OGH 1Ob226/50

OGH1Ob226/506.5.1950

SZ 23/141

Normen

Mietengesetz §19
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z7
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
Mietengesetz §19
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z7
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4

 

Spruch:

Dem Vermieter steht die Wahl frei, welchen Mieter er wegen Eigenbedarfes kundigt.

Nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. kann der Eigenbedarf auch im Bedarf nach einem Geschäftsraum bestehen, jedoch muß der gekundigte Raum vom Mieter derzeit als Wohnraum verwendet werden.

Nach. § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. genügt nicht die bloße Absicht, in den vermieteten Räumlichkeiten Arbeiter oder Angestellte des eigenen Betriebes unterzubringen, vielmehr müssen diese Räume schon einmal von solchen Betriebsangehörigen benützt worden sein.

Entscheidung vom 6. Mai 1950, 1 Ob 226/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Retz; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Mit ihrer am 28. April 1949 überreichten Kündigung hat die klagende Partei der Beklagten die im Hause der Klägerin gegen vierteljährige Kündigung gemietete Wohnung Nr. 2, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Vorzimmer, einem Klosett, einem Bodenabteil und einem Kellerabteil für den Augusttermin 1949 gekundigt.

Geltend gemacht wird Eigenbedarf gemäß § 19 Abs. 2 Z. 5 und 7 MietG. zur Unterbringung der Geschäftsstelle der Klägerin sowie des Kontrollors Lorenz Sch., der zur Zeit der Kündigung mit seiner Familie ein kleines Kabinett bewohnt.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 4. November 1949 die Aufkündigung, gegen welche die Beklagte Einwendungen erhoben hatte, für wirksam erklärt.

In den Gründen wird ausgeführt, der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. treffe allerdings nicht zu, da nach den auf Grund der Beweisergebnisse getroffenen Feststellungen, wonach die klagsgegenständliche Wohnung niemals als Angestelltenwohnung verwendet worden ist, sondern gleich nach der Erbauung des Hauses an betriebsfremde Personen vermietet wurde, die für die Anwendung dieses Kündigungsgrundes notwendige Voraussetzung, daß der Mietgegenstand schon vor der Kündigung zum Zwecke der Unterbringung von Personal bestimmt, d. h. auch verwendet wurde, nicht vorliege. Denn es genüge nicht, daß der Wille des Vermieters dahin ging, den gekundigten Mietgegenstand diesem Zwecke zu widmen; es müsse vielmehr dieser Wille, damit der Vorschrift des § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. entsprochen sei, in der tatsächlichen Verwendung des Bestandobjektes zu diesem Zwecke zum Ausdruck gekommen sein.

Wohl aber - führt das Erstgericht aus - sei der klagenden Partei im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. der Beweis gelungen, daß die klagsgegenständliche Wohnung für den Betrieb als solchen dringend benötigt werde, wobei nach der Lage des Falles die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfalle, deren Interesse mit dem Interesse der Allgemeinheit hier zusammenfalle.

Da eine Teilung der Wohnung nach Ansicht des Erstgerichtes aber nicht durchführbar sei, insofern eine abgesonderte Benutzung eines von der gekundigten Partei an Viktor G. in Untermiete gegebenen Raumes nicht möglich sei, sei die Kündigung hinsichtlich der ganzen Wohnung wirksam zu erklären gewesen.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht dahin Folge gegeben, daß in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils die Aufkündigung nur bezüglich des an der Stirnseite des Vorzimmers gelegenen, bisher an Viktor G. untervermieteten Zimmers für wirksam erklärt, bezüglich der übrigen aufgekundigten Räume aber für unwirksam erkannt wurde.

Das Berufungsgericht ist der Rechtsanschauung des Erstgerichtes, daß der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. nicht gegeben sei, beigetreten, weiter auch der Ansicht des Erstgerichtes, daß ein dringender Eigenbedarf der klagenden Partei nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. in der Richtung vorliege, daß die klagende Partei in ihrem Hause in R. einen Amtsraum für die Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeit in R. benötigt.

Das Berufungsgericht gelangt jedoch aus der Erwägung, daß der Klägerin zur Ausübung ihrer Tätigkeit in Retz ein Amtsraum genüge, weiter aus der Erwägung, daß entgegen der Annahme des Erstgerichtes das seitens der Beklagten an Viktor G. untervermietete Zimmer abgesondert benützbar sei, zu dem Ergebnis, daß der Berufung der Beklagten im Sinne einer Teilkündigung teilweise Folge zu geben war.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden und beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision der Klägerin vertritt zunächst unter Anrufung des Revisionsgrundes des § 503 Z. 4 ZPO. die Auffassung die Untergerichte hätten bei richtiger Beurteilung der Rechtslage den Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. als gegeben annehmen müssen.

Entgegen den Ausführungen der Revision findet jedoch der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß, von seiner ständigen, auch nach dem Jahre 1939 festgehaltenen (E. v. 17. Dezember 1949, 1 Ob 506/49. SZ. XXII/204) Rechtsauffassung in dieser Frage abzuweichen. § 19 Abs. 2 Z. 7 MietG. gibt dem Vermieter das Recht zur Kündigung des Mietvertrages, wenn er den Mietgegenstand, der schon vor der Kündigung zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diese Zwecke dringend benötigt. Es genügt aber hier nicht die bloße Absicht, in den Räumen Arbeiter und Angestellte des eigenen Betriebes unterzubringen, sondern es müssen die Räume schon diesem Zweck tatsächlich gewidmet, also von solchen Betriebsangehörigen benützt gewesen sein (Sternberg, MietG., S. 386 ff., und die dort unter Anm. 92, 93, 97 angeführten Entscheidungen; ferner die Entscheidungen ZBl. 1936, Nr. 345 und 294, sowie auch Swoboda, Komm. zum Mietengesetz, 2. Aufl., S. 217).

