer gearteten Ansprüche des Beschädigten ein für allemal abgegolten sein sollen.
Ein solcher Verzicht ist zulässig.
Entscheidung vom 17. Mai 1950, 1 Ob 128/50.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Am 12. Juni 1938 ereignete sich ein Unfall, der durch das Auto des Beklagten verursacht wurde, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde und deren Mutter, die die Klägerin schon seit Jahren wegen ihrer Kränklichkeit pflegte, den Tod fand. Die Klägerin strengte einen Schadenersatzprozeß gegen die Beklagte an, in dem neben dem Ersatz von Leichen- und Verpflegungskosten, bzw. dem Ersatz für Sachschäden auch die Zuerkennung einer Rente auf Lebensdauer begehrt wurde. Mit Vergleich vom 4. Juli 1946 wurde zwischen den Streitteilen ein Vergleich abgeschlossen, wonach die Beklagte sich verpflichtete, bis 4. Juli 1946 den Betrag von 500 S, bis 1. August 1946 den Betrag von 4800 S, ab 1. August 1946 auf Lebensdauer der klagenden Partei jeweils am 1. eines jeden Monates eine Rente von 75 S pro Monat zu bezahlen.
In den Vergleich wurde der Beisatz aufgenommen, daß durch obige Zahlungen sämtliche wie immer gearteten Ansprüche der klagenden Partei gegen die beklagte Partei aus dem klagsgegenständlichen Autounfall einschließlich der Prozeßkosten ein für allemal abgegolten sein sollten.
Mit der gegenständlichen Klage begehrte die Klägerin eine Erhöhung der Rente auf das Doppelte, weil sich seit Abschluß des Vergleiches die Lebensverhältnisse sehr wesentlich geändert hätten.
Die Beklagte hat das Klagebegehren bestritten und unter anderem ausgeführt, daß durch die im Vergleich vom 4. Juli 1946 enthaltene Klausel, daß mit diesem Vergleich sämtliche wie immer gearteten Ansprüche aus dem Autounfall ein für allemal abgegolten seien, die Klägerin auf jede Erhöhung der Rente verzichtet habe.
Das Erstgericht hat die Klage aus diesen Erwägungen auch abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei Folge gegeben, das Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben, die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich der oberwähnten Klausel führte das Berufungsgericht in rechtlicher Beziehung aus, daß diese Klausel nur dahin zu verstehen sei, daß neue Ansprüche außer und neben den in der ersten Klage geltend gemachten Ansprüchen nicht begehrt werden könnten, daß aber die Zulässigkeit einer Erhöhung der vereinbarten Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit nachgelassen oder die Kaufkraft des Geldes gesunken sei, mangels ausdrücklicher Vereinbarung der Unabänderlichkeit angenommen werden müsse.
Nach Ergänzung des Beweisverfahrens hat das Erstgericht ausgesprochen, daß eine Erhöhung der Rente gerechtfertigt sei, weshalb ab 1. April 1948 die Rente auf 107.25 S erhöht wurde, während das Mehrbegehren auf Zuerkennung einer Rente von 200 S monatlich abgewiesen wurde.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin teilweise Folge gegeben, die Rente auf 182.25 S erhöht und das Mehrbegehren abgewiesen.
Die Berufung der beklagten Partei richtete sich gegen die Rechtsansicht, daß trotz der im Vergleich vom 4. Juli 1946 enthaltenen Generalklausel die Klägerin ein Recht habe, eine Erhöhung der Rente zu begehren.
Das Berufungsgericht hat dieser Berufung der Beklagten keine Folge gegeben, indem die Rechtsausführungen des seinerzeitigen Aufhebungsbeschlusses übernommen wurden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren auf Erhöhung der Rente in Abänderung des zweitinstanzlichen Urteiles ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In dem in Rede stehenden Vergleich haben die Parteien vereinbart, daß durch die im Vergleich festgesetzten Zahlungen sämtliche wie immer gearteten Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte ein für allemal abgegolten sein sollten. Diese Bestimmung kann nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte durch die von ihr übernommenen Leistungen sich gegen alle wie immer Namen habenden Ansprüche schützen wollte und daß die Klägerin damit einverstanden war. Die Klägerin kann daher eine Erhöhung ihrer Rente weder aus dem Titel des Auftretens neuer Unfallsfolgen, die damals noch nicht bekannt waren, noch deshalb begehren, weil die Kaufkraft der Rente gesunken ist.
Da die Parteien jede weitere Zahlung über die Vergleichszahlung hinaus ausdrücklich ausgeschlossen haben, so kann sich auch die Klägerin auf die angeblich einem Rentenvergleich stillschweigend zugrunde liegenden clausula rebus sic stantibus nicht berufen, weil diese durch die gewählte Formulierung deutlich ausgeschlossen worden ist (s. "wie immer geartete Ansprüche").
Ein solcher Verzicht auf etwaige Nachtragsforderungen ist auch nicht unzulässig. Dies folgt aus der Erwägung, daß der Beschädigte auf ihm zustehende Schadenersatzansprüche zur Gänze verzichten kann; um so weniger können dagegen Bedenken erhoben werden, wenn er sich im Vergleichswege mit einem bestimmten Schadenersatzbetrag zufrieden gibt und auf alle Nachforderungen verzichtet.
Es war daher der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)