Da dies nach den Feststellungen der Untergerichte nicht der Fall ist, haben sie daher mit Recht die Anwendbarkeit dieser Stelle des Mietengesetzes verneint.

Weiters bekämpft die Revision der Klägerin unter Geltendmachung des vorzitierten Revisionsgrundes die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Bedarf der Klägerin nach einem Amtsraum durch Überlassung des an Viktor G. untervermieteten Zimmers gedeckt werden könne, weil dieses Zimmer abgesondert benützbar sei.

Auch hier erweisen sich die Ausführungen der Revision nicht als stichhältig.

Der Umstand, daß der gegenständliche Raum als Amtsraum Verwendung finden soll, macht die gemeinsame Mitbenützung von bloßen Nebenräumen, wie Vorraum und Klosett, nicht unmöglich. Es handelt sich hier eben um eine durch die derzeit bestehenden Schwierigkeiten der Wohnraumfrage indizierte Notlösung; ein rechtswidriger Zustand jedoch wird hiedurch nicht geschaffen. Die vom Berufungsgericht diesfalls gegebene Begründung entspricht daher dem Gesetze.

Soweit der Revisionsgrund des § 503 Z. 3 ZPO. mit der Behauptung geltend gemacht wird, daß dem Urteil des Berufungsgerichtes Widersprüche zu dem Inhalte der Prozeßakten anhaften, erweist er sich als unbegrundet.

Wenn die Revision diesfalls vorbringt, das Erstgericht habe auf Grund der glaubwürdigen Aussagen der Zeugen F., T. und K. angenommen, daß sämtliche im Hause befindlichen Wohnungen von Anfang an zur Unterbringung von Beamten der Klägerin, damals vier an der Zahl, bestimmt gewesen sind und daß nur deshalb, weil drei der damals bei der Dienststelle der Klägerin beschäftigt gewesenen Beamten eigene Wohnungen besaßen, drei Wohnungen an Dritte vermietet wurden, während das Berufungsgericht zu der Feststellung gelangt sei, daß die gegenständliche Wohnung gleich nach der Fertigstellung des Neubaues an Betriebsfremde vermietet worden sei, liegt hier, wie die Überprüfung der Aktenlage ergibt, ein Widerspruch überhaupt nicht vor.

Das Erstgericht hat vielmehr, wie sich aus seinen Urteilsgrunden ergibt, auf Grund der von ihm bezogenen Beweisquelle als festgestellt angenommen, daß die klagsgegenständliche Wohnung - wenn auch ursprünglich für die Unterbringung von Angestellten bestimmt - gleich nach Erbauung des Hauses an betriebsfremde Personen vermietet worden ist, und das Berufungsgericht hat letztere Feststellung als unbedenklich übernommen.

Die Ausführungen der Revision laufen in dieser Richtung im Wesen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinaus, welche im Revisionsverfahren nicht statt hat.

Es war daher der Revision der Klägerin ein Erfolg zu versagen. Aber auch die Revision der Beklagten ist unbegrundet.

In Ausführung des von ihr geltend gemachten Revisionsgrundes nach § 503 Z. 4 ZPO. wird geltend gemacht, im vorliegenden Falle seien wegen eines angeblich dringenden Eigenbedarfes der klagenden Partei Wohnräume aufgekundigt worden, um sie in Kanzleiräume, sohin in Geschäftsräumlichkeiten umzuwandeln, obwohl in demselben Haus, in welchem sich die aufgekundigten Räumlichkeiten befinden, auch Kanzlei- und Geschäftsräume vorhanden seien, was im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle unstatthaft sei.

Dieser Rechtsansicht kann nicht beigetreten werden.

Der Kündigungsgrund des Eigenbedarfes soll dazu dienen, dem Vermieter - sei es eine physische oder juristische Person - die Möglichkeit zu geben, sich selbst und eventuell seine Familie unterzubringen. Das bedeutet aber, entgegen der Anschauung der Revision, nicht unbedingt, daß der begehrte Raum zu "Wohnzwecken" benötigt werden muß; der Eigenbedarf kann auch in einem Bedarf nach einem Geschäftsraum bestehen, wie dies insbesondere bei juristischen Personen häufig zutreffen wird (E. v. 26. April 1922, Ob II 334/22, ZBl. 1922, S. 411, und v. 3. Mai 1950, 1 Ob 586/49). Der Raum muß vielmehr nur vom "Mieter" als Wohnraum verwendet werden.

Der Unterschied zu § 19 Abs. 2 Z. 6 MietG. liegt eben darin, daß im Falle des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. eine Interessenabwägung stattfinden muß, während im Falle der Z. 6 an Stelle dieses Momentes die Beistellung einer Ersatzwohnung tritt.

Unentscheidend ist hiebei, daß in dem Hause auch andere Räume in gleicher Weise wie die gekundigten Wohnungen geeignet wären, den Eigenbedarf des Hauseigentümers zu befriedigen.

Denn grundsätzlich steht dem Vermieter die Wahl frei, welchen Mieter er kundigt (SZ. X/229). Die naturgemäße Einschränkung ergibt sich hier schon durch die Notwendigkeit der Interessenabwägung; denn der Vermieter wird guttun, sich wenn möglich denjenigen Mieter auszusuchen, dem bei Verlust der Wohnung die geringsten Nachteile drohen, weil er dann die größere Aussicht hat, bei der Interessenabwägung durchzudringen und so im Prozeß zu obsiegen.

Es war daher auch der Revision der Beklagten der Erfolg zu versagen.

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